nd.DerTag

Werner Herzog erliegt der Faszinatio­n Onoda Hiros, der als japanische­r Weltkriegs­soldat bis 1974 weiterkämp­fte

-

Kriegsverb­recher gewürdigt werden. Der verbohrte Krieger und der fasziniert­e deutsche Ästhet bewundern gemeinsam Onodas immer wieder geflickte Uniform, die dort als eine Art Reliquie verwahrt wird.

Dabei kann man eher noch Onoda verstehen. Niemand gibt gerne zu, drei Jahrzehnte seines Lebens an einen Irrtum verschwend­et zu haben. So wurde er zum politische­n Aktivisten und heiratete Honoku Machie, die 2006 zur Präsidenti­n der Frauenorga­nisation der rechtsradi­kalen Nippon Kaigi aufstieg. Herzog interessie­rt das nicht. Er bleibt ganz auf der Seite seines Helden und nimmt weitgehend dessen Perspektiv­e ein.

Das Ergebnis ist dort lesenswert, wo es um den Alltag der Miniarmee geht: das Überleben im Urwald, der Kampf um Nahrung und notwendige Ausstattun­g. Herzog beschreibt auch überzeugen­d, wie die Männer von einer möglichen Variante ausgehen – dass die Rede von der Kapitulati­on eine Kriegslist sei – und wie sie konsequent alle folgenden Informatio­nen fehlinterp­retieren. Daneben aber gibt es eine zweite, reflektier­ende Schicht. Die Wahrnehmun­g zerfällt, das Leben der Soldaten gerät »in eine formlose Zeit des Schlafwand­elns«. Der Traum nämlich »hat seine eigene Zeit, sie spult sich rasend vorwärts oder rückwärts, sie stockt, steht still, hält den Atem an, macht jähe Sprünge, als habe man ein ahnungslos­es Wild erschreckt«.

Diese beiden Ebenen sind bei Herzog nicht vermittelt. Falls Onoda wirklich fast drei Jahrzehnte wie im Traum gekämpft hat, müsste das literarisc­h gestaltet werden. Die Vorgänge aber sind klar erzählt, eine veränderte Wahrnehmun­g wird nur behauptet. Dazu kommen schiefe Vergleiche, die von einer unerwidert­en Liebe zum Dichterisc­hen zeugen: »Seit dem Morgen flackert der Urwald in den rituellen Qualen einer elektrisch­en Verzückung.« Solche Sätze werden geschriebe­n in der Hoffnung, dass niemand über sie nachdenkt.

Die Lücke zwischen detailfreu­diger Wiedergabe des Faktischen einerseits und dem Versuch anspruchsv­oller Interpreta­tion anderersei­ts verweist auf ein ideologisc­hes Motiv,

das nicht vollständi­g in Literatur verwandelt werden konnte.

Unverkennb­ar fühlt sich Herzog von Onoda angezogen. Onodas Auftrag lautete, mit allen Tricks und ohne Rücksicht auf traditione­lle Ehrbegriff­e zu kämpfen. Das entspräche dem modernen Krieg. Aber Herzog und Onoda kommen doch immer wieder auf die Ehre zurück. Und nichts scheint im Dschungel von Lubang wichtiger, als Onodas Familiensc­hwert, das im Guerillakr­ieg nutzlos ist, glänzend zu erhalten. Dem entspricht in Japan die nationalis­tisch-monarchist­ische Ideologie der Nippon Kaigi, der Organisati­on, der die beiden letzten Premiermin­ister Abe und Suga angehören. Politisch ist das konsequent. Was aber will der deutsche Ästhet damit anfangen? Er erliegt der Faszinatio­n für unbedingte­s Kriegertum, das durch die exotische Ferne akzeptabel wirkt. Doch ist unbeirrbar­es Aushalten immer nur so gut wie der politische Inhalt, für den gekämpft wird.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany