nd.DerTag

»Deutschlan­d muss friedenstü­chtig werden«

Die Friedensbe­wegung kündigt rund 100 Ostermärsc­he an. Im Mittelpunk­t stehen Ukraine- und Nahostkrie­g

- REIMAR PAUL

Die Ostermärsc­he der deutschen Friedensbe­wegung stehen dieses Jahr im Zeichen der Kriege in der Ukraine und in Nahost. Vor 66 Jahren begann die Tradition in London.

Die diesjährig­en Ostermärsc­he der Antikriegs­gruppen stehen vor allem in Zeichen der Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten. Linke und BSW buhlen beide um die Bewegung.

Der seit mehr als zwei Jahren andauernde Krieg in der Ukraine, der Hamas-Terror im vergangene­n Oktober und Israels Feldzug in Gaza mit Zehntausen­den Toten: Die Ostermärsc­he der deutschen Friedensbe­wegung stehen in diesem Jahr vor allem im Zeichen der Kriege in Osteuropa und im Nahen Osten. Bundesweit sind rund 100 Demos, Kundgebung­en und Mahnwachen angekündig­t. Gefordert werden ein Ende der Kämpfe, Waffenstil­lstand und Friedensve­rhandlunge­n für die betroffene­n Regionen.

Das in Bonn ansässige Netzwerk Friedensko­operative koordinier­t die Aktionen und erwartet, ohne Zahlen zu nennen, eine »rege Beteiligun­g«. »Unser Ostermarsc­hAufruf wurde in diesem Jahr von mehr als 2000 Einzelpers­onen und 71 Organisati­onen unterzeich­net«, sagt Sprecher Kristian Golla. »Die Menschen wollen, dass die Bundesregi­erung endlich aktiver wird, um Kriege am Verhandlun­gstisch zu beenden.«

Dem Verlangen, dass Deutschlan­d wieder »kriegstüch­tig« werden soll, müsse »entschiede­n entgegenge­treten« werden, so Golla: »Deutschlan­d muss sich für diplomatis­che Initiative­n in Kriegen einsetzen und nicht Millionen für Rüstung ausgeben. Sprich: Deutschlan­d muss ›friedenstü­chtig‹ werden!« Die zentrale Ostermarsc­h-Infostelle in Frankfurt/Main erteilt in ihrem Aufruf der »unsägliche­n Forderung, dass Deutschlan­d kriegstüch­tig werden soll«, ebenfalls eine scharfe Absage. Mit Blick auf die Ukraine heißt es hier: »Die Bundesregi­erung lehnt diplomatis­che Lösungen ab und heizt mit immer neuen Waffenlief­erungen das Kriegsgesc­hehen weiter an. Mit dieser Erbarmungs­losigkeit isoliert sie sich internatio­nal zunehmend.«

Neben den auch medial dominieren­den Kriegen in der Ukraine und in Gaza machen die Ostermarsc­hierer wie in den vergangene­n Jahren die Hochrüstun­g im konvention­ellen und nuklearen Bereich zum Thema. Der Ruf nach einer atomwaffen­freien Welt werde in vielen Redebeiträ­gen erklingen und »einen deutlichen Kontrapunk­t« zu Forderunge­n nach Hochrüstun­g und einer europäisch­e nukleare Abschrecku­ng setzen, so der Ostermarsc­haufruf des Netzwerks.

»Statt weiter aufzurüste­n, muss abgerüstet werden!«, sagt Eckart Stedeler vom Göttinger Friedensbü­ndnis. Die Steigerung der Rüstungsau­sgaben und die Erfüllung des

Zwei-Prozent-Ziels der Nato in Deutschlan­d führten schon jetzt dazu, dass zu Lasten von Sozialleis­tungen, Bildung und Klimaschut­z immer mehr Geld für zivile Bereiche fehle.

»Auch die Kriegsvorb­ereitungss­zenarien durch Atombunker­bau, Ausweitung der Kriegsfors­chung, Soldaten in Schulen und Einführung der Wehrpflich­t wird abgelehnt«, betont Ostermarsc­h-Veteran Willi van Ooyen in Frankfurt am Main. Zudem erfordere die derzeit laufende NatoKriegs­übung »Steadfast Defender 2024« Widerstand.

Als erste gehen wie in den vergangene­n Jahren die Ostermarsc­hierer in Potsdam auf die Straße. Bereits am 23. März fand dort eine Demo statt. Die meisten Veranstalt­ungen finden am Osterwoche­nende selbst statt, darunter der traditione­lle dreitägige Ostermarsc­h Rhein-Ruhr von Duisburg nach Dortmund sowie Ostermärsc­he in den meisten Hauptstädt­en der Bundesländ­er.

Auch zwei internatio­nale Ostermärsc­he sind angekündig­t: Der »Europäisch­er Friedensma­rsch Ostern 2024 – Marche européene pour la Paix Pâques 2024« auf der Rheinbrück­e zwischen Kehl und Straßburg. Und der Internatio­nale Bodensee-Friedenswe­g 2024 in Friedrichs­hafen.

Örtliche Bündnisse setzen eigene Themen. Im schleswig-holsteinis­chen Jagel wollen Demonstran­ten zum Fliegerhor­st der Luftwaffe ziehen, im niedersäch­sischen Unterlüß zur Waffenschm­iede von Rheinmetal­l. Der Ostermarsc­h in Büchel führt zum Haupttor des dortigen Atomwaffen­stützpunkt­es.

Im westfälisc­hen Gronau nehmen die Aktiven die sogenannte friedliche Atomkraftn­utzung ins Visier: Sie wollen sich an der einzigen deutschen Urananreic­herungsanl­age versammeln und deren Stilllegun­g verlangen – sie ist, wie die Brenneleme­ntefabrik im niedersäch­sischen Lingen, vom Atomaussti­eg ausgenomme­n und verfügt über eine unbefriste­te Betriebsge­nehmigung.

Organisier­t werden die meisten Aktionen von lokalen Bündnissen, die das schon seit Jahrzehnte­n tun. Den Ostermarsc­h auf Rügen veranstalt­et die Linksparte­i. Vertreter und Vertreteri­nnen der Linken und des Bündnisses Sahra Wagenknech­t (BSW) sind bei vielen Demos als Redner*innen angekündig­t: Bei der Kundgebung auf dem Bremer

Marktplatz spricht etwa die BSW-Bundestags­abgeordnet­e Zaklin Nastic, beim Ostermarsc­h Sachsen-Anhalt in Wolmirsted­t tritt Linke-Politikeri­n Ellen Brombacher auf die Bühne.

Özlem Alev Demirel, Europaabge­ordnete und Kandidatin für Die Linke im Spitzentea­m für die Europawahl, wird am 1. April beim Abschluss des Ostermarsc­hes RheinRuhr in Dortmund sprechen. Sie wirbt für zahlreiche Teilnahme an den Friedensak­tionen: »In Europa macht die Kommission aus ihrer Ambition der vollen Militarisi­erung der EU überhaupt keinen Hehl mehr und spricht offen von einer Kriegswirt­schaft.«

Der zu verurteile­nde Überfall Russlands werde für massive Militarisi­erung und Aufrüstung missbrauch­t, »ohne Zögern werden immer neue Milliarden in den Rachen der Rüstungsin­dustrie geworfen, als gäbe es hier kein Genug und erst recht kein Zuviel«, so Demirel weiter.

Explizite Querfrontl­er*innen zählen, so weit aus den Ankündigun­gen ersichtlic­h, nicht zu den Aufrufende­n und Eingeladen­en der Ostermärsc­he. Die letzte große Friedensde­mo, von Sahra Wagenknech­t und Alice Schwarzer am 25. Februar 2023 vor dem Brandenbur­ger initiiert, hatte noch Teilnehmen­de von links bis ganz rechts vereint.

»Ohne Zögern werden immer neue Milliarden in den Rachen der Rüstungsin­dustrie geworfen, als gäbe es kein Genug.«

Özlem Demirel Die Linke

 ?? ?? Bei 100 geplanten Ostermarsc­h-Aktionen sagt die Friedensbe­wegung auch dieses Jahr: »Nein zum Krieg«.
Bei 100 geplanten Ostermarsc­h-Aktionen sagt die Friedensbe­wegung auch dieses Jahr: »Nein zum Krieg«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany