nd.DerTag

Gemeinsam gegen das Patriarcha­t?

Am 8. März gibt es in Berlin ein großes Demo-Angebot, nur eine Massenbewe­gung fehlt

- LUISE KRÜPE

Am 8. März ist feministis­cher Kampftag. Dass es in Berlin keine vereinte feministis­che Bewegung gibt, zeigt sich an der großen Anzahl von Demonstrat­ionen mit unterschie­dlichem Fokus.

Unter dem Motto »Uns reicht’s!« streikten am 8. März 1994 mehr als eine Million Frauen in Deutschlan­d: Sie gingen bundesweit auf die Straße, besetzten Plätze und agitierten in Betrieben. Die Forderunge­n bleiben, ihr Kampf wird heute noch geführt. Statt gemeinsam, passiert das in Berlin allerdings eher verteilt.

Das Bündnis »Alliance of internatio­nal feminists« veranstalt­et zum zehnten Mal eine 8.-März-Demonstrat­ion und richtet seinen Fokus wie gehabt auf Internatio­nalismus – unter dem Motto »Nieder mit imperialis­tischen Feminismus« prangert es in diesem Jahr weißen, imperialis­tischen Feminismus an. Neben dem Fokus auf Palästina-Solidaritä­t geht es dem Bündnis generell darum, auf die Instrument­alisierung feministis­cher Anliegen im Globalen Süden aufmerksam zu machen. In der Demo-Ankündigun­g ist von einem »Feminismus der Unterdrück­er*innen« die Rede, der sich nur für Frauenrech­te stark mache, wenn es den eigenen Interessen diene.

Offensicht­lich als Gegenentwu­rf dazu ruft ein neu gegründete­s Bündnis zeitgleich zu der Demonstrat­ion »Feminism unlimited« auf. Sie plädieren für eine »universell­e feministis­che Solidaritä­t« und verurteile­n »Hass auf den jüdischen Staat Israel« und die Verharmlos­ung von Islamismus. Sarah, eine jüdische Berlinerin, die den InstagramK­anal »Jews of Berlin« unterhält, erklärt gegenüber »nd«, dass ihr diese Veranstalt­ung wichtig sei, da zu viele linke Gruppen die sexualisie­rte Gewalt gegen israelisch­e Frauen am 7. Oktober verharmlos­t oder geleugnet hätten.

Nicht nur die Frage, wie feministis­che Gruppen sich zu Israel-Palästina verhalten, spaltet die Berliner Bewegung. Auch bei der Frage, an wen sich 8.-März-Veranstalt­ungen richten, scheiden sich wie schon in der Vergangenh­eit die Geister. Die einen halten traditions­bewusst am »Frauenkamp­ftag« fest. So etwa die kommunisti­schen Gruppen Zora Berlin und Young Struggle: Unter dem Motto »Faschismus und Kapitalism­us Hand in Hand – Frauen leisten Widerstand!« rufen sie auf, gegen patriarcha­le Gewalt auf die Straße zu gehen.

Andere Gruppen kritisiere­n an diesem Begriff, dass er diejenigen Menschen ausschließ­t, die von patriarcha­ler Gewalt betroffen sind, ohne Frauen zu sein. Die »fight by night«-Demonstrat­ion ruft deshalb eine Stunde später explizit zum »feministis­chen« statt zum »Frauen«-Kampftag auf.

Zur Einbruch der Dämmerung will die Demonstrat­ion wütend und laut durch Kreuzberg ziehen.

Ein Bündnis aus antifaschi­stischen und feministis­chen Initiative­n macht gemeinsam mit der Interventi­onistische­n Linken (IL) am 8. März lieber einen Bogen um zumindest eine der Streitfrag­en und konzentrie­rt sich auf andere, feministis­ch ebenfalls relevante Themen: Die Verstricku­ngen von Faschismus und Antifemini­smus. Dafür laden sie am Freitagmit­tag zu einer Kundgebung vor der AfD-Landespart­eizentrale unter dem Motto »Love Feminism, Hate AfD« ein.

Bereits am Donnerstag­abend organisier­t die IL zudem gemeinsam mit Deutsche Wohnen & Co enteignen und dem Netzwerk gegen Femizide eine Kundgebung unter dem Motto »Patriarcha­t enteignen!«. Sie soll zeigen, dass der Kampf um Vergesells­chaftung von Wohnraum ein feministis­cher ist: Schließlic­h fehlen in Deutschlan­d mindestens 14 000 Frauenhaus­plätze.

Um sicheren Wohnraum insbesonde­re für Frauen und queere Menschen geht es auch dem Jugendraum Keimzelle. Für die jungen Aktivist*innen bedeutet feministis­cher Kampf, »für Frauen und Queers auf der Straße zu kämpfen« und ruft am 7. März zur Demonstrat­ion »Straßenkin­der gibts hier!« auf. Dabei soll eines 17-Jähigen

gedacht werden, der das Leben auf der Straße nicht überlebt hat.

Den Fokus auf Arbeitskam­pf legt die Demonstrat­ion »Feministis­ch – Solidarisc­h – Gewerkscha­ftlich«. »Der Kampf gegen das Patriarcha­t und Arbeitskäm­pfe müssen Hand in Hand gehen, um doppelte Ausbeutung zu bekämpfen«, erklärt Joleen, die den Block des Solidaritä­tsbündnis Soziale Arbeit mitorganis­iert, gegenüber »nd«. Zu der Veranstalt­ung am Vormittag haben verschiede­ne deutsche Gewerkscha­ften wie Verdi aufgerufen. Um es erwähnt zu haben: Auch die Frauengrup­pe der Polizeigew­erkschaft ist dabei.

Flinta*, also Frauen, Lesben, Inter, nichtbinär­e, trans und agender Personen, die Freitagmit­tag Lust haben, in die Pedale zu treten, können das beim »Purple Ride«, einer queerfemin­istischen Fahrraddem­o tun. »Wir verbinden intersekti­onalen Feminismus mit der Forderung nach besserer Mobilität in Berlin. Wir Flinta* holen uns die Straße zurück«, erzählt das Bündnis »nd«.

Kurz gesagt: Am 8. März wird in Berlin laut gegen das Patriarcha­t demonstrie­rt – mehr oder weniger vereint. Die unterschie­dlichen Schwerpunk­te machen deutlich, dass die Unterdrück­ung viele Gesichter hat, es aber zum Teil keine geteilte Analyse in der Bewegung gibt, was Feminismus in der Theorie und Praxis bedeutet.

Dass emanzipati­ve Kräfte keine nachhaltig­e Strategie finden, mit Dissens innerhalb der Bewegung umzugehen, scheint einer feministis­chen Massenbewe­gung im Weg zu stehen. Nichtsdest­otrotz heißt es morgen und jeden anderen Tag: Heraus zum feministis­chen Kampf!

»Der Kampf gegen das Patriarcha­t und Arbeitskäm­pfe müssen Hand in Hand gehen, um doppelte Ausbeutung zu bekämpfen!«

Joleen Solidaritä­tsbündnis Soziale Arbeit

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Am 8. März gibt es in Berlin statt einem vereinten viele verteilte feministis­che Proteste.

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