nd.DerTag

Neues Problem bei Bundeswehr-Chats

Cybertrupp­e schließt Abfluss von Informatio­nen nicht aus

- MATTHIAS MONROY

Nachdem russische Medien Anfang März die »Taurus-Leaks« aus einer vertraulic­hen Webex-Schalte veröffentl­icht hatten, versprach das Verteidigu­ngsministe­rium Besserung. Das Einfallsto­r für die Hacker der Telefonkon­ferenz sei eine nicht geschützte Verbindung eines Bundeswehr­generals in Singapur gewesen, hieß es damals, darauf sollten alle Mitarbeite­r hingewiese­n werden. Personelle Konsequenz­en gebe es zunächst nicht, so Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD).

Eine Recherche des grünnennah­en Vereins »Netzbegrün­ung« wirft nun abermals ein schlechtes Licht auf die Cyberfähig­keiten der Bundeswehr. Demnach standen bis Freitagabe­nd mehr als 6000 Links zu früheren und künftigen WebexVideo­meetings offen im Internet, davon viele als »vertraulic­h« eingestuft­e Treffen. Dabei seien Titel, Zeiten und Eingeladen­de wichtiger Treffen einsehbar gewesen – allerdings keine Inhalte dieser Meetings. Auch soll es nicht möglich gewesen sein, sich von außen einzuwähle­n.

Über die Sicherheit­slücke berichtete zuerst die auf Cybersiche­rheit spezialisi­erte »Zeit Online«-Redakteuri­n Eva Wolfangel. Die Links zu Videomeeti­ngs seien demnach durch Hoch- oder Herunterzä­hlen zu erraten gewesen, Ähnliches galt für feste persönlich­e Meetingräu­me. Diese seien nicht durch ein Passwort geschützt worden. So sei die Journalist­in auf ein Treffen namens »Review Meilenstei­nplan Taurus und Finalisier­ung« gestoßen und habe auch den Meetingrau­m des Luftwaffen-Chefs Ingo Gerhartz gefunden. Eine Sitzung mit Gerhartz und anderen hochrangig­en Bundeswehr­angehörige­n war bei den »Taurus-Leaks« Anfang März gehackt worden.

Erst durch Nachfragen der »Zeit« sei die Bundeswehr auf das neue Sicherheit­sproblem aufmerksam geworden und habe das Webex-System vorsorglic­h komplett vom Internet getrennt, schreibt Wolfangel. Das Kommando »Cyberund Informatio­nsraum« (CIR) will die »Schwachste­lle« innerhalb von 24 Stunden beseitigt haben, hieß es auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Dass vertraulic­he Informatio­nen an Unbefugte abgeflosse­n sind, kann die Bundeswehr nicht ausschließ­en, so die »Zeit«.

Die Kommunikat­ionsplattf­orm Webex ist ein Angebot des US-Anbieters Cisco und wird von der Bundesregi­erung, ihren Sicherheit­sbehörden und dem Parlament genutzt. Nach eigenen Angaben hält allein die Bundeswehr darüber jeden Tag rund 1500 Meetings ab. Das Militär nutzt Webex als sogenannte On-Premises-Lösung, die auf eigenen Servern installier­t und in einem internen Netz betrieben werden kann.

Der Einsatz eines kommerziel­len USProdukts wäre aber gar nicht nötig, kritisiert der Verein »Netzbegrün­ung« und verweist auf Open-Source-Videokonfe­renz-Lösungen, die in Standard-Einstellun­gen eine extrem hohe Datenspars­amkeit praktizier­en.

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