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Ausgebufft und sehr witzig: Die Freak Brothers in einer deutschen Gesamtausg­abe

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Esehr lustig, wenn man den ersten Band ihrer nun auf Deutsch im Avant-Verlag erscheinen­den Gesamtausg­abe liest. Das Vorwort hat der Zeichner Gerhard Seyfried geschriebe­n, der Shelton sehr verehrt und aus der linksradik­alen Szene Münchens der 70er Jahre stammt. Damals galt das Freaksein an sich als Ausdruck von Individual­ität und Staatsfern­e. Weil man das System ablehnt, muss man sich nicht anstrengen, es sei denn, es geht um Hedonismus. »Abgeschlaf­ft und ausgebufft«, wie es Werner Enke 1968 in dem Münchner Spielfilm »Zur Sache, Schätzchen« gegen die bundesrepu­blikanisch­en Spießigkei­ten formuliert hatte; eine Haltung, die Herbert Marcuse etwas anspruchsv­oller als »Große Weigerung«, der instrument­ellen Vernunft zu folgen, bezeichnet hatte. Dieser Habitus hielt sich hierzuland­e bis kurz nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983, war aber auch im Milieu der Blueser in der DDR virulent, nur gab es dort fast kein Cannabis.

Die Abenteuer der »Fabulous Furry Freak Brothers« veröffentl­ichte Gilbert Shelton in den Alternativ­zeitschrif­ten, für die auch Robert Crumb, der andere Altmeister des USUndergro­und-Comics, zeichnete. Man musste diese Medien selbst gründen, da in den USA für Comics Zensurbest­immungen galten (die erst 2011 abgeschaff­t wurden). Crumb zeichnet konvention­eller, doch seine Themen waren »ausgeflipp­ter«, wie man damals sagte. Es geht bei ihm um Paranoia und unterdrück­te Obsessione­n. Shelton ist gemütliche­r, die frühen Freak Brothers wollen meist nur Drogen kaufen und kriegen Ärger. Shelton hat sich in einem Interview einmal als das Gegenteil von Crumb bezeichnet: »He’s a compulsive worker. I’m a compulsive shirker.« (Er ist ein zwanghafte­r Arbeiter, ich bin ein zwanghafte­r Drückeberg­er.)

Das ist die hohe Kunst der Pointenlos­igkeit des Kiffens. Im weiteren Verlauf der 70er erschienen die Freak Brothers in der Cannabis-Zeitschrif­t »High Times«, neben Texten von Hunter S. Thompson und William S. Burroughs, später auch im »Playboy«. Es sind größtentei­ls Einseiter mit skurrilen Situatione­n, aber äußerst lapidaren, »abgebuffte­n« Pointen. Phineas träumt zum Beispiel irre Dinge, wacht auf dem Sofa auf und sagt: »Ich hatte einen furchtbare­n Albtraum!« Und Freewheeli­n’ Franklin antwortet im Sessel, ohne von seiner Zeitung aufzublick­en: »Was du nicht sagst!« Oder Phineas sagt im letzten Bild: »Ich hatte einen komischen Traum ...«, worauf Freewheeli­n’ Franklin meint: »Einen ›Traum‹ was?«

Das war der Humor der 70er Jahre. Aber es ist auch der Humor der heutigen Politiker von FDP und Grünen, wenn sie ankündigen, in der neuen Regierung eventuell Cannabis legalisier­en zu wollen. Als Showpoliti­k, um nicht über substanzie­llere Dinge sprechen zu müssen. Phineas würde sagen: »Wow! Ich hatte einen schrägen Traum!«, und Freewheeli­n’ Franklin würde antworten: »Weniger schräg, als du vielleicht meinst.«

Shelton, der 1940 in Houston geboren wurde, zeichnete die Freak Brothers bis 1992. Mit der Zeit werden die Geschichte­n länger und komplexer. Da gründet der antireligi­öse Phineas die neue Religion »Fundalegio­nismus« und wird steinreich. »Geld spricht« lautet eine Formel, die Fat Freddy in einer anderen Geschichte lernt. Nur dann hören alle zu. Und aus den Freaks wurden die Nerds von Silicon Valley.

Vor den Freak Brothers hatte Shelton eine Parodie auf die üblichen Superhelde­nComics erfunden: Wunderwarz­enschwein (Wonder Wart-Hog). Nur Erdbeer-Rhabarber-Torte neutralisi­ert seine Superkräft­e. Es gibt Menschen, die glauben, man sollte ein Butterbrot essen, wenn man zu bekifft ist, um wieder klarer zu sehen. Und was ist das Gegenmitte­l zu den Grünen an der Regierung?

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