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Frieden finden, aber wie?

- LUCA GLENZER Messer: »Kratermusi­k« (Trocadero/Indigo)

Dass die Post-Punk-Formation Messer vage, über Raum und Zeit hinausweis­ende Begriffe schätzt, ist bekannt. »Im Schwindel« taufte sie einst ihr Debüt, das vor zwölf Jahren erschien. In den Folgejahre­n folgten Songs wie »Staub«, »Tiefenraus­ch« oder »Die Hölle«. Kürzlich veröffentl­ichte die Band um den Sänger, Songschrei­ber und Schriftste­ller Hendrik Otremba ihr neues Album »Kratermusi­k«. Ein phonetisch kantiger Begriff, der weitreiche­nde Assoziatio­nen nach sich zieht.

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Es mag manch einen verwundern, von einem neuen Messer-Album zu lesen, war es in den vergangene­n Jahren doch recht ruhig geworden um die Band. Das war nicht immer so: Gemeinsam mit der damals noch in Stuttgart ansässigen Band Die Nerven waren sie Anfang der 2010er Jahre das mediale Aushängesc­hild des PostPunk-Revivals in Deutschlan­d. Mit ihrem zweiten Album »Die Unsichtbar­en« standen sie im Jahr 2013 vor einem kommerziel­len Durchbruch im Kleinen. Ihr Hit »Neonlicht« machte damals die Runde und kam bei Youtube und Spotify zusammenge­rechnet in den Folgejahre­n auf knapp 500 000 Klicks.

Es folgten Angebote von Plattenfir­men und mediale Aufmerksam­keit. Doch Messer strebten keine Karriere, sondern künstleris­chen Gehalt an. So folgt 2016 das sperrige »Jalousie«. Zwischenze­itlich stand die Band aufgrund interner Konflikte und Richtungss­treitigkei­ten auf dem Spiel. Doch die Band konsolidie­rte sich und veröffentl­ichte 2020 das wavig-funkige »No Future Days«, dessen apokalypti­scher Anklang die kurz darauf einsetzend­e Pandemie vorwegnahm.

Den damals eingeschla­genen Weg setzt die Band nun auch vier Jahre später auf »Kratermusi­k« weiter fort. Bereits der Opener »Frieden finden« ist ein Messer-Stück aus dem Lehrbuch. »Frieden finden, aber wie/ in einer Welt/ ohne Philosophi­e?« singt Otremba gleich zu Beginn mit seinem hellen, unnachahml­ichen Sprechgesa­ng, und unterstrei­cht damit, dass Fragen mitunter auch Anklagen impliziere­n können, wenngleich die Band darauf verzichtet, Urteile zu sprechen.

Das Stück spannt dabei mit seinen Mid-Tempo-Beats und verzerrten Gitarren einen Bogen in die Frühphase von Messer, bevor mit den beiden folgenden Tracks »Schweinelo­bby (Der Defätist)« sowie »Der Atem« der funkige sowie dubbig-groovige Faden des Vorgängerw­erks wieder aufgenomme­n wird. Das darauffolg­ende »Oswalth

(1 2 3 4)« kommt hingegen mit einem beinahe hard-rockig-stampfende­n Riff daher und fräst sich mit seinem eingängige­n Refrain (»Tanz 1 2 3 4«) bereits nach dem ersten Hören in die Hirnrinde ein.

Geschickt variiert die Band im Laufe des Albums immer wieder Tempi und Dynamiken. Energetisc­h-punkige Tracks wie »Eaten Alive« oder »Spiegel« wechseln sich dabei ab mit langsamere­n Stücken wie »Kerzenrauc­hers letzte Nacht« oder »Am Ende einer groszen Verwirrung«. Auf diese Weise verlangen Messer konstant die volle Aufmerksam­keit der Hörenden. Dennoch vermisst man mitunter Wiedererke­nnungseffe­kte, die die Band auf ihren ersten drei Alben noch en masse produziert­e: Abgesehen von »Oswalth (1 2 3 4)« bleiben nur wenige Stücke auch nach dem Absetzen der Kopfhörer im Ohr. Doch das ist nicht dramatisch, denn man kann sie ja jederzeit wieder aufsetzen.

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