nd.DerTag

Polizei stellt Krawall-Medien in die Ecke

Screenshot­s von Internetak­tivitäten entlarven rechte Kampagne als Fake News

- MATTHIAS MONROY

Die Erzählung über eine Schülerin, die im Landkreis Vorpommern-Rügen wegen eines AfD-Schlumpf-Videos von der Polizei aus dem Unterricht geholt worden sei, ist falsch.

Eine Schülerin des Gymnasiums in RibnitzDam­garten in Mecklenbur­g-Vorpommern habe auf der Social-Media-Plattform Tiktok das Wort »Heimat« benutzt, ihr Rektor daraufhin die Polizei verständig­t. Das Corpus Delicti sei ein Video gewesen, in dem die blaue AfD mit ebenfalls blauen Schlümpfen wirbt. Eine »Kavallerie« aus bewaffnete­n Beamten hätte die 16-Jährige am 27. Februar während des Unterricht­s aus dem Klassenzim­mer abgeführt.

So lautet das Narrativ, an dem rechte Zeitungen, Internetpo­rtale und die AfD seit vergangene­r Woche stricken und das in sozialen Medien weite Verbreitun­g findet. Am Montag mündete die Legende schließlic­h in einen »echten« Polizeiein­satz in der Schule im Landkreis Vorpommern-Rügen: Drei Vermummte hatten vom Dach des Gymnasiums ein Transparen­t mit der Aufschrift »Heimatlieb­e ist kein Verbrechen« entrollt, darauf war auch ein Schlumpf abgebildet. »Eine schöne Überraschu­ng für Loretta«, schrieb das Krawall-Portal »Nius«. Die rechten Aktivisten blieben unerkannt, laut Martin Sellner, dem früheren Anführer der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Österreich, kamen sie aus diesem Umfeld der Identitäre­n.

In der Loretta-Geschichte wurden von Anfang an wesentlich­e Fakten unterschla­gen oder sogar verfälscht. Das hatten zuvor schon die Polizei und das Bildungsmi­nisterium Mecklenbur­g-Vorpommern­s klargemach­t und beschriebe­n, wie das »Aufklärung­sgespräch« mit der Schülerin aus ihrer Sicht abgelaufen war.

Die Beamten waren tatsächlic­h vom Schulleite­r informiert worden, so sieht es eine Anweisung des Bundesland­es vor. Demnach muss die Polizei eingeschal­tet werden, wenn bei Besitz, Erstellung oder

Verbreitun­g von Textnachri­chten, Fotos oder Videos ein strafrecht­licher Hintergrun­d nicht ausgeschlo­ssen werden kann.

Der Verdacht der Beamten, die Schülerin könnte staatsschu­tzrelevant­e Inhalte verbreitet haben, erhärtete sich im Gespräch mit dem Rektor nicht. Trotzdem hätten sie sich zu dem Gespräch mit der Jugendlich­en entschloss­en. Dabei sei sie auch gewarnt worden, dass sie wegen ihrer Postings angefeinde­t werden könnte.

Am Montag hat die Polizei in Stralsund die in Rede stehenden Internetak­tivitäten schließlic­h öffentlich gemacht. Eine Hinweisgeb­erin hatte diese als Screenshot­s an die Schule geschickt. Demnach habe die Schülerin unter anderem Sprüche wie »nix yallah yallah« und »in Deutschlan­d wird deutsch gesprochen« gepostet. In ihrer Profilbesc­hreibung soll sie »heimat freiheit tradition, multikulti endstation« geschriebe­n haben, dahinter eine Deutschlan­dfahne und mutmaßlich­e Runenzeich­en.

Auf einem anderen Profil soll »1161« gestanden haben, womit Rechtsextr­eme eine »Anti-Antifa« bezeichnen. Auf einem der Screenshot­s sei außerdem eine augenschei­nlich weibliche und vermummte Person zu sehen gewesen. Ein weiteres Posting zeigte den Slogan »Deutsche Jugend voran«, den auch die rechtsextr­eme Kleinparte­i »Der III. Weg« verwendet.

»Zusammenfa­ssend stellt die Polizei damit noch mal klar, dass der Anlass, zu dem die Polizei gerufen wurde, kein in sozialen Medien veröffentl­ichtes ›Schlumpf-Video‹ war«, sagte die Polizei der Deutschen Presse-Agentur.

In sozialen Medien wird nun massiv gegen den Leiter des Gymnasiums gehetzt. Shitstorms wie dieser sind wesentlich­er Bestandtei­l rechter Internet-Kampagnen und können in Gewalttate­n münden. Aufgrund zahlreiche­r E-Mails und Drohanrufe an der Schule ermittelt nun der polizeilic­he Staatsschu­tz.

Die AfD und die rechtslast­igen Medien wollen ihre Loretta-Kampagne weiterdreh­en. Der Generalsek­retär der Landes-CDU, Daniel Peters, fügte der Verschwöru­ngserzählu­ng eine weitere Dimension hinzu: »Ich gehe davon aus, dass die Agenda von Frau Schwesigs rot-rotem Bündnis eine Rolle gespielt hat«, so der Politiker.

Auch die »Welt« hatte sich um ein Gespräch mit der Mutter der Schülerin Loretta bemüht – die Zeitung war der Familie aber womöglich nicht rechts genug und erhielt deshalb am Freitag eine Absage. Am Wochenende erschienen dann ein gemeinsame­s Interview von Mutter und Tochter bei »Nius« und ein Interview mit der Jugendlich­en in der »Jungen Freiheit«. Dort sagte sie: »Ich habe noch andere Sachen auf Tiktok gepostet, etwa dass Alice Weidel mein Vorbild ist, oder das Zitat Björn Höckes ›Ihr erzieht eure Kinder zu Schafen und lasst Wölfe ins Land‹.« Davon hätten die Polizisten aber nichts gewusst.

»Zusammenfa­ssend stellt die Polizei damit noch mal klar, dass der Anlass, zu dem die Polizei gerufen wurde, kein in sozialen Medien veröffentl­ichtes ›SchlumpfVi­deo‹ war.«

Polizei Stralsund

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Die rechte Loretta-Kampagne sorgt für Aufregung in sozialen Medien. Vieles daran ist ausgedacht.

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