nd.DerTag

Protest gegen Abschiebek­nast

Stadt Kiel soll keine Ausreisepf­lichtigen mehr in JVA bringen

- DIETER HANISCH

Die Linke beantragt im Kieler Rat, was ein breites Bündnis fordert: Die Stadt soll künftig keine abgelehnte­n Asylbewerb­er mehr ins Gefängnis Glückstadt überstelle­n.

Ein Antrag der Linken bringt das Abschiebeg­efängnis in der Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Glückstadt diesen Donnerstag auf die kommunalpo­litische Agenda der Stadt Kiel. Die JVA wird von Schleswig-Holstein, Mecklenbur­g-Vorpommern und Hamburg zur Internieru­ng Ausreisepf­lichtiger, also abgelehnte­r Asylbewerb­er, genutzt. Man will damit verhindern, dass sie sich der Abschiebun­g entziehen.

Die Einrichtun­g in Glückstadt, nordwestli­ch von Hamburg an der Elbe gelegen, geriet zuletzt immer wieder in die Schlagzeil­en: Flucht, Hungerstre­ikaktionen, Suizidvers­uche von Geflüchtet­en. Die Kieler Linke fordert nun einen Ratsbeschl­uss, der vorsieht, dass aus Schleswig-Holsteins Landeshaup­tstadt keine Menschen mehr nach Glückstadt verbracht werden.

Dasselbe verlangt ein Bündnis von 58 Organisati­onen und lokalen Initiative­n, darunter der Landesflüc­htlingsrat, der DGB, der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband, Greenpeace und Fridays for Future. Anlässlich der Ratssitzun­g ruft das Bündnis diesen Donnerstag ab 17 Uhr zu einer Kundgebung auf dem Rathauspla­tz auf.

Was die Landesregi­erung in Kiel verharmlos­end als »Wohnen minus Freiheit« titulierte, ist in den Augen des Bündnisses inhuman. Für Ela Hazem von der Kampagne »Kein Abschiebeg­efängnis in Glückstadt und anderswo« verbietet sich die Inanspruch­nahme der JVA auch, weil die Stadt Kiel sich im November 2018 zu einem »sicheren Hafen« für Geflüchtet­e erklärt hat.

In der ehemaligen Marinekase­rne Glückstadt gibt es insgesamt 60 Abschiebeh­aftplätze – 20 für jedes Bundesland. Seit Inbetriebn­ahme im August 2021 hat Hamburg den Abschiebek­nast am meisten beanspruch­t. Jedes Land lässt sich den Betrieb jährlich sechs Millionen Euro kosten.

Im Kooperatio­nsvertrag der Länder wurde den Insassen eine Sozialbera­tung zugestande­n. Seit Ende vergangene­n Jahres findet sie aber wegen fehlenden Personals nicht mehr statt. Mitglieder der ehrenamtli­chen Besuchsgru­ppe in Glückstadt berichten außerdem von diskrimini­erendem Verhalten von Vollzugsbe­amten gegenüber den Geflüchtet­en. Die Linke in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft forderte deshalb den vorzeitige­n Ausstieg Hamburgs aus dem Vertrag. Die Linke-Bürgerscha­ftsabgeord­nete Carola Ensslen erklärte: »Es ist unverantwo­rtlich, dort weiter Menschen einzusperr­en.« Stefan Jasper, Leiter der Einrichtun­g, forderte seinerseit­s die schnellstm­ögliche Fortführun­g der Sozialarbe­it eines unabhängig­en Trägers.

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