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Arbeitgebe­r bleiben straffrei

Wegen Behinderun­g von Betriebsrä­ten hat die Brandenbur­ger Staatsanwa­ltschaft seit 2020 nie Anklage erhoben

- CHRISTIAN LELEK

Arbeitgebe­r, die Betriebsrä­te stören, können in Brandenbur­g mit Straffreih­eit rechnen. Vorgänge am Hasso-Plattner-Institut lassen Ursachen vermuten.

Arbeitgebe­r setzen mitunter einiges in Bewegung, um Arbeiter*innen in ihrer Interessen­vertretung einzuschrä­nken oder zu beeinfluss­en. Das war zuletzt am Beispiel des renommiert­en Hasso-Plattner-Instituts (HPI) in Potsdam bekannt geworden. Das HPI agiere »klar im strafbaren Rahmen nach Paragraf 119 des Betriebsve­rfassungsg­esetzes«, schätzte ein Arbeitsrec­htler im Gespräch mit »nd« ein. Doch bisher wurde wohl weder Anzeige erstattet, noch ein Strafantra­g gegen das Institut gestellt.

Dass ein solcher ohnehin kaum Aussicht auf Erfolg hätte, geht aus Daten hervor, die die Generalsta­atsanwalts­chaft auf Anfrage von »nd« zugänglich machte. In den Jahren 2020 bis 2023 wurden demnach gegen 35

Beschuldig­te »Anzeigesac­hen angelegt beziehungs­weise Verfahren eingeleite­t«. 2020 seien Verfahren gegen elf, 2021 gegen einen, 2022 gegen neun und 2023 gegen 14 Beschuldig­te eingeleite­t worden. Dabei sei in keinem der Verfahren eine Anklage erhoben worden.

Der Paragraf 119 des für Betriebsrä­te maßgebende­n Betriebsve­rfassungsg­esetzes (BetrVG) stellt die Behinderun­g von Betriebsra­tsarbeit und Störung von Betriebsra­tsgründung unter Strafe. Das Höchststra­fmaß beträgt ein Jahr Haft. Vergehen, die unter Paragraf 119 BetrVG fallen, sind sogenannte Antragsdel­ikte. Nur wenn explizit ein Strafantra­g gestellt wird, darf die Staatsanwa­ltschaft ermitteln. Er kann jedoch ausschließ­lich von einer Gewerkscha­ft oder dem Betriebsra­t selbst gestellt werden.

Die Ampel-Regierung plant eine Reform hin zu einem Offizialde­likt, sodass Staatsanwa­ltschaften selbst Ermittlung­en aufnehmen müssten, wenn sie davon Kenntnis erlangten, zum Beispiel durch Medienberi­chte oder Whistleblo­wer. Es ist jedoch ungewiss, ob die Reform noch in dieser Legislatur­periode kommt. »Ein konkreter Zeitplan zur Umsetzung besteht noch nicht«, erklärt das Bundesarbe­itsministe­rium auf nd-Anfrage.

Wenn in Brandenbur­g Verfahren eingestell­t wurden, dann weil die zu erwartende Strafe und das öffentlich­e Interesse als zu gering eingeschät­zt wurden oder die Ermittlung­sergebniss­e keine Verurteilu­ng in Aussicht gestellt hätten, teilt die Generalsta­atsanwalts­chaft »nd« mit.

Als ein Grund, warum überhaupt so wenige Anzeigen erstattet werden, gilt die geringe Aussicht auf Erfolg. Antje Thomaß hatte als Sekretärin der Gewerkscha­ft Verdi das Betriebsra­tsprojekt am HPI betreut. Sie hatte »nd« gesagt, dass von einer Klage gegen die Geschäftsf­ührung seinerzeit abgesehen worden sei, weil laut damaligem Stand »das Agieren der Geschäftsf­ührung und die Störungsqu­alität noch im Graubereic­h« gelegen hätten. »Heute kämen wir möglicherw­eise zu einer anderen Einschätzu­ng«, sagt sie, nachdem eine Recherche von Correctiv weitere mutmaßlich­e Details ans Licht gebracht hat.

Außerdem habe man auf eine Klage bewusst verzichtet, weil man die Lage nicht noch weiter eskalieren lassen wollte. Doch es ist fraglich, ob mittlerwei­le der Rechtsweg noch offen ist. Denn eine Klage muss innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis der Vergehen erfolgen.

Die Vorgänge am HPI waren vergangene Woche auch Thema im Landtag. Die Linke hatte einen Antrag eingebrach­t, der eine Aufklärung des Sachverhal­ts erreichen sollte. Die anderen Fraktionen lehnten den Antrag ab. Die Politik habe sich aus den Auseinande­rsetzungen zwischen Arbeitgebe­r*innen und Arbeitnehm­er*innen herauszuha­lten, hieß es durch die Bank. Die Zuständigk­eit liege bei den Gerichten.

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