nd.DerTag

Gegen die Wand

Wie Hertha BSC vom Heimtraini­ng seines Torwarts Alexander Schwolow profitiert

- FRANK HELLMANN, MAINZ

Der von Trainer Pal Dardai zum Amtsantrit­t ins zweite Glied versetzte Keeper Alexander Schwolow wird nach der Teamquaran­täne zum Rückhalt von Hertha BSC beim 1:1 in Mainz. Nun freut er sich auf das Nachholspi­el gegen seinen bx-Klub.

Wer an Fußballer im Homeoffice denkt, ruft meist ein schräges Bild auf: Profis, die mit einer Rolle Toilettenp­apier jonglieren. Diese albernen Szenen gehörten ebenso zum Anfang der Pandemie wie die leergekauf­ten Regale in den Supermärkt­en. Aus Berlin kommen mehr als ein Jahr später nun andere Assoziatio­nen. Alexander Schwolow, Torhüter von Hertha BSC, hat nach seiner tadellosen Vorstellun­g beim 1:1 (1:1) im Nachholspi­el beim FSV Mainz verraten, wie er eine zweiwöchig­e Quarantäne ohne erkennbare Leistungsd­elle überbrückt hat. »Ich habe zum Glück einen Riesenbalk­on und mir eine Koordinati­onsleiter mit Tape abgeklebt. Ich habe die ganze Zeit Richtungsw­echsel geübt und Bälle gegen die Wände gespielt. Ich musste nur aufpassen, dass die dann nicht weg sind«, erzählte der 28-Jährige am Montagaben­d.

Dank der Trockenübu­ngen ihres Torwarts hat die Hertha unter erschwerte­n Begleitums­tänden einen ersten Mutmacher verbucht. Schwolows Vorderleut­en war bis zum glückliche­n Führungsto­r von Lucas Tousart in der 36. Minute, das der Mainzer Phillipp Mwene vier Minuten später mit einem unhaltbare­n Kunstschus­s ausgeglich­en hatte, sehr wohl anzumerken, dass zwar nicht Kraft und Kondition, aber sehr wohl die Koordinati­on fehlte. »In der Anfangspha­se war Mainz klar besser, aber das haben wir dank Alex überlebt«, lobte Trainer Pal Dardai.

Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der Ungar bei seiner Rückkehr auf die Trainerban­k als eine der ersten Amtshandlu­ngen eben Schwolow degradiert hatte. Ende Januar beim Spiel in Frankfurt stand plötzlich wieder Routinier Rune Jarstein zwischen den Pfosten beim Hauptstadt­klub. Dardai erklärte damals, dass der mit vielen Vorschussl­orbeeren vom SC Freiburg gelockte Schwolow an der Spree kein Spielglück habe. An der neuen Hierarchie änderte sich lange nichts – bis der 36 Jahre alte Norweger schwer am Coronaviru­s erkrankte. Seit dem Stadtderby gegen den 1. FC Union Berlin Anfang April spielt wieder Schwolow, der pünktlich vor dem Gastspiel seines ehemaligen Vereins am Donnerstag im Olympiasta­dion eine Vorstellun­g wie früher regelmäßig für den Sportclub bot: sicher mit dem Fuß, stark auf der Linie, überragend im Eins-gegen-Eins.

Klar, dass der Rückhalt zum Re-Start zufrieden war. »Für die Umstände war das aller Ehren wert. Das war ein guter Auftritt, der Selbstvert­rauen gibt für die nächsten Spiele«, urteilte der gebürtige Wiesbadene­r, der nur mit der verstolper­ten Großchance des eingewechs­elten Krzysztof Piatek haderte. »Mit ein bisschen Glück fahren wir mit drei Punkten nach Hause. Aus meiner Sicht sah es brutal aus, weil ich genau in der Flucht stand.« Doch den verhindert­en Torjäger trafen weder vom Torwart noch vom Trainer irgendwelc­he Vorwürfe.

Der mentale Effekt des laut Dardai »hart erarbeitet­en« Zählers ist bei dem straffen Programm nicht zu unterschät­zen. »Die Jungs haben alles reingeschm­issen. Ein weiterer Punkt für unser gemeinsame­s Ziel«, twitterte Sportdirek­tor Arne Friedrich, der gleich nach Spielende auf dem Platz eine feurige Ansprache im großen Kreis hielt. Man hat sich schließlic­h 14 Tage lange genug voneinande­r distanzier­t. Der Schultersc­hluss soll ruhig als Zeichen an die Konkurrenz in Bielefeld, Köln, Bremen oder Augsburg verstanden werden: Wir Berliner halten zusammen. »Unsere Leistung hat gezeigt, dass noch nicht alles richtig rund läuft, aber dass wir als Team kämpfen«, urteilte Weltmeiste­r Sami Khedira.

Der Pragmatike­r Dardai hat eine Mathematik­rechnung wie aus der Grundschul­e für den Klassenerh­alt aufgemacht. Der Dreierbloc­k an Nachholspi­elen – Mainz, Freiburg, Schalke – ist mit einer Vier-Punkte-Vorgabe versehen. Das erste Ziel kann also bereits am Donnerstag erreicht werden. Mit einem Sieg wäre der derzeit Vorletzte aus Berlin bereits punktgleic­h mit Bremen und Bielefeld – und hätte dann noch das Bonusspiel am 12. Mai bei Schalke 04 in der Hinterhand. Dazu kommen noch Bielefeld und Köln ins Olympiasta­dion, ehe es am letzten Spieltag nach Hoffenheim geht. Das alles sind keine unlösbaren Aufgaben, wenn die Belastung auf den Kader sorgsam verteilt wird. Die Perspektiv­en für den selbst ernannten Big-City-Klub wirken durchaus positiv – es sollten nur weiterhin alle Coronatest­s negativ ausfallen. Denn so gut die Überbrücku­ng im Heimtraini­ng gelang, »nach sieben, acht Tagen war es echt mühsam«, verriet sogar Alexander Schwolow.

»Für die Umstände war das aller bhren wert. Das war ein guter Auftritt, der Selbstvert­rauen gibt für die nächsten Spiele.« Alexander Schwolow Torwart Hertha BSC

 ??  ?? Torwart Alexander Schwolow (l.) hielt Hertha gegen die Mainzer um Karim Onisiwo (M.) im Spiel.
Torwart Alexander Schwolow (l.) hielt Hertha gegen die Mainzer um Karim Onisiwo (M.) im Spiel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany