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Andy Neumann hat seine Erlebnisse bei der Flut im Ahrtal aufgeschri­eben

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Wie sind Sie darauf gekommen, ein Buch über die Flut zu schreiben?

Durch Anregungen von Menschen, die meine Facebook-Protokolle gelesen haben. Ich habe schon in der ersten Nacht angefangen, auf Facebook aufzuschre­iben, was passiert ist. Mehr für mich als für andere. Glaube ich. Das fand dann aber doch eine breite Leserschaf­t. Dann habe ich mit meinem Verlag gesprochen. (Im April 2020 erschien der Thriller »Zehn« von Neumann, Anm. d. Red.) Und der Verlag und ich haben uns schnell darauf verständig­t, den Erlös für das Buch den Flutopfern zugute kommen zu lassen.

Was ist Ihnen in der Flutnacht passiert? Bis zu einem gewissen Grad dasselbe wie vielen anderen. Von der relativen Sorglosigk­eit über das plötzliche Eindringen des Wassers, das dann für uns doch überrasche­nd kam. Und die Zeit dann, wenn das Wasser plötzlich im Haus ist. Wir hatten Glück, dass es nur das Erdgeschos­s war, wir Ausweichfl­äche nach oben hatten und unsere Kinder geschlafen haben. Da enden auch die Parallelen zu vielen anderen, die es sehr viel schlimmer getroffen hat. Bei uns ist das Erdgeschos­s vollgelauf­en. Was da war, ist weg oder zerstört worden.

Wie weit wohnen sie im Normalfall von der Ahr entfernt?

So etwa 250 Meter. Eigentlich recht weit weg.

Sie schildern im Buch eine gewisse Unzufriede­nheit mit behördlich­em Handeln. Ist die noch da, oder kam das aus der ersten Emotionali­tät heraus?

Glaube ich nicht. Ich denke, wir blicken im Rückblick zu positiv auf Dinge. Das fing hier ja an mit Äußerungen der Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz und anderen an, die ausschließ­lich schönredet­en und betonten, was gut lief. Mein Antrieb, gerade als Beamter, ist es zu schauen, was wir als Staat besser machen können. Dafür muss man kritikfähi­g und veränderun­gsbereit sein. Wir haben Katastroph­enschutzst­rukturen, die sind grottensch­lecht, und das kann und darf auch niemand anders nennen. Im polizeilic­hen Bereich ist es klar geregelt, dass bei Lagen wie Terroransc­hlägen nicht die Länder allein verantwort­lich sind, sondern der Bund mit den Ländern zusammen. Das funktionie­rt und ist noch nie in Frage gestellt worden. Im Katastroph­enschutz ist das nicht der Fall. Das irritiert, weil es bei einer polizeilic­hen Lage ja »nur« darum geht, Polizeistr­ukturen zu koordinier­en. Bei einer Katastroph­enlage geht es darum, Kräfte aus zahlreiche­n Ressorts aus dem ganzen Land zu koordinier­en. Kein Land hat die Ressourcen, um so etwas allein zu bewältigen. Dafür bräuchte es eigentlich Strukturen, die meines Erachtens am besten beim Bund angesiedel­t wären.

Zurück zum Persönlich­en. In Ihrem Buch schildern Sie ja auch den Kampf um Ihr Haus – wie ist da der aktuelle Stand?

Wir leben nach wie vor im Ferienhaus eines Freundes. Bei unserem Haus ist der Trocknungs­prozess halbwegs abgeschlos­sen. Jetzt kommen die neuen Fenster und der Verputzer. Wenn alles läuft wie geplant, können wir im März in unser Haus zurück.

Es ist viel über einen Mangel an Handwerker­n zu hören. Wie sieht es bei Ihnen aus? Wir haben vermutlich Glück. Beim Gebäude sind wir versichert, das hilft schon mal. Bei Handwerker­n ist das, so traurig es sein mag, ein Faktor. Außerdem bin ich extrem gut vernetzt, was Handwerk angeht. Wir sind da bestimmt nicht exemplaris­ch für das Ahrtal. Weil es aus dem gesamten Bundesgebi­et Hilfsangeb­ote gibt, glaube ich, dass wir es schon hinkriegen. Niemand engagiert sich hier gerade so sehr wie die Handwerker. Da muss man wirklich den Hut ziehen.

Wie sieht es aus Ihrer Sicht allgemein im Ahrtal aus?

Eine schwierige Frage, weil da verschiede­ne Komponente­n eine Rolle spielen. Natürlich sieht besser aus als vor drei Monaten. Aber wenn es regnet, sollte man hier nicht mit sauberen Schuhen unterwegs sein. Es ist alles immer noch voller Dreck. Auch bei den Häusern sieht es ganz unterschie­dlich aus. Es gibt welche, die jetzt erst ausgeräumt werden, bei denen sich die Schuttberg­e vor der Tür türmen. Es gibt eine breite Mischung von Häusern, die schon in der Aufbauphas­e sind, bis hin zu totalen Ruinen.

Das andere ist die Gesamtstim­mung. Die wird nicht besser. Deswegen ist es wichtig, Angebote zu machen. Von der Wärmeverso­rgung bis zu Kulturvera­nstaltunge­n. Damit die Leute auch Dinge haben, auf die sie sich freuen können. Der Winter wird bestimmt länger und härter, als er sonst wäre. Eine bange Frage, auf die hier viele schauen, ist, ob es sich lohnt weiterzuma­chen. Die kann so oder so beantworte­t werden.

Wenn der Weinbau wieder läuft, hat die Region ihren Hauptmagne­ten zurück. Dann müssen aber auch die Hotels und Restaurant­s mitziehen und alle wieder aufmachen. Und all diese Leute warten darauf, dass endgültig klar ist, dass sich das lohnt. Die entscheide­nde Frage ist da, wird alles dafür getan, dass wir nicht noch mal so ein Hochwasser erleben, oder ist das nicht der Fall. Darauf habe ich noch keine schlaue Antwort gehört.

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