nd.DerTag

Misstrauen statt Selbstbest­immung

-

Ein Gesetz soll die Rechte von trans Menschen in Deutschlan­d verbessern. Bodo Niendel kritisiert den Gesetzentw­urf und erklärt, warum Linke trotzdem dafür sein sollten.

In dieser Woche sollte ein Selbstbest­immungsges­etz im Bundestag zur Abstimmung gestellt werden. Es steht nicht für »Befreiung«, ermöglicht aber immerhin mehr Rechte. Trotzdem könnte es scheitern. Denn die Reihen der Regierungs­koalition stehen nicht. Die FDP wackelt. Die Nazis, die Konservati­ven und das Bündnis Sahra Wagenknech­t werden mit Nein stimmen. Wagenknech­t begründet dies damit, dass schon Kindern zu operativen Eingriffen gedrängt würden und Frauenräum­e nicht mehr sicher seien. Eine Argumentat­ion, die nahezu alle Frauen- und Kinderrech­tsorganisa­tionen nicht teilen. Im Gegenteil: Sie unterstütz­en ein solches Gesetz.

Deutschlan­d folgte damit mehr als einem Dutzend Staaten. Mit überwiegen­d guten Erfahrunge­n. Doch Autoritäre, Rechtsextr­eme und wenige Frauenrech­tlerinnen laufen dagegen internatio­nal Sturm. Auf dem Rücken einer kleinen Gruppe wird ein rechter Kulturkamp­f ausgetrage­n.

Es geht um transgesch­lechtliche Menschen. Diese möchten ihr Erscheinun­gsbild

ihrem Geschlecht­sempfinden anpassen. Manche nutzen dazu Kleidungss­tücke, manche verändern operativ ihren Körper, und manche lassen den Namen ändern. Hier liegt das Problem. Um den Namen und Personenst­and zu ändern, muss man viele Vorgaben eines 40 Jahre alten Transsexue­llengesetz­es erfüllen. Dazu gehört eine selbst zu zahlende und langwierig­e medizinisc­he Begutachtu­ng. Diese wird von vielen Betroffene­n als entwürdige­nd empfunden. Das Bundesverf­assungsger­icht hat dieses Gesetz in vielen Bereichen für ungültig erklärt.

Daneben gibt es auch Menschen, die nicht mit eindeutige­n Genitalien zur Welt kommen. Die Natur ist da vielfältig. Früher nannte man sie Zwitter. Ärzte versuchten sie – auch gegen ihren Willen – eindeutig zu machen. Zudem ging die Umwelt nicht gut mit ihnen um. Viele nahmen sich das Leben. Das Bundesverf­assungsger­icht entschied 2017, dass man intergesch­lechtliche Menschen rechtlich anerkennen muss. Das tat der Gesetzgebe­r ein Jahr später und schuf wieder kein gutes Gesetz. Immerhin wurde die Kategorie »divers« im Personenst­andsrecht geschaffen.

Das Selbstbest­immungsges­etz will vereinheit­lichen. Alle Menschen dürfen nun ihren Vornamen oder ihren Personenst­and beim Standesamt ändern. Nur darum geht es in diesem Gesetz. Doch das Gesetz, welches vom FDP-geführten Bundesjust­izminister­ium erarbeitet wurde, gab dem Rechtsruck nach. Es ist von einem Geist des Misstrauen­s geprägt und enthält viele Einschränk­ungen, so für Nichtdeuts­che, Jugendlich­e und betreute Personen. So ist vorgesehen, dass alle Sicherheit­sorgane bei einem Namenswech­sel informiert werden. Generell verdächtig?

Das Gesetz geht nicht von einer Mündigkeit der Betroffene­n aus und sieht keine Maßnahmen gegen Diskrimini­erungen und gegen die Armut vieler Betroffene­r vor. Denn Diskrimini­erungen im Gesundheit­swesen, bei der Wohnungssu­che und im Job prägen deren Alltag. Der Rechtsruck führte auch zu mehr Gewalttate­n gegen sie.

Dieses Gesetz steht also nicht für Befreiung. Aber immerhin könnte es für einen Schritt in Richtung Gleichbere­chtigung stehen, wenn sich zukünftig das Bundesverf­assungsger­icht der Einschränk­ungen annimmt.

 ?? FOTO:PRIVAT ?? Bodo Niendel ist ehemaliger QueerRefer­ent der Linksfrakt­ion im Bundestag.
FOTO:PRIVAT Bodo Niendel ist ehemaliger QueerRefer­ent der Linksfrakt­ion im Bundestag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany