nd.DerTag

Tesla feuert Betriebsra­t

Neue Hinweise auf Union Busting beim Elektroaut­obauer

- CHRISTIAN LELEK

Aus seiner ablehnende­n Haltung Gewerkscha­ften gegenüber macht Tesla keinen Hehl. nd-Recherchen lassen erahnen, wie dies in der Praxis aussieht und wie sich Tesla eines Betriebsra­tsmitglied­s der IG Metall entledigte.

Gunnar Hemmann hätte »nd« viel zu erzählen, sagt er. Doch er darf es nicht. Andernfall­s drohen ihm rechtliche Konsequenz­en. Mit seinem ehemaligen Arbeitgebe­r Tesla hat er vor Gericht einen Vergleich geschlosse­n, der ihn zur Verschwieg­enheit verpflicht­et.

Hemmann ist in der Gewerkscha­ft IG Metall und war Mitglied im Betriebsra­t bei Tesla. Bereits im September letzten Jahres berichtete der »Stern«, dass ihm gekündigt worden sei und mutmaßte: »Womöglich muss er auch gehen, weil er Tesla als kritischer Mitarbeite­r zu unbequem ist.« Aussagen eines Gewerkscha­ftssekretä­rs der IG Metall, mit dem »nd« sprechen konnte, deuten in eine ähnliche Richtung.

Hemmann legte Kündigungs­schutzklag­e ein, um gerichtlic­h feststelle­n zu lassen, »dass das Arbeitsver­hältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist«. Tatsächlic­h gelingt das in den seltensten Fällen. Vom Arbeitsger­icht Berlin erfährt »nd«, dass Hemmann sich bereits am 19. Dezember 2023 mit Tesla in zweiter Instanz verglichen hat. Ergo: Das Arbeitsver­hältnis ist aufgelöst. Hemmann wird womöglich eine entspreche­nde Abfindung erhalten haben.

Zur Erinnerung: Bereits im November 2021, vier Monate vor der Eröffnung der Autofabrik, kommt es in Grünheide überrasche­nd zur Betriebsra­tswahl – laut IG Metall vornehmlic­h durch Führungskr­äfte initiiert. Zu der Zeit gibt es kaum Produktion­sarbeitend­e. In der Konsequenz gewinnt die arbeitgebe­rnahe Liste Gigavoice 10 der 19 Sitze.

Hemmann kandidiert ebenfalls für Gigavoice, wird erster Nachrücker. Es heißt: »Da oft jemand fehlte, war er fast immer da.« Seine Mitgliedsc­haft in der IG Metall hält Hemmann zunächst geheim. »Nachdem das rauskommt, wird er nach eigenen Angaben unter Druck gesetzt«, berichtete der »Stern«. Ein IG-Metall-Funktionär schildert »nd« die Kultur im Betriebsra­ts als sehr hierarchis­ch und intranspar­ent den Mitglieder­n gegenüber. Wichtige Dokumente seien nicht allen zugänglich gemacht worden. »Während einer Debatte soll versucht worden sein, Gunnar, der akribisch Notizen machte, diese abzunehmen.«

Der Wochenzeit­ung »Freitag« sagte Hemmann, dass es gleich bei der ersten Betriebsve­reinbarung Stress gegeben habe. Vom »Kipppunkt« spricht der IG-Metall-Sekretär: »Der von der Betriebsra­tsspitze zur Abstimmung vorgelegte Entwurf las sich wie aus der Feder des Management­s«, habe gesetzlich­e Standards unterlaufe­n. In der Debatte sei es Hemmann und ein paar anderen gelungen, die Stimmung zu drehen. Der Entwurf sei in geheimer Abstimmung abgelehnt worden.

»Daraufhin, so wurde uns berichtet, gab es helle Aufregung in der Betriebsra­tsspitze und beim Management«, schildert der Gewerkscha­fter.

Die nächste Sitzung habe online stattgefun­den, wodurch alle Mitglieder teilnehmen konnten und Hemmann nicht nachrückte. Der gleiche Entwurf sei nochmals zur Abstimmung vorgelegt und diesmal angenommen worden. »Der Druck auf die Mitglieder muss enorm gewesen sein«, sagt der IG-Metall-Funktionär.

Ein paar Wochen später habe Hemmann sechs Abmahnunge­n auf einmal erhalten. Eine Zeit lang konnte er, psychisch angeschlag­en, nicht in die Fabrik. Nachdem er für eine Betriebsra­tssitzung wieder ins Werk gekommen sei, habe er die außerorden­tliche Kündigung erhalten. Die Begründung­en hätten sich alle auf einen Tag bezogen »und wirkten auf uns sehr konstruier­t und zusammenge­sucht«, sagt der Gewerkscha­ftssekretä­r.

Um einem Betriebsra­tsmitglied zu kündigen, bedarf es der Zustimmung des Betriebsra­tes, sonst muss ein Gericht entscheide­n, ob es die Zustimmung ersetzt. Der IG-Metall-Funktionär erklärt, dass Betriebsrä­te normalerwe­ise alles dafür tun, die Kündigung eines Mitglieds abzuwenden. Ein begründete­r Widerspruc­h sei das Mindeste. Stattdesse­n habe der Betriebsra­t in einer kurzfristi­g anberaumte­n außerorden­tlichen

Sitzung der Kündigung zugestimmt, »ohne den betroffene­n Kollegen auch nur anzuhören – das ist die vielleicht größtmögli­che Verfehlung, die sich ein Betriebsra­t leisten kann«. Zumal ein Zusammenha­ng mit Hemmanns Rolle im Betriebsra­t mehr als nahegelege­n habe, »auch wenn das natürlich so nicht in der Begründung stand«.

Hemmann ist Ingenieur für Automatisi­erungstech­nik. Bei Tesla verdiente er wie ein Manager. Dass sich derlei Berufsgrup­pen gewerkscha­ftlich engagieren und für die Kolleg*innen am Band starkmache­n, sei eher untypisch, doch notwendig, erzählt er. »Gerade in einem hochprofit­ablen Konzern sollten Gewinne nicht auf dem Rücken unterbezah­lter Mitarbeite­r erwirtscha­ftet werden«, sagt Hemmann.

»Gunnar hatte vor nichts Angst und hat kluge Betriebsra­tsarbeit im Sinne der Belegschaf­t gemacht«, sagt der IG-Metall-Sekretär. »Er wurde als Wortführer identifizi­ert und gezielt angegangen.« Im nächsten Betriebsra­t werde das hoffentlic­h nicht wieder funktionie­ren. Der Funktionär blickt vorsichtig optimistis­ch auf die nun anstehende Wahl: Viele aktive IG-Metaller*innen würden kandidiere­n. »Die gewerkscha­ftliche Basis ist jetzt auf jeden Fall größer. Aber auch die Einschücht­erungs- und Desinforma­tionskampa­gne der Gegenseite läuft auf Hochtouren.«

Tesla ließ eine Anfrage unbeantwor­tet. Die für Tesla im Kündigungs­verfahren mandatiert­e Kanzlei Heuking lehnte eine Stellungna­hme ab.

»Gunnar wurde als Wortführer identifizi­ert und gezielt angegangen.«

IG-Metall-Gewerkscha­ftssekretä­r

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Für die Beschäftig­ten vor Ort: IG Metall an der Fangschleu­se in Grünheide

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