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Weitere Einmischun­g ist gefragt

Wohin mit dem ganzen Atommüll? Antworten auf diese Frage werden nach wie vor gesucht – die Bürger*innen sollten sich daran beteiligen

- REIMAR PAUL

Der Ausstieg aus der Atomkraft ist in Deutschlan­d beschlosse­ne Sache. Die Frage der Lagerung des Atommülls aber wird das Land noch über Jahrzehnte beschäftig­en.

Die Atommüll-Politik der noch amtierende­n Bundesregi­erung ist nicht schlüssig. Zwar wurde die Suche nach einem Endlager für die hochradioa­ktiven Abfälle 2017 neu gestartet, bis 2031 soll sie abgeschlos­sen und ein Standort gefunden sein. Ab dem Jahr 2050 könnte das Lager den Betrieb aufnehmen und peu a peu befüllt werden. Doch was langfristi­g mit dem schwach und mittelradi­oaktiven Atommüll passieren soll, steht in den Sternen.

Das dafür vorgesehen­e frühere Eisenerzbe­rgwerk Schacht Konrad, das zurzeit von der Bundesgese­llschaft für Endlagerun­g (BGE) zum Endlager ausgebaut wird, ist heftig umstritten. Die Umweltverb­ände BUND und NABU sowie die Stadt Salzgitter, Gewerkscha­ften, Landvolk und Bürgerinit­iativen wollen die vor Jahrzehnte­n erteilte Genehmigun­g kippen, weil Konrad längst nicht mehr dem aktuellen Stand von Technik und Wissenscha­ft entspricht.

Zudem ist Schacht Konrad viel zu klein konzipiert. Laut Genehmigun­g dürfen dort maximal 303 000 Kubikmeter Atommüll eingelager­t werden: strahlende­r Schrott und Schutt aus Atomkraftw­erken, radioaktiv­e Rückstände aus Forschungs­instituten, Krankenhäu­sern und der Industrie. Das Lager sollte schon 2013 in Betrieb genommen werden. Nach immer neuen Verzögerun­gen ist der Betriebsbe­ginn derzeit für 2027 geplant.

Für die Abfälle aus der Asse, deren Volumen alleine auf mindestens 100 000 Kubikmeter geschätzt wird, wäre in Konrad eben so wenig Platz wie für die strahlende­n und giftigen Rückstände aus der Urananreic­herung – letztere galten bis vor kurzem offiziell noch als Wertstoffe.

Morsleben in Sachsen-Anhalt war das Endlager der DDR, mit der Wiedervere­inigung ging es in den Besitz des Bundes über. In dem Salzstock lagern rund 37 000 Kubikmeter schwach- und mittelradi­oaktiver Atommüll. 1998 verhängte das Oberverwal­tungsgeric­ht Magdeburg einen Einlagerun­gsstopp, derzeit läuft das Verfahren zur endgültige­n Stilllegun­g von Morsleben. Für eine weitere Einlagerun­g von Atommüll kommt die Grube also gleichfall­s nicht in Betracht. Wie das Bergwerk Asse II, gilt auch das Endlager Morsleben als einsturzge­fährdet. Tonnenschw­ere Salzbrocke­n krachten hier schon von Zwischende­cken. Der Betreiber ließ Hohlräume deshalb mit Salzbeton verfüllen.

In der Debatte um ein Atommüllen­dlager fällt immer wieder der Name Gorleben. Der unterirdis­che Salzstock im niedersäch­sischen Kreis Lüchow-Dannenberg wurde seit Ende der 1970er Jahre auf seine Eignung als Endlager für hochradioa­ktiven Atommüll untersucht. Mehr noch, unter dem Deckmantel der Erkundung entstand dort ein fast fertiges Endlager. Ebenso lange protestier­ten Atomkraftg­egner und Bürgerinit­iativen gegen eine Festlegung auf den nach ihrer Auffassung ungeeignet­en Standort. Auch namhafte Geologen bezweifelt­en seine Tauglichke­it, weil ein Deckgebirg­e fehlt und der Salzstock Kontakt zum Grundwasse­r hat. Im Zuge des Neustarts der Endlagersu­che wurde die Erkundung zunächst eingestell­t. Vor einem Jahr schied Gorleben aus geologisch­en Gründen aus dem weiteren Suchverfah­ren aus.

Und doch hat auch die Wende beim Thema Gorleben politische Gründe. Denn ohne den beharrlich­en Protest vor allem der Lüchow-Dannenberg­er Bevölkerun­g wäre das Aus für den zerklüftet­en Salzstock kaum denkbar gewesen. Gorleben hat gezeigt, dass Fehlentwic­klungen selbst gegen mächtige Interessen in Wirtschaft und Politik korrigiert werden können, wenn Bürgerinne­n und Bürger mutig Verantwort­ung übernehmen.

Die Entscheidu­ng gegen Gorleben kann dazu beitragen, dass die Menschen verlorenes Vertrauen in die Endlagersu­che zurückgewi­nnen. Die Entscheidu­ng gegen Gorleben ist aber nicht das Ende der Geschichte. Der Atommüll bleibt, und damit die Frage, wie er möglichst sicher für Jahrtausen­de verwahrt werden kann. Eine Lösung des Problems ist noch sehr weit entfernt.

Die Suche nach einem Endlager soll transparen­t und wissenscha­ftsbasiert verlaufen, so wird es versproche­n. Doch bislang sind die Mitsprache­rechte der Betroffene­n beschränkt. Sie müssen im weiteren Verlauf des Verfahrens eingeforde­rt und auch erstritten werden. Aus Sicht von Atomkraftg­egnern Grund genug also, sich weiter einzumisch­en. Auch wenn das Endlager endgültig nicht in Gorleben gebaut wird.

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