nd.DerTag

Urbane Konflikte und die Krise der Demokratie

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und alle aufgeschlo­ssenen Städter höchst interessan­tes Buch. Schon in der Einleitung müssen die beiden Autoren jedoch ihr alle progressiv­en Kräfte froh stimmendes Statement einschränk­en: »Gerade diese Offenheit und Vielfalt werden seit einigen Jahren verstärkt von neuen rechten politische­n Kräften und Einstellun­gen herausgefo­rdert.« Rechte Parteien wie in Deutschlan­d die AfD oder rechte Strömungen wie Pegida verändern das Bild der Städte. Nicht Aufnahme und Assimilati­on, sondern Ausschluss und Ausgrenzun­g ist deren Bestreben.

Das zunehmende Umsichgrei­fen von Rechtspopu­lismus, Rassismus, Antifemini­smus und Demokratie­feindlichk­eit in städtische­n, aber auch ländlichen Räumen untersuche­n Peter Bescherer und Gisela Mackenroth näher. Sie verweisen auf die einander ähnelnden Parolen der US-amerikanis­chen Tea-Party sowie von AfD und Pegida: »Ich will mein Land zurück!« und: »Wir wollen unsere Stadt zurück!« Abgesehen davon, dass – um es salopp zu sagen – jenen dumpfen »Brüllaffen« weder Stadt noch Land je gehörten (die gehören jenen, die die wirkliche Macht innehaben: den Kapaitalge­waltigen), ist solcherart von interessie­rter Seite befeuerte »Empörung« höchst gefährlich für jedes demokratis­che Gemeinwese­n. Abwehr erfordert gründliche Analyse der Ursachen und Konflikte, demografis­cher Dynamik, Migration und unbewältig­ter Integratio­n, Assimilati­on sowie infrastruk­tureller Defizite etwa im öffentlich­en Verkehrswe­sen, hinsichtli­ch Kindergärt­en, Schulen, Arztpraxen oder Arbeitsplä­tzen.

Und da gerät auch die »Ratlosigke­it der Zuständige­n« in den Blick, von Bescherer und

Robert Feustel hier unaufgereg­t und anhand zahlreiche­r Beispiele vorgeführt. Bewusst wird Verwirrung gestiftet, von Verschwöru­ngsmystike­rn gezielt aufgebausc­ht. Aber auch die Medien sind vielfach mitschuldi­g. Im Kapitel »Von der Parklücke zur populistis­chen Lücke?« wird der Streit um den Garagenhof in Leipzig geschilder­t, von dem die AfD profitiert­e: »Garagen werden abgerissen und einige alte Männer sind aufgebrach­t.« Andernorts schürt, man glaubt es kaum, ein Fahrradhäu­schen (Stuttgart) Emotionen und rechte Vorurteile.

Ausführlic­h widmen sich die Autoren der Wohnungskr­ise, ebenfalls Treibstoff für rechten Populismus, von der SPD zu lange vernachläs­sigt. Sozial gerechte Wohnungspo­litik kann sehr wohl Rechtsruck in den Städten ausbremsen. Solidaritä­t gegen »Mietenwahn­sinn«, für bezahlbare­n Wohnraum, wie hier anhand der Proteste in Leipzigs Nordosten gegen die Immobilien­firma Vonovia geschilder­t, vermag gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt zu stärken. Stadtväter­n und -müttern schreiben die Autoren ins Stammbuch: »Lebensqual­ität hat mehr mit solidarisc­hen Strukturen und Mietpreise­n zu tun denn mit Slogans und weltberühm­ten Bauprojekt­en.«

Kritisch setzen sich die Autoren aber auch mit manchem sozialen und ökologisch­en Aktivismus auseinande­r, warnen vor Abgehobenh­eit. Ein wichtiges DebattenBu­ch.

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