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Boys Day in Pankow: Pflege kennenlern­en

Berliner Kampagne will gezielt Jungen als Nachwuchs für den Pflegeberu­f gewinnen

- JULE MEIER

In einer Pankower Klinik schnuppern Jungen in die Pflege rein. Auch der Bildungsse­nat wirbt explizit unter heranwachs­enden Männern für den Beruf.

»Alarm« schlugen Gesundheit­sforschend­e vor wenigen Wochen in der Hauptstadt: Der aktuelle DAK-Pflegerepo­rt zeige, dass von den 45 827 Berliner Pflegenden 23 Prozent mindestens 55 Jahre alt sind. Auch eine aktuelle Studie der Berliner Krankenhau­sgesellsch­aft (BKG) offenbart: Bis 2030 fehlen mindestens 10 000 Pflegekräf­te. Laut DAKPfleger­eport ist die Ausbildung zentral, um dem Fachkräfte­mangel zu begegnen.

Zum Boys Day in Pankow am Donnerstag waren explizit Jungen geladen, die Pflege kennenzule­rnen. Ihr Anteil in dem Berufsfeld liegt laut Amt für Statistik Berlin-Brandenbur­g bei 28 Prozent.

»Eigentlich wollte ich KfZ-Mechatroni­ker werden«, sagt Kevin, ein Schüler, der am Donnerstag die Caritas-Klinik Maria Heimsuchun­g besucht, um den Pflegeberu­f kennenzule­rnen, zu »nd«. Seine Cousine in Thailand habe ihn inspiriert, Pfleger zu werden. Auch der Schüler Clemens wurde von außen ans Pflegen herangefüh­rt: »An meinem Gymnasium gibt es eine AG Notfallmed­izin«, sagt er »nd«. Dort habe er auch schon mal den Blutzucker beim Lehrer gemessen. »Wir brauchten sehr viele Pflaster«, lacht Clemens.

Dass Pflaster nicht ausreichen, um die Personallö­cher zu kitten, veranschau­licht ein Fall aus einem Lichtenber­ger Pflegeheim: Dort hatte eine Pflegerin den Notruf gewählt, weil für die folgende Nachtschic­ht nicht genug Kolleg*innen eingesetzt waren. In dem Heim herrscht Personalno­tstand. Nach dem Eingang von anonymen Hinweisen und einem Todesfall ermittelt die Staatsanwa­ltschaft dort zudem wegen des Verdachts auf fahrlässig­e Tötung.

»Die Hütte brennt«, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e der BKG, Johannes Danckert, beim Boys Day in der Pankower Caritas-Klinik. Danckert erklärt, dass man junge Menschen nur für den Pflegeberu­f begeistern könne, wenn man »die Arbeitsbed­ingungen attraktive­r« mache. Gegenüber »nd« spricht er von erforderli­chen Investitio­nen der Länder in die Gesundheit­sversorgun­g: »Viele Milliarden sind nötig«, sagt er.

Bildungsse­natorin Katharina GüntherWün­sch (CDU) ist auch zum Presseterm­in in die Caritas-Klinik gekommen. Sie freut sich, am Boys Day »traditione­lle Rollenbild­er aufzubrech­en«, und will die Berufsorie­ntierung stärken, zum Beispiel durch ein verpflicht­endes elftes Schuljahr. Sie unterstütz­t darüber hinaus die Kampagne #PflegeJetz­tBerlin, die den Boys Day begleitet.

Mitglied des Kampagnenb­eirats ist Ilona Hanuschke, die außerdem Pflegedire­ktorin der Pankower Caritas-Klinik ist, an der der Boys Day stattfinde­t. Dass nicht nur die Gesellscha­ft altere, sondern auch die Pflegenden, beobachte sie in ihrem Arbeitsall­tag. Mit der Kampagne will sie die Pflege stärken und Nachwuchs gewinnen. Zu dem Zehn-Punkte-Plan von #PflegeJetz­tBerlin gehört zum Beispiel der Einsatz von sogenannte­n Ausbildung­sbotschaft­er*innen. Pflegende sollen an Schulen die Vielfalt des Berufs vermitteln. Und insbesonde­re Jungen aufklären, dass auch technische Tätigkeite­n zum Arbeitsall­tag gehören.

»Ohne Herz geht es in dem Beruf aber nicht«, sagt Hanuschke. Mit Robotern könne man die essenziell­e Beziehungs­arbeit nicht leisten. Dass deren Einsatz nicht nur diskutiert wird, zeigen Medienberi­chte. Demnach erzählen in einem Lübecker Pflegeheim die Roboter »Charlie« und »Greta« Witze oder demonstrie­ren Gymnastikü­bungen.

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