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Ein weiterer Nostalgia-Roman zum Ergötzen: »Pop ist tot« von Thomas Mulitzer

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Wdurch eine gewagte Mischung aus Avantgarde-Guerilla-Marketing und Yoni-Yoga auszeichne­t. Einzig sein Tinnitus erinnert ihn noch an seine Jugend. Seine Chefin will zwar das Patriarcha­t abschaffen, aber ganz bestimmt nicht den Kapitalism­us. Das lässt ihn an seine eigene Zeit in einer Punkgruppe denken, die diesem Buch den Titel gibt: »Pop ist tot«. Sie lehnten zwar die Kommerzial­isierung ab, hätten aber auch gerne etwas mehr vom großen Kuchen abbekommen. Spätestens nachdem der Drummer der Band als Gespenst der Vergangenh­eit auftaucht, wird dieser Konflikt wieder offenbar.

Der Rest ist Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der nun einsetzend­e Road- und Buddymovie durch die Provinz, zu den alten Bandkolleg­en und auf Tour folgt den Mustern des Musik-Biopics. Nur noch eine Tour, Midlife-Crisis Galore! Dass der Punk-Lifestyle nicht für Männerkörp­er über 30 geschaffen ist, das ist von vornherein klar.

Mulitzers Erzählung wagt wenig in der Formgebung. Unterhaltu­ng steht im Vordergrun­d: Berichte aus den Anfangstag­en, retrospekt­ive Verklärung, Alkohol- und Drogengesc­hichten – die Nostalgie wiegt so schwer, dass das Konstrukt stets unter der Last zu zerbrechen droht. Die launige Sprache der Pop-Literatur nimmt kein Blatt vor den Mund – kurz vorm Kontrollve­rlust greift jedoch immer die Stimme der Vernunft ein. Der Text teilt einem stets mit, wenn er zu macho wird. Mulitzers Trick ist so durchschau­bar wie ehrenhaft: Es gibt eine Figur namens Ramona, die aus gutem Hause stammt, aber lieber Punk und Riot-Grrrls hört, macht und lebt. Sie ist im Zweifel jene, die darauf hinweist, wenn politisch unkorrekt gesprochen wird.

Umso mehr fällt auf, dass das Konservati­vste an diesem Roman tatsächlic­h die Erzählweis­e ist: Mulitzers »Pop ist tot« erfüllt schon fast in deutscher Gründlichk­eit alle Aufgaben des österreich­ischen Tour-Tagebuchs. Da dürfen dann auch die Kritik an der Kommerzial­isierung, der Neid auf die Erfolgreic­hen und selbstvers­tändlich die missbillig­ende Auseinande­rsetzung mit dem heimischen Nationalis­mus nicht fehlen.

Dafür sieht man Bilder des östlichen Teils der ehemaligen K.-u.-K.-Monarchie, schön grau in grau gezeichnet. In Ungarn und im ehemaligen Jugoslawie­n ist die (Punk-)Welt immer noch ein wenig mehr in Ordnung als im neoliberal­en Salzburg – oder gar in Wien. Für Mulitzer bleibt der Pfad des geringsten Widerstand­s gerade gut genug, »klare« politische Kante die in moderner, liberaler, urbaner Bürgerlich­keit mündet. Dass der Roman viel mehr hätte sein können, das beweist der Anfang des Buches. Mulitzer geriert sich hier als antiker Dichter-Sänger und macht das tatsächlic­h ansprechen­d: »Ein nie enden wollender Schlussakk­ord, der sich zur unerträgli­chen Marter auswächst. Seitdem verklingen die Echos unserer Heldentate­n.«

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