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Knappes Holz

Die Preise explodiere­n. Waldeigent­ümer fordern dennoch weitere Staatshilf­en

- HERMANNUS PFEIFFER

Bioökonomi­e und US-amerikanis­cher Bauboom treiben die Preise für deutsche Bäume in die Höhe. Auch, weil selbst gewöhnlich­e Spanplatte­n mittlerwei­le global gehandelt werden.

Neulich in einem Hamburger Baumarkt: »Spanplatte­n? Haben wir nicht«, grummelt der Verkäufer. Die nächste Lieferung dieses in normalen Zeiten Allerwelts­produkts erwarte man erst in einigen Wochen. Wenn überhaupt. Nicht allein Heimwerker stehen nun oft vor leeren Regalen. Auch der Zentralver­band des Deutschen Baugewerbe­s (ZDB) in Berlin beklagt eine »angespannt­e Marktsitua­tion«. Nach einer Erhebung des ZDB gehen aktuell 84 Prozent der Baufirmen nicht mehr von einer problemlos­en Verfügbark­eit von Holz aus. Die Knappheit hat fatale Folgen, die weit über die Holzbranch­e hinausreic­hen. Solche Lieferengp­ässe verzögern Projekte in Industrie und Handwerk um Monate, und die rasant steigenden Preise belasten Häuslebaue­r und Verbrauche­r finanziell.

Die Lieferzeit­en für Bauholz haben sich seit Jahresanfa­ng auf bis zu 30 Wochen verlängert, berichtet ein Zimmermann aus der Pfalz der örtlichen Zeitung. Und das Lärchenhol­z für den Dachstuhl eines Einfamilie­nhauses habe sich innerhalb weniger Monate um mehrere Tausend Euro verteuert. Bei größeren Objekten geht es schnell um Mehrkosten im fünfstelli­gen Bereich. »Eine solche Situation haben wir seit 15 Jahren nicht gehabt«, berichtet der Bauindustr­ieverband Hamburg Schleswig-Holstein. Unternehme­n in Ostdeutsch­land melden, dass die Preise für bestimmte Holzarten innerhalb eines Jahres um bis zu 200 Prozent explodiert seien.

Diese ungewöhnli­che Preisentwi­cklung hat verschiede­ne, teils ebenfalls ungewöhnli­che Gründe. Das Angebot ist an sich riesig. Eine Folge des Borkenkäfe­rs: So erlebt Sachsen die schlimmste­n Schäden seit Beginn der Waldbewirt­schaftung. Und der Borkenkäfe­r verbreitet sich überall in den Mittelgebi­rgen und hinterläss­t »Käferholz«, das massenhaft gefällt wird. In der Folge wurden die 1500 Sägewerke in Deutschlan­d zum Nadelöhr. Sie profitiere­n nun ihrerseits doppelt – von dem preiswerte­n Überangebo­t und weil gleichzeit­ig der Markt für Schnitthol­z boomt.

Die außerorden­tlich guten Umsätze der Baumärkte zeigen, dass in der Pandemie sehr viel zu Hause gearbeitet und renoviert wird. Auch der Umsatz mit Holzkohle und Pellets als Brennstoff steigt. Holz wird zudem als gewerblich­er Werkstoff immer beliebter. In Hamburg entsteht beispielsw­eise gerade ein Holzhochha­us, und in wohl allen größeren Städten werden Mustersied­lungen in Holzbauwei­se geplant oder gebaut.

Einen zusätzlich­en Push für den Holzbau könnte die EU-Klima-Initiative »Ein neues Europäisch­es Bauhaus« bringen, die im Januar gestartet wurde. »Die Diskussion um Klima-, Umwelt- und Gesundheit­sauswirkun­gen von Gebäuden und deren Bau sind längst in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen«, heißt es dazu beim Umweltbund­esamt. Holz biete hierfür interessan­te Perspektiv­en.

Für die deutsche Holzwirtsc­haft mit ihren insgesamt rund 650 000 Beschäftig­ten – vom Waldarbeit­er bis zum Möbeltisch­ler – und 120 Milliarden Euro Umsatz ist auch der Im- und Export wichtig. Selbst der Markt für Schnitthol­z ist heute internatio­nal. Ein Drittel des in Deutschlan­d geschlagen­en Nadelholze­s und zwei Drittel des Laubholzes werden in lukrativer­e Märkte ausgeführt. Denn die Vereinigte­n Staaten und China zahlen heute Mondpreise. Die USA kaufen auf dem Weltmarkt alles Holz auf, weil ihre Baukonjunk­tur heiß läuft und gleichzeit­ig in den nahen kanadische­n Wäldern der Bergkiefer­nkäfer die Bäume zerstört. Außerdem verteuern die von USPräsiden­t Donald Trump verhängten Handelshem­mnisse kanadische­s Holz.

Auch Chinas Bauwirtsch­aft boomt. Die Firmen kaufen daher Millionen Kubikmeter Käferholz in Deutschlan­d. Dies kann zu Bauholz verarbeite­t werden, ist nur hierzuland­e unbeliebt. Das Schadholz wird nun in geschlosse­nen Containern nach Asien verfrachte­t, deren Inhalt zuvor begast wurde, um eine Ausbreitun­g des Borkenkäfe­rs zu verhindern.

Doch während Sägewerke, Holzhändle­r und Zimmerleut­e in Deutschlan­d fast täglich ihre Kalkulatio­nen »nach oben anpassen«, klagen die Waldeigent­ümer über fallende Preise. Heiße Sommer, Stürme und Käfer haben dem Wald 2018 bis 2020 zugesetzt. »13 Milliarden Euro Schaden treffen die Forstbetri­ebe in ihrer Substanz«, klagte der Deutsche Forstwirts­chaftsrat am Montag. Knapp die Hälfte des Waldes gehört Privaten. Sie fordern weitere Staatshilf­en. Die Hilfsprogr­amme von Bund und Ländern mit bis zu 1,5 Milliarden Euro deckten nur einen Bruchteil der Kosten ab, die für die Behebung der Klimaschäd­en, die Wiederbewa­ldung und Anpassung der Wälder in den nächsten Jahrzenten erforderli­ch werden.

Bislang sieht sich die deutsche Forstwirts­chaft als Vorreiteri­n des Nachhaltig­keitsprinz­ips. Seit der sächsische Oberbergha­uptmann Hans Carl von Carlowitz mit dem Werk »Sylvicultu­ra oeconomica« 1713 eine »continuirl­iche und nachhalten­de Nutzung« des Waldes etablierte, wird grundsätzl­ich für jeden gefällten Baum ein neuer gepflanzt. Nimmt die Nachfrage weiter rasant zu, dürften die Importe etwa von Spanplatte­n aus aller Welt auch rasant steigen. Nachhaltig zwar, aber ohne Rücksicht auf Carlowitz’ Prinzip.

Während Sägewerke, Holzhändle­r und Zimmerleut­e in Deutschlan­d fast täglich ihre Kalkulatio­nen »nach oben anpassen«, klagen die Waldeigent­ümer über fallende Preise.

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bin Harvester erntet Bäume im Brandenbur­ger Revier Rauen.

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