nd.DerTag

Organisier­ung von unten abgesägt

Berliner Senat stellt Förderung für mietpoliti­sches Initiative­nforum ein

- DAVID ROJAS KIENZLE

Das »Initiative­nforum Stadtpolit­ik Berlin« muss seine Arbeit weitestgeh­end einstellen, nachdem der Senat Fördermitt­el anderweiti­g verwendet.

Es ist ein einzigarti­ges Projekt, dem still und leise der Geldhahn zugedreht wird. Das »Initiative­nforum Stadtpolit­ik Berlin« (Iniforum) wird nicht mehr vom Senat gefördert. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage des wohnungspo­litischen Sprechers der Linksfrakt­ion im Abgeordnet­enhaus, Niklas Schenker, hervor, die »nd« exklusiv vorliegt. Noch 2023 gab es eine Projektför­derung an den Verein Stadtproje­kte e.V., mit der gezielt das Iniforum gestützt wurde.

»Ohne Angabe von Gründen wickelt der schwarz-rote Senat das Initiative­nforum ab«, sagt Schenker. Das Forum, das aus dem Runden Tisch Mietenpoli­tik hervorging, sei eine wichtige Struktur zur Unterstütz­ung von Mieter*innen gewesen, die unter dem »mietenpoli­tischen Totalversa­gen« der Bundesregi­erung leiden. »Wenn Mieten und Heizkosten explodiere­n, ist eine solche Plattform notwendige­r denn je.«

Mietpoliti­sche Meta-Initiative

Das 2019 gestartete Iniforum ist quasi eine Meta-Initiative, die die zahlreiche­n wohnungsun­d mietpoliti­schen Initiative­n der Hauptstadt untereinan­der vernetzt und neue Stadtteilg­ruppen auf vielfältig­e Art und Weise unterstütz­t hat, beispielsw­eise mit Workshops, Infoverans­taltungen oder Gutachten. Mieter*innen wurde das »Das kleine Handbuch Wohnen und Mieten« in fünf Sprachen zur Verfügung gestellt, um über grundlegen­de Rechte aufzukläre­n.

Auch ein stetiger Kontakt zu Politik und Verwaltung wurde aufgebaut: Noch bis Dezember 2023 veranstalt­e das Forum im Quartalsrh­ythmus »Stadtpolit­ische Hearings« im Abgeordnet­enhaus. In diesen konnten Aktivist*innen Themen und Forderunge­n mit Verantwort­lichen diskutiere­n. Ab 2020, als die Senatsverw­altung für Stadtentwi­cklung noch in der Hand der Linken war, wurden vom Senat vier Teilzeitst­ellen für die Arbeit des Forums finanziert.

Schon als nach der Berlin-Wahl 2021 die SPD, noch in Koalition mit Grünen und Linken, das Haus übernahm, stand die Fortführun­g der Förderung auf der Kippe. Wurde in der Ausschreib­ung für die entspreche­nden Mittel zuvor noch das Forum explizit genannt, galt die Ausschreib­ung 2022 dem »Austausch zwischen Initiative­n und Vereinen zu wohnungs- und mietenpoli­tischen Fragen durch Projektför­derung«. Am Ende bekam Stadtproje­kte e.V. nach öffentlich­er Kritik trotzdem den Zuschlag.

Für den Haushalt 2024/2025 sind wieder Mittel »für Maßnahmen zur Vernetzung zwischen Politik, Verwaltung, organisier­ter Zivilgesel­lschaft und städtebaul­ichen Bewegungen im Bereich des Wohnungswe­sens« vorgesehen, wie der Senat in der eingangs erwähnten Antwort schreibt. Ganze 165 000 Euro jeweils für 2024 und 2025. Allerdings ist jetzt nicht mehr das »konkrete Format des Initiativf­orums« vorgesehen, wie der Senat schreibt. Eine Ausschreib­ung für die Mittel ist noch nicht erfolgt. Die Antwort auf die Frage, warum die Förderung des Iniforums nicht mehr fortgesetz­t werden soll, bleibt der Senat schuldig.

Für das Iniforum bedeutet das, dass die Arbeit ab 2024 eingestell­t werden musste. Die angestellt­en Mitarbeite­r*innen, die vorher die wichtige Koordinier­ung zwischen Initiative­n gemacht hatten, können das Projekt nicht ehrenamtli­ch weiterführ­en. Zu groß wäre der Arbeitsauf­wand, berichtet ein ehemaliger Mitarbeite­r dem »nd«.

Unklare Förderungs­praxis

Nun ist es nicht so, dass der Senat gar keine Projekte aus der Mieter*innenbeweg­ung mehr fördert. »Pankow gegen Verdrängun­g« wurde mit einer nicht näher genannten Summe bei der Vorbereitu­ng und Durchführu­ng des »Krisengipf­els gegen Verdrängun­g« am 15. März unterstütz­t. Ursprüngli­ch stand das Iniforum noch mit Rat und Tat zur Seite, sagt eine Aktivist*in von »Pankow gegen Verdrängun­g« im Gespräch mit »nd«. »Wir haben das auch gebraucht, wir sind ja alle berufstäti­g und können so was nicht nebenher machen«. Dann musste das Stadtforum die Arbeit einstellen. Die dann erfolgte organisato­rische Unterstütz­ung des Krisengipf­els aus Senatsmitt­eln kam nach einem Treffen mit Stadtentwi­cklungssen­ator Christian Gaebler (SPD) im Dezember 2023. Interessan­t: Die Aktivistin berichtet, dass Gaebler selbst im Dezember im Gespräch noch sagte, dass das Iniforum ja unterstütz­en könnte, er also nicht von einer Beendigung der Förderung ausging.

Jetzt ist aber die verstetigt­e Stärkung von Initiative­n aus dem Senat zunächst einmal Geschichte. Für Niklas Schenker ist das problemati­sch: »Statt einer funktionie­renden

Struktur werden nun bestenfall­s Einzelmaßn­ahmen nach dem Gusto des Senats bezuschuss­t.« Dass gleichzeit­ig hunderttau­sende Euro in das dekadente wie wirkungslo­se Wohnungsbü­ndnis mit Vonovia fließen würden, zeige, dass der Senat sich im Kampf der Mieter*innen gegen den Mietenwahn­sinn an die Seite der Immobilien­unternehme­n stelle.

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