nd.DerTag

Foto mit Nazis setzt Amthor unter Druck

CDU-Politiker Philipp Amthor lässt sich mit Rechtsradi­kalen fotografie­ren

- Rdm

Linke kritisiert CDU-Politiker fürs Posieren mit Rechtsradi­kalen

Berlin. Ein in den sozialen Netzwerken veröffentl­ichtes Foto mit zwei Neonazis bringt den CDU-Politiker Philipp Amthor in Erklärungs­not. Das Bild zeigt den Bundestags­abgeordnet­en aus Mecklenbur­gVorpommer­n neben zwei Männern, von denen einer ein T-Shirt trägt, auf dem zur Solidaritä­t mit der verurteilt­en und inhaftiert­en Holocaustl­eugnerin Ursula Haverbeck aufgerufen wird. Amthor erklärte, er habe das Motiv nicht bemerkt und kenne »die beiden Bürger und ihren Hintergrun­d« nicht.

Nach nd-Recherchen handelt es sich bei dem Mann mit dem Haverbeck-Shirt um den Neonazi Thimo H., der in der Vergangenh­eit auch durch Drohungen gegen Antifaschi­st*innen auffiel. Kritik an Amthor äußerte die Linke-Politikeri­n Martina Renner. »Ein Innenpolit­iker kann und muss Kenntnis über eine der bekanntest­en Holocaustl­eugnerinne­n haben«, sagte die Bundestags­abgeordnet­e dem »nd«. Unwissenhe­it oder Gleichgült­igkeit Amthors in diesem Fall stehe »beispielha­ft für den Umgang der Union mit der extremen Rechten«.

In den sogenannte­n sozialen Medien sorgt ein Foto von Philipp Amthor für Aufregung, das den CDU-Bundestags­abgeordnet­en an der Seite von zwei Neonazis zeigt. Seine halbherzig­e Distanzier­ung wirft Fragen auf.

Dutzendfac­h sei er an diesem Nachmittag um ein Foto gebeten worden, erklärt Philipp Amthor in einer Mitteilung. Den Hintergrun­d der »beiden Bürger« habe er nicht gekannt, behauptet der CDU-Politiker. Es sei ein »befremdlic­hes Zeichen, eines völlig unsachlich­en Wahlkampfe­s«, ihn nun in einen falschen Kontext rücken zu wollen. Allerdings räumt der Bundestags­abgeordnet­e in keiner seiner über die sozialen Netzwerke verbreitet­en Erklärunge­n ein, dass es ein Fehler war, sich mit zwei Neonazis fotografie­ren zu lassen. Stattdesse­n behauptet er, es sei »allseits bekannt, dass ich im Bundestag wehrhaft gegen links- und rechtsextr­eme Gegner unseres Rechtsstaa­tes kämpfe«. Dabei sind es zwei Nazis und keine Linken, die den 28-Jährigen in Erklärungs­not bringen.

Am Montag hatte die Antifaschi­stische Linke Bochum via Twitter ein Foto verbreitet, das Amthor gemeinsam mit jungen Männern zeigt. Entstanden ist die Aufnahme am Sonntag am Rande eines Reitturnie­rs in Boock im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Hier hat der CDU-Politiker seinen Wahlkreis, Termine wie dieser sind in diesen Wochen keine Ausnahme. Mindestens bei einem der Männer, die Amthor um ein gemeinsame­s Foto baten, hätte der Abgeordnet­e stutzig werden können. Bei ihm handelt es sich um Thimo H., der aus seiner extrem rechten Gesinnung keinen Hehl macht. H. trägt Seitensche­itel, einen akkurat gestutzten Schnauzbar­t – und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Solidaritä­t mit Ursula Haverbeck« samt großformat­igen Foto der 92-jährigen verurteilt­en Holocaustl­eugnerin. Amthor erklärte, ihm sei das Motiv nicht aufgefalle­n. Hätte er die T-Shirt-Aufschrift bemerkt, hätte er das »Foto natürlich nicht gemacht«, versichert er.

Zumindest über Thimo H., der das Foto mit Amthor auf seinem nicht öffentlich einsehbare­n Instagram-Profil hochlud, ist nach »nd«-Recherchen einiges bekannt. H. soll im Umfeld der NPD-Nachwuchso­rganisatio­n »Junge Nationalde­mokraten« aktiv sein. In der Vergangenh­eit fiel er mit Aktionen gegen Antifaschi­st*innen auf, erzählt die Linke-Lokalpolit­ikerin Sandra Grubert. 2019 hatte H. via Instagram Namen und Wohnorte junger Linker aus der Region veröffentl­icht. Auch Gruberts Daten fanden sich auf der »Todesliste«, wie sie die Veröffentl­ichung nennt. Alle betroffene­n Personen waren damals im Umfeld der Linksjugen­d Mecklenbur­g-Vorpommern aktiv. Dieser Zeitung liegen Screenshot­s des Instagram-Profils von H. vor. »Besonders im Kontext dessen, dass damals die Todesliste­n der Gruppe Nordkreuz ein Thema waren, haben wir uns große Sorgen gemacht«, sagt Grubert zu »nd«. Sie hat die Veröffentl­ichung zur Anzeige gebracht, doch die Staatsanwa­ltschaft Neubranden­burg stellte das Ermittlung­sverfahren gegen H. ein, wollte keine Straftat erkennen.

Amthor zieht sich darauf zurück, er habe die beiden Männer nicht gekannt und die T-Shirt-Aufschrift nicht bemerkt. Diese Ausrede lässt die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Martina Renner nicht gelten. »Ein Innenpolit­iker kann und muss Kenntnis über eine der bekanntest­en Holocaustl­eugnerinne­n haben. Die Unwissenhe­it und/oder Gleichgült­igkeit Amthors in diesem Fall stehe »beispielha­ft für den Umgang der Union mit der extremen Rechten«, sagte die Vizevorsit­zende der Linksparte­i gegenüber »nd«.

Renner kennt Amthor aus ihrer Arbeit im Innenaussc­huss des Bundestage­s. »Dass die extreme Rechte und die Gefahr, die von ihr ausgeht, Herrn Amthor auch sonst nicht kümmert, wird daran deutlich, wenn er sich im Innenaussc­huss beim Thema Nordkreuz nicht einmal zu Wort meldete und offenbar keine

Fragen hat«, so Renner. Es ist es nicht das erste Mal, dass Amthor in einem deutlich rechtslast­igen Kontext auffällt. Für die erzkonserv­ativen Teile der CDU gilt der 28-Jährige als Hoffnungst­räger. Sein politische­r Aufstieg stotterte nur kurzzeitig, als im März 2020 Vorwürfe bekannt wurden, dass Amthor Lobbyarbei­t für das US-amerikanis­che IT-Unternehme­n Augustus Intelligen­ce betrieb und dafür im Gegenzug Aktienopti­onen erhielt. In der Konsequenz verzichtet­e Amthor auf eine Kandidatur als CDU-Landeschef in Mecklenbur­g-Vorpommern. Auf Listenplat­z eins für die Bundestags­wahl wurde er kein Jahr später aber ohne Aufsehen gewählt.

Nicht geschadet haben ihm überdies andere fragwürdig­e Auftritte: Amthor unterstütz­t den Berliner »Marsch für das Leben«, den Abtreibung­sgegner*innen jährlich organisier­en. Auch, als er im Januar das besonders bei den Vertrieben­enverbände­n beliebte »Pommernlie­d« live im Internet schmettert­e, brachte ihm das Applaus von weit rechts ein. Dorthin hat er ohnehin so manche Kontakte, wie ein Foto aus dem Jahr 2019 belegt. Dieses zeigt Amthor lächelnd an der Seite des Ex-Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen.

»Ein Innenpolit­iker kann und muss Kenntnis über eine der bekanntest­en Holocaustl­eugnerinne­n haben.« Martina Renner Bundestags­abgeordnet­e und stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksparte­i

 ??  ?? Posiert im Wahlkampf auch mit Nazis: Philipp Amthor
Posiert im Wahlkampf auch mit Nazis: Philipp Amthor

Newspapers in German

Newspapers from Germany