Ausbeutungshotspot für Migranten
Katastrophale Zustände in Malaysias Palmölindustrie
Sabah ist berühmt für seine Strände, Regenwälder, Korallenriffe und artenreiche Tierwelt. Die Schattenseite des an der Nordspitze Borneos gelegenen malaysischen Bundesstaats ist die Abholzung der Regenwälder, um Platz zu schaffen für Ölpalmenplantagen. Hier schuften unter schlimmen Bedingungen etwa eine Million Migranten vor allem aus Indonesien.
Malaysia ist nach Indonesien der weltweit zweitgrößte Palmölproduzent. Die Branche gilt als Hotspot von Menschenrechtsverletzungen. Ein gesetzliches Quotensystem für die migrantischen Arbeiter auf den Plantagen schafft perfekte Bedingungen für Ausbeutung, heißt es in einem Bericht der Koalisi Buruh Migran Berdaulat: Jede Firma darf nur einen ausländischen Arbeiter pro acht Hektar beschäftigen. Da das nicht ausreicht, werden Migranten illegal angeheuert, die der Willkür von Behörden und Polizei ausgeliefert sind, wenn sie erwischt werden. Das Bündnis indonesischer Menschenrechtsorganisationen berichtet von Schnellgerichten. Betroffene müssten nach Verbüßung der Haftstrafe in einem »temporären Internierungszentrum« oft monatelang auf ihre Abschiebung warten.
Regelmäßig mit Desinfektionsmitteln besprüht
Von September 2020 bis Januar 2021 waren diese Abschiebungen wegen Corona ausgesetzt. Das bedeutete einen noch längeren Aufenthalt in den Lagern. Inhaftierte würden regelmäßig mit Desinfektionsmitteln besprüht, berichtete eine Frau den Autoren des Reports. »Wir wurden angewiesen, die Kleider am Leib trocknen zu lassen. Das sei zur Abtötung aller Erreger notwendig.« Ein anderer Inhaftierter berichtete vom Ausmaß: »In dem Lager waren zehn Blocks von jeweils etwa 10 mal 15 Metern. In jedem Block waren mehr als 200 Menschen untergebracht, die sich drei Plumpsklos teilen mussten.« Das Essen sei oft roh gewesen, das Hühnerfleisch blutig, der Reis abgestanden. »Oft gab es drei Tage lang kein Wasser in der Dusche.«
Auch wenn die Zustände seit Monaten bekannt sind, tut sich bislang nichts. »Ein Grund könnte in der Rückübertragung der Zuständigkeit vom Verteidigungsministerium zu den Einwanderungsbehörden und damit verbundenem Kompetenzgerangel liegen«, sagt Fahmi Panimbang, einer der Autoren des Reports, gegenüber »nd«. Es könnte aber auch an der aufgeheizten Stimmung in Malaysia in Erwartung vorgezogener Neuwahlen liegen.
In Malaysias Wirtschaft arbeiten zwei Millionen Migranten legal. Die Internationale Organisation für Migration schätzt, dass zudem bis zu vier Millionen Menschen aus Ländern wie Indonesien, Nepal, Bangladesch, Myanmar oder den Philippinen ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt sind. Beide Gruppen würden diskriminiert. In der Corona-Pandemie werden Migranten der Verbreitung des Virus bezichtigt, nachdem überfüllte Behausungen zu Covid-Hotspots wurden. Im Januar kam es zu einem Superspreading-Ereignis bei Top Glove in der Nähe von Kuala Lumpur. Mittlerweile laufen Ermittlungsverfahren gegen den weltgrößten Hersteller von Latexhandschuhen.
Abschiebungen auch nach Myanmar direkt nach dem Putsch
Auch bei Abschiebungen gelten Menschenrechte nichts. Am 24. Februar wurden 1086 Migranten aus Myanmar in ihr Heimatland deportiert, obwohl dort die Armee den Widerstand gegen den Putsch blutig niederschlug. Dabei hatte ein Gericht zuvor die Aussetzung der Abschiebung angeordnet.
Das malaysische Menschenrechtskomitee Suhakam fordert die Regierung indes auf, einen Untersuchungsbericht über Zwangsarbeit im Bausektor zu veröffentlichen. »Der Umgang mit Migranten in Malaysia gehört zu den schlimmsten der Welt«, sagt Andy Hall, Aktivist im Bereich Rechte von Arbeitsmigranten, auf Anfrage. »Die Verletzungen ihrer Rechte sind weit verbreitet, systematisch und bleiben straflos.« Panimbang ergänzt, Aktivisten müssten sehr vorsichtig agieren, da sie im Visier der Behörden und von Palmölkonglomeraten wie Sime Darby seien.
Positiveres hat er über Indonesien zu berichten. Hier könnten Menschenrechtler inzwischen etwas freier agieren. Einige heimische Palmölfirmen würden auf die wachsende Ablehnung ihrer Produkte auf westlichen Märkten reagieren und seien zu Gesprächen über die Verbesserung der Rechte der Arbeiter bereit. Ganz anders in Sabah, berichtet er: »Noch in diesem Monat sollen drei Gruppen von je 150 Arbeitern deportiert werden.«