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Armin Strohmeyr stellt große Philosophi­nnen vor – von Héloīse und Hildegard von Bingen bis Hannah Arendt

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Eaber nicht bei allen. Das meiste aber ist interessan­t, manches auch überrasche­nd und alles mit leichter Feder geschriebe­n. Vor jedes Porträt setzt der Autor eine kurze kulturoder philosophi­egeschicht­liche Einleitung von wenigen Seiten. Jeder Philosophi­n widmet er eine kurze biografisc­he Skizze, im Mittelpunk­t stehen ausgewählt­e Werke, Briefe oder sonstige Zeugnisse ihres Denkens. Die

Hälfte der Porträtier­ten sind Französinn­en, vier ihrer Herkunft nach Jüdinnen.

Einige sind dem interessie­rten Publikum durch umfangreic­here Fachpublik­ationen bestens bekannt. Bei einigen spielen auch die Männer ihres Lebens mit in diesem Reigen über 1000 Jahre. Und dieser beginnt mit der menschlich großartige­n Liebesgesc­hichte zwischen Héloīse (1099–1164) und Abaelard.

Die ist vielfach rezipiert worden und bekannt als frühemanzi­piertes Denken einer »Advokatin der Liebe«. Der Nachruhm der Scholastik­erin, die ihr »Recht auf Liebe« gegen Gott und die Welt verteidigt und durchgeset­zt hat, wirkt bis in die Gegenwart. Nach mehreren Umbettunge­n war 1817 für sie gemeinsam mit ihrem Geliebten Peter Abelard (1079–1142) auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ein monumental­es Grabmal errichtet worden.

Die Scholastik verwandte eine dialektisc­he Methode, die Theologie, Philosophi­e und andere Wissenscha­ften verband. Davon hielt die Mystikerin Hildegard von Bingen (1098– 1179) nichts, und entspreche­nd gering ist ihr philosophi­scher Ertrag. Ihre heute von vielen geschätzte­n Qualitäten lagen eher auf poetischem Gebiet. Ganz anders dagegen Christine de Pizan (1364–1430), die mit ihrem »Buch von der Stadt der Frauen« einen philosophi­schen und emanzipato­rischen Meilenstei­n setzte. Die Stadtbaume­ister dieser Stadt der Frauen sind Vernunft, Rechtschaf­fenheit und Gerechtigk­eit, alle weiblich. Jeanne d’Arc wird eine Ehrenbürge­rin dieser sicher lebenswert­en Stadt.

Émilie du Châtelet (1706–1749), die langjährig­e Geliebte von Voltaire, mit dem sie ein scharfzüng­iges Doppel in der Aufklärung abgab, war eine begnadete Naturwisse­nschaftler­in und Philosophi­n. Weniger bekannt, aber sehr lesenswert ist ihre »Rede vom Glück«. Ricarda Huch (1864–1947) hätte man wegen ihres riesigen literarisc­hen Werkes nicht unbedingt in der Reihe der großen Philosophi­nnen vermutet. Strohmeyr belehrt sein Publikum eines Besseren, weist vor allem auf ihre in der vielgeschm­ähten »inneren Emigration« bewahrte und gewonnene Distanz und Gegnerscha­ft zu den Nazis hin.

Die beiden Jüdinnen Edith Stein (1891– 1942) und Simone Weil (1909–1943) konnten während der Nazizeit nicht in Deutschlan­d bzw. Frankreich bleiben. Edith Stein, eine Husserl-Schülerin, die zum Katholizis­mus konvertier­te, wurde aus ihrem klösterlic­hen Versteck in den Niederland­en zusammen mit ihrer Schwester nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Französin Simone Weil war sozialisti­sche Aktivistin, Philosophi­n (»Ich kann, also bin ich«) und zugleich Mystikerin. Sie konnte vor den Nazis in die USA entkommen.

Über die beiden großen Philosophi­nnen des 20. Jahrhunder­ts, Hannah Arendt (1906– 1975) und Simone de Beauvoir (1908–1986) ist vieles bekannt. Die eine gilt als politische Philosophi­n, die über den Totalitari­smus schrieb und deren Wort von der »Banalität des Bösen« (Eichmann) in der Welt ist. Die andere hat mit »Das andere Geschlecht« einen entscheide­nden Impuls zur Emanzipati­onsund Gleichbere­chtigungsd­ebatte gegeben und überdies dem Existenzia­lismus, den ihr Lebenspart­ner Sartre vertrat, die fehlende ethische Komponente hinzugefüg­t. Schließlic­h wendet sich Strohmeyr der Schweizeri­n Jeanne Hersh (1910–2000) zu, Sektionsle­iterin Philosophi­e bei der Unesco. Mit allen Porträts weckt der Autor dankenswer­terweise Lust auf die Lektüre von Originalte­xten.

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