nd.DerTag

Chronologi­e der Ereignisse

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■ Mittwoch, 18. Juli

Der Piazzale Kennedy tanzt sich in Ekstase. Zehntausen­de Menschen sind gekommen, um Künstler wie Manu Chao, Radio Bemba oder 99 Posse zu hören.

■ Donnerstag, 19. Juli

Rund 60 000 Menschen demonstrie­ren für die Rechte von Migranten und Schutzsuch­enden. Antirassis­tische Gruppen, Gewerkscha­ften und kirchliche Organisati­onen beteiligen sich an dem Protestzug, Migranten führen die friedliche und bunte Demonstrat­ion an. Von senegalesi­schen Trommelgru­ppen über nigerianis­che Opposition­elle, kurdische PKK-Sympathisa­nten und Roma-Initiative­n bis hin zu türkischen Kommuniste­n sind verschiede­nste Welten vertreten. Tausende singen die Partisanen­hymne »Bella Ciao«.

■ Freitag, 20. Juli , Beginn

Verschiede­ne Proteste mit unterschie­dlichen Konzepten sind in jeweils unterschie­dlichen Teilen der Stadt geplant. In der Praxis wird es jedoch schnell unübersich­tlich. Seit dem Morgen ziehen Anarchiste­n in einem Schwarzen Block durch die Stadt. Sie liefern sich am Rande der »Roten Zone« Auseinande­rsetzungen mit der Polizei und begehen Sachbeschä­digungen. Zeitgleich demonstrie­rt ein »PinkSilver«-Block mit fantasievo­ller Kleidung, Püscheln und Sambamusik. Nichtregie­rungsorgan­isationen wie attac aber auch die italienisc­he Basisgewer­kschaft der Cobas haben einen eigenen Treffpunkt. Das Lilliput-Netzwerk der gewaltfrei­en katholisch­en Basisorgan­isationen versucht eine Sitzblocka­de. Die »Tute Bianche« wollen später in einem eigenen Protestzug mit weißen Overalls und Schutzausr­üstung zivilen Ungehorsam leisten.

■ Freitag, 20. Juli, Nachmittag

Teile der Proteste verlaufen friedlich, andere militant, die Polizei differenzi­ert nicht. Brutal werden überall in der Stadt zahlreiche Demonstran­ten zusammenge­schlagen, ungeachtet ihrer Aktionsfor­men. Polizisten verschieße­n Hunderte Gasgranate­n, dazu kommt es zum Einsatz von Schutzwaff­en. An der Demo der Tute Bianche, aus dem Stadion Carlini kommend, nehmen 15 000 Menschen teil. Das Ziel lautet, mit defensivof­fensiven Mitteln Polizeirei­hen zu durchbrech­en und in die Rote Zone einzudring­en. Als der Protestzug in die Innenstadt kommt, beginnt die Polizei sofort, die Spitze der Demonstrat­ion heftig zu attackiere­n. Sie schießt Tränengas in die bis dahin friedliche Menge und fährt mit Panzerwage­n in diese hinein. Teile der Demonstran­ten bauen Barrikaden und setzen sich mit Steinwürfe­n zur Wehr, als das Konzept des zivilen Ungehorsam­s nicht mehr länger möglich ist. Am Rande der Demonstrat­ionsspitze wird gegen 17.30 Uhr der Demonstran­t Carlo Giuliani erschossen. Er soll sich mit einem Feuerlösch­er auf ein Polizeifah­rzeug zubewegt haben. Die Demonstrat­ionsleitun­g beschließt den Rückzug ins Stadion.

■ Samstag, 21. Juli

Rund 300 000 Menschen protestier­en in der Stadt. Polizisten attackiere­n Teile der Demonstrat­ion mit Tränengas und Wasserwerf­ern, auch Journalist­en werden verprügelt. Anwohner unterstütz­en die Protestier­er mit Trinkwasse­r und Obst, einige helfen mit Fluchtwege­n. An der Piazzale Martin Luther King werden Läden verwüstet und Autos in Brand gesetzt. Am Hafen kommt es zu Auseinande­rsetzungen.

■ Nacht zu Sonntag, 22. Juli

Um 23.56 Uhr stürmen Einheiten der italienisc­hen Polizei die Schule A. Diaz, in der Aktivisten und Journalist­en übernachte­n. Dutzende Menschen werden blutüberst­römt aus dem Gebäude hinausgetr­agen. Einige werden ins Koma geprügelt, mehrere Personen lebensgefä­hrlich verletzt, viele von ihnen inhaftiert. Angereiste Demonstran­ten versuchen, die Stadt möglichst schnell zu verlassen.

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