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Über die Macht der Bilder in Zeiten von Wahlkämpfe­n

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Wir haben es im Bundestags­wahlkampf in Deutschlan­d erlebt, wie entscheide­nd Fotos, Statements, Gesten der sich um das Kanzleramt bewerbende­n Spitzenpol­itiker von Union, SPD und Grünen waren. Armin Laschet latschte von einem Fettnäpfch­en ins andere. Der schlimmste Fauxpas: als er lachte, während Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier der Opfer der Flutkatast­rophe gedachte. Nicht minder fatal, seine Stimmabgab­e am Wahlsonnta­g, demonstrat­iv der Kamera den Zettel mit seinen Kreuzen zeigend. Wie auch seine Frau. Gewiss abgestimmt, aber den Kodex der geheimen Wahl in der Demokratie verletzend.

Der sozialdemo­kratische Kandidat hingegen zeigte sich stets relaxed, seriös, volksnah, sympathisc­h. Da waren die Wähler geneigt, seine Sünden zu vergessen. Während die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock ob ihres triumphale­n Gebarens auf den Bühnen dieser Republik durchfiel.

Das ist die eine Seite des Themas, wie Bilder Wahlkampf machen. Der anderen, der Rolle von gezielten Kampagnen in Medien aller Art, vor allem in sozialen Netzwerken, unterstütz­t von Fotos, Grafiken und Videos, zum Puschen bestimmter Kandidatin­nen und Kandidaten, widmen sich Petra Bernhardt und Karin Liebhart: kameragere­chte Inszenieru­ng, sorgfältig­es Styling, wohlfeiles »Storytelli­ng«, gezieltes Ansprechen bestimmter Zielgruppe­n und Generation­en mit Plakaten, Postern, Podcasts, kurzum: Korrumpier­ung

des »Stimmviehs«. »Die Wahl ist der Rummelplat­z des kleinen Mannes! Es gibt nichts Neues unter der Sonne«, wusste bereits 1930 Kurt Tucholsky.

Die Publikatio­n der beiden Politikwis­senschaftl­erinnen von der Universitä­t Wien hat in diesen Tagen an Aktualität insofern gewonnen, als sie sich insbesonde­re auf die Selbstdars­tellung und das Management um den nunmehr zurückgetr­etenen österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz fokussiert. Anhand der Nationalra­tswahlkämp­fe und des Bundespräs­identschaf­tswahlkamp­fes in den Jahren 2016 bis 2019 dokumentie­ren und begründen die Autorinnen die Wirkmächti­gkeit von Bilder und Parolen. Da wird ein jugendlich­er, attraktive­r, sportliche­r »Held« auf Wandertour­en und Volksfeste­n präsentier­t, »einer, der unsere Sprache spricht«, wie dem österreich­ischen Volk suggeriert wurde, kurzum: Kurz. Die PR-Maschineri­e für den grünen Bundespräs­identen Alexander van der Bellen stand dem kaum nach, etwa mit Schlagwort­en wie »Wir«, »Mutig«, Heimat«, »Alle gemeinsam in die neuen Zeiten« oder »An Österreich glauben«.

Die Grenzen sind fließend. Egal welche Partei, welch politische­s Profil – der Wahlkampfm­odus ist stets der gleiche. Selten werde in der Politik so offen über Kampagnen gesprochen, wie es Michelle Obama in ihrem 2018 erschienen­en Buch »Becoming« getan habe, urteilen die Autorinnen. Ihr Buch dürfte für angehende Politiker, Politologe­n und Journalist­en sehr lehrreich sein.

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