AfD kämpft in Karlsruhe
Recht auf Bundestagsgremienvorsitze eingefordert
Seit Mittwoch wird der Streit um die Besetzung von Posten in den Ausschüssen des Bundestags durch AfD-Abgeordnete vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen.
Der seit Jahren schwelende Streit um die Vorsitze in Bundestagsausschüssen wird seit Mittwoch vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen. Die AfD-Fraktion rief das Gericht an. In zwei Verfahren geht es um die Abwahl von Stephan Brandner vom Vorsitz des Rechtsausschusses 2019 und mehrere Nichtwahlen von AfD-Kandidaten zu Ausschussvorsitzenden in der seit Ende 2021 laufenden Legislaturperiode.
Die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse bereiten die Sitzungen der Gremien vor, berufen sie ein und leiten sie. Gemeinhin würden sie auch als »kleine Parlamentspräsidenten« bezeichnet, sagte der Berliner Juraprofessor Sven Hölscheidt in der Verhandlung. Im Kern geht es um die Frage, ob allen Fraktionen Vorsitze zustehen oder ob die Ausschüsse per Wahl auch anders entscheiden können.
Wenn sich die Fraktionen nach einer Bundestagswahl aber nicht einigen können, kommt das sogenannte Zugriffsverfahren zum Tragen. Dann dürfen die Fraktionen reihum, der Größe nach, auf die Ausschussvorsitze zugreifen. Die Abwahl von Ausschussvorsitzenden ist in der Parlamentsgeschäftsordnung nicht geregelt. Die Abwahl Brandners im November 2019 war daher ein in der Geschichte der Bundesrepublik bislang einmaliger Vorgang. Vorangegangen waren ihm Äußerungen Brandners in sozialen Medien, die als antisemitisch wahrgenommen wurden.
Brandner sagte dazu in Karlsruhe, seine »in die Öffentlichkeit gezerrten« Tweets als Privatperson hätten nichts mit seiner Tätigkeit im Rechtsausschuss zu tun gehabt. Die Abgeordneten Irene Mihalic (Grüne) und Stephan Thomae (FDP) erklärten indes, das Vertrauen in Brandner sei auch durch Auftritte verloren gegangen, zu denen er als Ausschussvorsitzender eingeladen gewesen sei, bei denen er sich aber parteipolitisch geäußert habe.
Das zweite Verfahren betrifft die Kandidaten der AfD für die Vorsitze im Innen-, Gesundheits- und Entwicklungsausschuss nach der Wahl 2021, die in geheimer Wahl durchgefallen waren. Die Ausschüsse werden seither von den stellvertretenden Vorsitzenden geleitet. Die AfD-Fraktion sieht ihr Recht auf Gleichbehandlung verletzt. Jüngst hatte AfD-ler Kay-Uwe Ziegler im Gesundheitsausschuss den Platz der amtierenden Vorsitzenden eingenommen und Anspruch auf die Sitzungsleitung erhoben. Die anderen Abgeordneten boykottierten die Sitzung, bis Ziegler den Platz freigab. Ein Urteil wird in Karlsruhe in einigen Monaten erwartet.