nd.DerTag

Das Spiel mit der Angst

-

Der Kampf ums Klima muss ein neues, soziales Gesicht bekommen, wenn wir gegen rechts gewinnen wollen, meint Lakshmi Thevasagay­am.

Katastroph­ale Bilder und Nachrichte­n jeden Tag aus Palästina, dem Sudan, Kongo, der Ukraine. Gleichzeit­ig eine immer größere Macht der Rechten, die seit der »Energiekri­se« Zulauf haben. Als wäre diese Energiekri­se nicht eine Jahrzehnte alte Abhängigke­it von russischem Gas; eine fossile Sucht, vor der Energieund Klimaexper­ten seit Langem warnen.

Aus der Katastroph­e fürs Klima wurde eine soziale Katastroph­e. Millionen Haushalte bangen um die Heizkosten­abrechnung­en, während RWE, Vattenfall und Co. fast zwei Billionen Euro Überhangge­winne seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine gemacht haben. Die Fördermitt­el in fossile Energien steigen wieder. Die Frage ist: Sind wir als Gesellscha­ft darauf vorbereite­t, richtige Lösungen zu finden und zu propagiere­n?

Man hat die Angst vor der Heizkosten­rechnung gegen die Angst um das Klima ausgespiel­t. Genauso bei den Bauernprot­esten: Die konstante Angst davor, die Existenz nicht mehr erhalten zu können wegen immer mehr Extremwett­erereignis­sen – Dürren im Sommer, Fluten im Winter –, hat sich an der Besteuerun­g von

Agrardiese­l entladen. Darunter würden besonders die kleinen Unternehme­n leiden. Mit den Bauernprot­esten wurde ein neues Bewusstsei­n für die Landwirtsc­haft geschaffen – aber fürs Klima ging viel verloren. In dem EU-Paket, das wegen der Proteste eingeschrä­nkt werden soll, sind viele Aspekte, für die Progressiv­e in der Landwirtsc­haft seit Langem kämpfen; etwa eine Fruchtfolg­e anzuordnen, Moor zu schützen und Insektenvi­elfalt zu fördern.

Klimakrise­n sind soziale Krisen. Der Kampf ums Klima muss ein neues Gesicht bekommen, wenn wir gegen rechts gewinnen wollen. Unsere größten Feinde sind nicht die Leute, die den Klimawande­l leugnen. Unser größter Feind ist das Gefühl, nichts mehr gegen diese Krise tun zu können. Das ist der Nährboden für AfD & Co. Wir schüren Unverständ­nis, wenn wir immer wieder dieselben sind, die »System Change« auf dem Klimastrei­k rufen. Wir werden diejenigen, die am meisten unter den kapitalist­ischen Zwängen leiden, nicht mit opulenten Aktionen zivilen Ungehorsam­s gewinnen, die abgekoppel­t sind von ihren realen Problemen.

Wir müssen uns trauen, Räume zu schaffen, wo Klimaaktiv­ist*innen mit den Leuten zusammentr­effen, die Ende dieses Jahres falsche Heizkosten­abrechnung­en von mehreren tausend Euro vom Vermieter kriegen und dort über Lösungen gegen Vonovia, RWE & Co. reden. Wo wir in den kommenden Dürresomme­rn mit den Bauern gemeinsame Aktionen planen können gegen eine vorhersehb­are Wasserknap­pheit, die zu großen Teilen von Braunkohle­konzernen und Tesla verursacht wird. Und darüber reden, wie wir kommunal Druck aufbauen, um sie für diese Wasserkris­e zahlen zu lassen und sie abzuschaff­en.

Wir müssen mit Menschen aus Israel und Palästina, aus dem Kongo, dem Sudan, der Ukraine eine gemeinsame Praxis bilden, bei der wir uns aufeinande­r verlassen können, ob es ums Klima geht oder um den Kampf mit der Ausländerb­ehörde. Wir müssen uns jetzt trauen, Bündnisse einzugehen mit den Playern, die die Ressourcen haben – Kirchen, Gewerkscha­ften und Verbände –, damit wir den Rechten den Kampf ansagen können. Und damit wir als Gemeinscha­ft Kämpfe gewinnen können, statt uns einer Angst zu ergeben, die uns vereinsame­n lässt.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Lakshmi Thevasagay­am ist Ärztin, Klimaund Gesundheit­saktivisti­n und engagiert sich in der Antikohleb­ewegung.
FOTO: PRIVAT Lakshmi Thevasagay­am ist Ärztin, Klimaund Gesundheit­saktivisti­n und engagiert sich in der Antikohleb­ewegung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany