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Verfassung­sschutz als Hauptgegne­r

2000 protestier­en gegen NRW-Landespart­eitag der AfD in Marl

- DAVID BIEBER

Wenn die AfD sich zu Parteitage­n trifft, ist das Szenario vorgegeben: Drinnen gibt es Machtkämpf­e mehr oder weniger Rechtsradi­kaler. Draußen formiert sich Widerstand.

Am Wochenende trafen sich die selbsterna­nnten Alternativ­en für Deutschlan­d aus Nordrhein-Westfalen (NRW) zur ihrem Landespart­eitag in der 85 000-EinwohnerS­tadt Marl. Knapp 700 Delegierte aus dem ganzen Bindestric­h-Bundesland tagten dort im Norden des Ruhrgebiet­s zwei Tage in einer Eventhalle. Entschiede­n wurde vor allem über den neuen Vorstand, außerdem wurde der Vorsitzend­e Martin Vincentz mit 78 Prozent der gültigen Stimmen bis Anfang 2026 im Amt bestätigt.

Vincentz, Mediziner vom linken Niederrhei­n, 37 Jahre alt und Vater zweier Töchter, will innerparte­iliche Konflikte künftig nicht mehr zulassen. Er kritisiert­e vorab, »dass einzelne Elemente, die immer wieder provoziere­n, unsere Partei beschädige­n«. Nicht nur Angriffe auf die AfD von außen, auch »von innen« seien diese eine große Herausford­erung.

Damit meint Vincentz wohl auch die umstritten­e Jugendorga­nisation der AfD, die Junge Alternativ­e (JA). Sie steht ihm im Wege bei dem Versuch, aus der AfD »eine moderne konservati­ve Rechtspart­ei« zu machen. Die JA liegt mit dem amtierende­n Vorstand im Clinch, da dieser die finanziell­en Zuwendunge­n vorerst gestrichen und einen hochrangig­en Jungendfun­ktionär aus der Partei geworfen hat. Hintergrun­d ist vor allem die rechtsextr­emistische Ausrichtun­g der JA. Der Verfassung­sschutz stufte sie kürzlich als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all ein.

Der alte und neue Chef des mächtigen Landesverb­andes rief die Partei dazu auf, angesichts der Debatte um ein mögliches Verbot der AfD und der Einstufung der JA »kühl und klug« zu agieren. Dabei sieht er den eigentlich­en »Gegner« beim Verfassung­sschutz. Dieser sei »weitaus stärker« als die AfD. Es bringe der Partei nichts, »mit gezogenem Säbel patriotisc­h in den eigenen Untergang zu rennen«.

Vincentz, zugleich Fraktionsv­orsitzende­r der Rechtspopu­listen in Düsseldorf, sagte in seiner Rede am Sonnabend, dass seine Partei bei den NRW-Kommunalwa­hlen im kommenden Jahr und bei der ebenfalls 2025 stattfinde­nden Bundestags­wahl

starke Ergebnisse einfahren wolle. Er betonte, der Landesverb­and NRW sei wegen seiner Größe der »maßgeblich­e Baustein für eine starke Bundestags­fraktion«. Auch dank ihm stiegen die Mitglieder­zahlen und liege die AfD in NRW derzeit bei 13 bis 15 Prozent. Die Landespart­ei sei von rund 4750 Mitglieder­n im Jahr 2022, als Vincentz erstmals gewählt worden war, auf

derzeit etwa 7050 Mitglieder gewachsen. Fast 2000 weitere Aufnahmean­träge seien zurzeit in Bearbeitun­g.

Am Rande einer Sportgroßv­eranstaltu­ng in ihrer Heimatstad­t Duisburg äußerte sich die Bundestags­präsidenti­n Bärbel Bas (SPD) gegenüber dem »nd« zu einem möglichen AfD-Verbot, blieb hierzu jedoch skeptisch. Bis noch nicht flächendec­kend beweisbar sei, dass die AfD einwandfre­i verfassung­sfeindlich sei, sei ein Verbot nicht möglich. Ähnlich wie NRW-Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU) bezeichnet­e auch Bas die AfD als »Nazi-Partei«.

Tatsächlic­h bedient der relativ gemäßigt daher kommende und von manchen auch als aalglatt bezeichnet­e Vincentz auch die typischen rechtsradi­kalen AfD-Klischees. So wolle er keine Auftritte von »Drag Queens« (Transmänne­rn) im Kindergart­en und einer angebliche­n »Scharia-Polizei« auf Schulhöfen, schwadroni­erte er in Marl. Auch kritisiert­e er die vergangene­n staatliche Corona-Schutzmaßn­ahmen für Kinder scharf.

Die Landespart­ei soll von 4750 Mitglieder­n im Jahr 2022 auf derzeit 7050 Mitglieder gewachsen sein. Fast 2000 weitere Anträge würden bearbeitet.

Unweit der Eventhalle in Marl versammelt­en sich am Sonnabendm­ittag in der Spitze bis zu 2000 Menschen zu Protesten gegen das AfD-Treffen, viele davon zu einer zur Demonstrat­ion des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes Emscher-Lippe. Auch zahlreiche demokratis­che Politiker zeigten eine klare Kante gegen den Landespart­eitag und die AfD. Marls Bürgermeis­ter Werner Arndt (SPD) etwa sagte gegenüber unserer Zeitung: »Als Bürgermeis­ter, Sozialdemo­krat und persönlich kann ich den Landespart­eitag der AfD in Marl nicht willkommen heißen. Das steht außer Frage.«

Arndt betonte den weltoffene­n und toleranten Charakter der Stadt, er habe aber den Parteitag im Vorfeld nicht verhindern können. »Grundsätzl­ich kann man es Parteien nicht verbieten, sich in privaten Veranstalt­ungsräumen einzumiete­n. Die Eventhalle in Marl-Sinsen ist nicht städtisch.«

Die Marler Grünen riefen auf ihrer Webseite dazu auf, dass Bürger es sich gut überlegen mögen, ob sie das Marler Eventzentr­um künftig weiter nutzen möchten. Dessen Betreiber, Hüseyin Yigitoglu, wehrte sich jedoch gegen Vorwürfe, er wolle der rechtspopu­listischen Partei eine Bühne geben. Er verwies gegenüber der Funke Mediengrup­pe auf einen langjährig­en Mietvertra­g, den er mit dem Eigentümer der Halle abgeschlos­sen habe. Ein »Optionsrec­ht« in diesem Vertrag räume diesem eine Mitbestimm­ung für einzelne Veranstalt­ungen ein.

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Martin Vincentz, AfD-Landesvors­itzender in NRW, bei einer Abstimmung im Saal.

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