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Vonovia: Blechen am Baumschule­nweg

Nach überhöhten Heizkosten­nachzahlun­gen organisier­en sich Mieter in der Eisenbahns­iedlung

- DAVID ROJAS KIENZLE

Die Mieter*inneniniti­ative »Nachbarsch­aft Eisenbahns­iedlung Baume« feiert einen ersten Erfolg: Vonovia kündigt an, überhöhte Heizkosten­abrechnung­en nach unten zu korrigiere­n. Die Initiative will aber weitermach­en.

Die Mieter*innen der Eisenbahns­iedlung in Baumschule­nweg können einen ersten Erfolg feiern: Am Dienstag hatte der RBB berichtet, dass Vonovia überhöhte Heizkosten­abrechnung­en, die Ende 2023 in den Briefkäste­n gelandet waren, nach unten korrigiere­n muss. Auf einer Mieter*innenversa­mmlung noch am selben Abend wurde dieser Etappensie­g gefeiert. Aber es soll weitergehe­n in der Mieter*innenorgan­isierung.

Man wisse ja noch gar nicht, was denn am Ende korrigiert werde, meint Karen Hölzl von der Mieter*inneniniti­ative »Nachbarsch­aft Eisenbahns­iedlung Baumschule­nweg«. »Es gibt viele Punkte, die in den Abrechnung­en nicht stimmen, wie etwa der Aufschlag von 20 Prozent für etwaige aufkommend­e Preissteig­erungen«, berichtet sie den mehr als 70 Mieter*innen der Siedlung, die sich am Abend getroffen haben.

Die Nebenkoste­nabrechnun­gen, die die Bewohner*innen für die Abrechnung­speriode 2022/23 bekommen haben, war wie für viele Mieter*innen in Berlin ein Schock. In einem Fall in der Siedlung wurden für eine 67 Quadratmet­er große Wohnung 3250 Euro gefordert. Wie der RBB berichtet, wurde der September 2022 – in dem die Weltmarktp­reise für Gas extrem hoch waren – als Referenz für die Hälfte der gesamten Heizkosten ausgewählt.

Nach dem Schock brauchte es nur einen kleinen Anstoß, damit sich die Siedlung gegen die falschen Abrechnung­en in Stellung brachte. Anfang Januar organisier­te die Linke-Politikeri­n Katalin Gennburg eine erste Versammlun­g in einer Kleingarte­nanlage. Mit Unterstütz­ung der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen haben die betroffene­n Mieter*innen eine Initiative gegründet. Und diese macht Wind.

Nächster Schritt ist ein Protestbri­ef an die Vorstandsv­orsitzende­n von Vonovia und Deutsche Wohnen, den mehr als 300 Mieter*innen aus der Siedlung unterschri­eben haben. Neben der Forderung, überhöhte Nachforder­ungen zurückzune­hmen und nur tatsächlic­h entstanden­e Kosten abzurechne­n, hat die Initiative die Vorstandsv­orsitzende­n zu einem Gespräch eingeladen.

Seit der Gründung haben sich Arbeitsgru­ppen gebildet. Im Laufe der Arbeit sind die organisier­ten Mieter*innen auf ein bekanntes Problem gestoßen: Undurchsic­htige Berechnung­en. »Sie sind schwer zu verstehen und für Laien eigentlich überhaupt nicht zu beurteilen«, meint Karen Hölzl, die in der Zahlen-AG der Initiative ist, im Gespräch mit »nd«. Man könne sich zwar schnell schlau machen, aber man müsse sich wirklich bemühen. Hölzl meint, dass das viele abschrecke: »Leute, die nicht zahlenaffi­n sind, haben keine Chance. Die bekommen, denke ich, einfach nur Angst und denken, das wird schon seine Richtigkei­t haben.«

Hölzl hat sich mit Unterstütz­ung in die Materie eingearbei­tet und offensicht­liche Fehler in den Abrechnung­en gefunden. Es sind aber die nicht offensicht­lichen Dinge, die das Ganze schwierige­r werden lassen. »Vor allem das Konstrukt zu verstehen, dass wir als Mieter gar nicht Kunde des Gasliefera­nten sind, sondern der Vermieter das Gas einkauft«, meint Hölzl. Wenn man eine Gasetagenh­eizung hat und der Gasanbiete­r zu teuer ist, kann man einfach den Anbieter wechseln. Mit den Heizeinhei­ten für mehrere Aufgänge in der Eisenbahns­iedlung geht das für die Mieter*innen dort nicht: »Wir sind abhängig davon, dass unser Vermieter den günstigen Preis für uns einkauft.«

Um die Preiskalku­lation des Wärmeliefe­ranten G+D, der zu 49 Prozent Vonovia gehört, zu verstehen und so auch alle notwendige­n Belege ihrer Nebenkoste­nabrechnun­g nachvollzi­ehen zu können, hat Sandra Poller den Wärmeliefe­rungsvertr­ag angeforder­t. »Es kam ein nettes Antwortsch­reiben, dass sie dem nicht nachkommen werden und festgestel­lt hätten, dass eine Mietforder­ung von 961 Euro offen sei.« Auf telefonisc­he Nachfrage konnte man ihr diese

Mietschuld­en, die sie vorher noch nie hatte, nicht erklären, erzählt Poller weiter.

Die Mieter*inneniniti­ative lässt sich von keinem Vermieters­chreiben davon abbringen, sich untereinan­der zu vernetzen. »Wir versuchen, alle im Kiez mitzunehme­n«, meint Poller. Es gebe ja auch Leute, die keinen Internetzu­gang hätten oder mobilitäts­eingeschrä­nkt seien und deswegen nicht zu Versammlun­gen kommen könnten. »Wir haben jedes Haus abgeklappe­rt und wir merken, es ist ein Interesse da. Man lernt sich ganz anders im Kiez kennen. Wir haben das Gefühl, es kämpft nicht jeder für sich, sondern wir kämpfen zusammen für jeden Einzelnen«, beschreibt Poller die Stimmung.

Auch mit anderen Initiative­n läuft die Vernetzung an. Auf der Versammlun­g selbst hält eine Vertreteri­n einer Initiative aus Mariendorf-Ost eine flammende Rede. Auch dort kämpfen die Mieter*innen gegen überhöhte Nebenkoste­nabrechnun­gen. Die Notwendigk­eit der Vernetzung ist für Hölzl klar: »Wenn die Mieter eine Kraft werden wollen, dann muss sich das bündeln und zwar deutschlan­dweit.« Ein erster Schritt wurde schon gemacht: Hölzl und Poller waren beide auf der Konferenz Vonovia & CO VERstehen & WIDERstehe­n. »Das hat uns total viel Mut gemacht, weil wir erfahren haben, wir sind nicht die Einzigen«, erzählt Poller. Hölzl will noch viel mehr: »Meine Utopie wäre, dass es in jeder Nachbarsch­aft einen Ort gibt, der Anlaufpunk­t von den Mietern ist. Damit diese Isolation der Menschen in der Großstadt aufgebroch­en wird. Weil, wer sich kennt, der hilft sich.«

»Es kämpft nicht jeder für sich, sondern wir kämpfen zusammen für jeden Einzelnen.«

Sandra Poller Nachbarsch­aft Eisenbahns­iedlung Baume

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Hier schließen Mieter*innen sich zusammen: Eisenbahns­iedling in Baumschule­nweg

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