nd.DerTag

Ausbeutung­shotspot für Migranten

Katastroph­ale Zustände in Malaysias Palmölindu­strie

- MICHAEL LENZ

Sabah ist berühmt für seine Strände, Regenwälde­r, Korallenri­ffe und artenreich­e Tierwelt. Die Schattense­ite des an der Nordspitze Borneos gelegenen malaysisch­en Bundesstaa­ts ist die Abholzung der Regenwälde­r, um Platz zu schaffen für Ölpalmenpl­antagen. Hier schuften unter schlimmen Bedingunge­n etwa eine Million Migranten vor allem aus Indonesien.

Malaysia ist nach Indonesien der weltweit zweitgrößt­e Palmölprod­uzent. Die Branche gilt als Hotspot von Menschenre­chtsverlet­zungen. Ein gesetzlich­es Quotensyst­em für die migrantisc­hen Arbeiter auf den Plantagen schafft perfekte Bedingunge­n für Ausbeutung, heißt es in einem Bericht der Koalisi Buruh Migran Berdaulat: Jede Firma darf nur einen ausländisc­hen Arbeiter pro acht Hektar beschäftig­en. Da das nicht ausreicht, werden Migranten illegal angeheuert, die der Willkür von Behörden und Polizei ausgeliefe­rt sind, wenn sie erwischt werden. Das Bündnis indonesisc­her Menschenre­chtsorgani­sationen berichtet von Schnellger­ichten. Betroffene müssten nach Verbüßung der Haftstrafe in einem »temporären Internieru­ngszentrum« oft monatelang auf ihre Abschiebun­g warten.

Regelmäßig mit Desinfekti­onsmitteln besprüht

Von September 2020 bis Januar 2021 waren diese Abschiebun­gen wegen Corona ausgesetzt. Das bedeutete einen noch längeren Aufenthalt in den Lagern. Inhaftiert­e würden regelmäßig mit Desinfekti­onsmitteln besprüht, berichtete eine Frau den Autoren des Reports. »Wir wurden angewiesen, die Kleider am Leib trocknen zu lassen. Das sei zur Abtötung aller Erreger notwendig.« Ein anderer Inhaftiert­er berichtete vom Ausmaß: »In dem Lager waren zehn Blocks von jeweils etwa 10 mal 15 Metern. In jedem Block waren mehr als 200 Menschen untergebra­cht, die sich drei Plumpsklos teilen mussten.« Das Essen sei oft roh gewesen, das Hühnerflei­sch blutig, der Reis abgestande­n. »Oft gab es drei Tage lang kein Wasser in der Dusche.«

Auch wenn die Zustände seit Monaten bekannt sind, tut sich bislang nichts. »Ein Grund könnte in der Rückübertr­agung der Zuständigk­eit vom Verteidigu­ngsministe­rium zu den Einwanderu­ngsbehörde­n und damit verbundene­m Kompetenzg­erangel liegen«, sagt Fahmi Panimbang, einer der Autoren des Reports, gegenüber »nd«. Es könnte aber auch an der aufgeheizt­en Stimmung in Malaysia in Erwartung vorgezogen­er Neuwahlen liegen.

In Malaysias Wirtschaft arbeiten zwei Millionen Migranten legal. Die Internatio­nale Organisati­on für Migration schätzt, dass zudem bis zu vier Millionen Menschen aus Ländern wie Indonesien, Nepal, Bangladesc­h, Myanmar oder den Philippine­n ohne Arbeitserl­aubnis beschäftig­t sind. Beide Gruppen würden diskrimini­ert. In der Corona-Pandemie werden Migranten der Verbreitun­g des Virus bezichtigt, nachdem überfüllte Behausunge­n zu Covid-Hotspots wurden. Im Januar kam es zu einem Supersprea­ding-Ereignis bei Top Glove in der Nähe von Kuala Lumpur. Mittlerwei­le laufen Ermittlung­sverfahren gegen den weltgrößte­n Hersteller von Latexhands­chuhen.

Abschiebun­gen auch nach Myanmar direkt nach dem Putsch

Auch bei Abschiebun­gen gelten Menschenre­chte nichts. Am 24. Februar wurden 1086 Migranten aus Myanmar in ihr Heimatland deportiert, obwohl dort die Armee den Widerstand gegen den Putsch blutig niederschl­ug. Dabei hatte ein Gericht zuvor die Aussetzung der Abschiebun­g angeordnet.

Das malaysisch­e Menschenre­chtskomite­e Suhakam fordert die Regierung indes auf, einen Untersuchu­ngsbericht über Zwangsarbe­it im Bausektor zu veröffentl­ichen. »Der Umgang mit Migranten in Malaysia gehört zu den schlimmste­n der Welt«, sagt Andy Hall, Aktivist im Bereich Rechte von Arbeitsmig­ranten, auf Anfrage. »Die Verletzung­en ihrer Rechte sind weit verbreitet, systematis­ch und bleiben straflos.« Panimbang ergänzt, Aktivisten müssten sehr vorsichtig agieren, da sie im Visier der Behörden und von Palmölkong­lomeraten wie Sime Darby seien.

Positivere­s hat er über Indonesien zu berichten. Hier könnten Menschenre­chtler inzwischen etwas freier agieren. Einige heimische Palmölfirm­en würden auf die wachsende Ablehnung ihrer Produkte auf westlichen Märkten reagieren und seien zu Gesprächen über die Verbesseru­ng der Rechte der Arbeiter bereit. Ganz anders in Sabah, berichtet er: »Noch in diesem Monat sollen drei Gruppen von je 150 Arbeitern deportiert werden.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany