Ökofeminismus
Laut Ökofeminist*innen werden größere Umwälzungen erst im kollektiven Handeln möglich. Ökofeminismus ist nicht das Gärtnern und Umgraben der Einzelnen im eigenen Vorgarten oder das Kaufen nachhaltiger Produkte durch die weiße Mittelstandsfrau nach dem 9-to-5-Job in ihrem Start-up als Girl Boss, wie es uns oft medial präsentiert wird. Ökofeminismus ist mehr als das allseits gepriesene individuelle Handeln, mit dem die Welt in kleinen Schritten vermeintlich zu einem besseren Ort gemacht werden könne. Ökofeminismen wollen verschiedene Herrschaftsverhältnisse in ihrer Verwobenheit betrachten, den Kapitalismus kritisieren und die Gesellschaft radikal – an ihrer Wurzel – greifen und umgraben, so wie es die vielen bereits vorgestellten Bewegungen bereits begonnen haben.
Liberaler (Öko-)Feminismus betritt viele Bühnen – nicht nur die der Parteien, sondern auch jene großer Wirtschaftskonzerne. Durch unsere ökofeministische Brille auf die Gesellschaft können wir jedoch sehen, dass jene Unternehmen, die sich (Öko-)Feminismus auf die Fahnen (ihre Websites) schreiben, weit davon entfernt sind, bewegungsnahe Inhalte umzusetzen. Weibliche CEOs und queere Aufsichtsräte verdienen immer noch x-mal mehr als die Putzkräfte und Sekretär*innen im Unternehmen. Diese Unternehmen werden weiterhin ihren Gewinn nicht unter den Mitarbeitenden (um)verteilen, sondern weiter investieren und wachsen. Von alternativen Organisationsformen wie Kooperativen, Kollektiven und Gewerkschaften, wie Ökofeminist*innen dies in ihren Entwürfen alternativer Ökonomien vorschlagen, ist hier nicht die Rede.
Dass wir weitergehen müssen, als H&M-T-Shirts zu kaufen, auf denen »Ich bin Feministin« aufgedruckt ist, stellen Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser bereits in ihrem kämpferischen Manifest »Feminismus für die 99 %« (2019) heraus. Auch wenn dieses Manifest kein ökofeministisches ist, kritisieren auch Ökofeminist*innen den liberalen Feminismus auf ähnliche Weise. Sie geben sich nicht zufrieden mit einem »Mehr« an Frauen, nicht-binären, Schwarzen oder Indigenen Menschen oder People of Colour in Machtpositionen der Politik, Medien oder Wirtschaft.
Ökofeminismus ist mehr als liberales Diversitymanagement mit dem Ziel, lediglich die Repräsentanz auf politischen und wirtschaftlichen Bühnen zu diversifizieren, sondern will jene Bühnen umstürzen. Die Auffassung darüber, welche Veränderungen notwendig sind und wie diese herbeigeführt werden können, ist also bei liberalen Denker*innen eine grundlegend andere als bei ökofeministischen. Während der liberale Mainstream-Feminismus vertritt, dass sich das System bequem von innen heraus verändern ließe, wobei seine gewaltvollen Strukturen unangetastet bleiben, setzen Ökofeminist*innen dem eine sozial-ökologische Transformation als eine Befreiung aus allen Unterdrückungsverhältnissen entgegen. -
Nadine Gerner/Lina Hansen: Ökofeminismus zwischen Theorie und Praxis. Unrast-Verlag, 300 S., br., 19,80 €.