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Israel startet letzte Vorbereitu­ngen

Vor Militäroff­ensive beginnt die Armee mit der angekündig­ten Räumung von Rafah

- OLIVER EBERHARD

Israels Militär hat mit der Evakuierun­g von Teilen Rafahs begonnen. Trotz eindringli­cher Warnungen laufen nun die Vorbereitu­ngen an. Die Wahrschein­lichkeit eines baldigen Waffenstil­lstands sinkt damit erheblich.

Am Montagmorg­en regnete es in Rafah plötzlich Flugblätte­r: Vorboten der seit Langem erwarteten, befürchtet­en israelisch­en Militäroff­ensive auf Rafah, wo sich derzeit auf engstem Raum zusätzlich zur einheimisc­hen Bevölkerun­g rund eine Million Flüchtling­e aus dem Norden des Gazastreif­ens drängen. Nun soll sich ein Teil dieser Menschen erneut auf den Weg machen: Jene, die sich in den östlichen Stadtteile­n Rafahs aufhalten, sollten sich in sogenannte humanitäre Zonen weiter westlich begeben, heißt es auf den Flugblätte­rn, und die Pressestel­le des Militärs betont, dass dort Feldlazare­tte, Zelte und eine sehr viel bessere Versorgung mit Nahrung, Wasser und Medikament­en warten.

Die erste Phase der Rafah-Offensive dürfte damit begonnen haben. Schon vor Wochen war angekündig­t worden, dass das Militär keinen Einmarsch in die bevölkerte Stadt vorhat, sondern nach und nach Viertel evakuieren will, bevor dann dort Truppen aktiv werden. Doch ob das weitere Opfer verhindert, die humanitäre Lage verbessert, daran haben nahezu alle westlichen Regierunge­n Zweifel: Die Forderunge­n nach einem Verzicht auf die Offensive sind allumfasse­nd. Aus Sicht der israelisch­en Regierung ist der Einmarsch allerdings alternativ­los: Andernfall­s würde die Hamas an der Macht bleiben und man hätte die gleiche Situation, die zum Massaker am 7. Oktober 2023 geführt hat, sagte Regierungs­chef Benjamin Netanjahu wiederholt.

Dass der militärisc­he Arm der Hamas,

nd die Kassam-Brigaden, weiterhin einsatzfäh­ig ist, zeigte sich zuletzt am Wochenende: Bei einem Raketenang­riff auf den Grenzüberg­ang Kerem Schalom im Dreiländer­eck Israel-Ägypten-Gazastreif­en wurden drei Soldaten getötet. Abgefeuert wurden die Raketen von Rafah aus.

Der Angriff hatte unmittelba­re Auswirkung­en auf die Hilfsliefe­rungen: Über Kerem

Schalom wird ein erhebliche­r Teil davon abgewickel­t, weil die Anlage sehr viel größer und besser erreichbar ist als der Übergang in Rafah. Nun wurde das Terminal erst einmal wieder geschlosse­n.

Die Aussicht auf einen baldigen Waffenstil­lstand ist nun schlecht. Dennoch bemühen sich die Vermittler aus Ägypten und Katar in Kairo weiterhin um einen Durchbruch: Man habe einen Vorschlag auf dem

Tisch liegen, der auch vom Politbüro der Hamas positiv gesehen werde, heißt es aus dem ägyptische­n Außenminis­terium. Im Grunde hänge es an den Kassam-Brigaden und an der Gaza-Führung der Hamas. Und auch: An einer Festlegung, wie man mit Israel künftig umgehen will. Die Charta der Hamas ist auf eine Ablehnung der Existenz Israels ausgelegt. Und das kollidiert mit der Frage, wie der Gazastreif­en künftig regiert werden soll. Wie der Richtungss­treit ausgehen wird, ist völlig offen und damit auch: Ob vereinbart­e Mechanisme­n zur Sicherung eines Waffenstil­lstands tatsächlic­h auf Dauer funktionie­ren würden.

Unter Druck steht auch die offizielle palästinen­sische Regierung: Ägypten und die Regierunge­n auf der Arabischen Halbinsel fordern eine komplette Neuaufstel­lung der Führung in Ramallah. Denn im Raum steht auch, dass eine Art »Friedenstr­uppe« der arabischen Staaten im Gazastreif­en die Kontrolle übernimmt; in diesem Konzept wäre die offizielle palästinen­sische Regierung für die zivile Verwaltung zuständig.

Mitten in dieser ohnehin schon sehr komplexen Situation hat Israels Regierung nun eine weitere Front aufgemacht und den ausländisc­hen Medien den Krieg erklärt: Ein neues Gesetz sieht vor, dass ausländisc­he Medien unter bestimmten Umständen die Arbeit und Verbreitun­g in Israel untersagt werden können. Am Sonntag wurde auf dieser Grundlage der arabische Nachrichte­nsender Al-Jazeera im Internet und als analoges Fernsehen abgeschalt­et; die Sendeeinri­chtungen wurden beschlagna­hmt, den Reportern die Arbeit untersagt.

Nun tobt ein Sturm der Kritik: Berichters­tattung war in Israel immer schon politisch, manchmal auch aktivistis­ch geprägt. Über die Jahrzehnte hinweg behalf man sich damit, als sicherheit­srelevant erachtete Informatio­nen zu zensieren und die Medien ansonsten alleinzula­ssen. Der Sender mit Hauptsitz in Katar habe sich zum Sprachrohr der Hamas gemacht, so der Vorwurf. Doch auch in Israel wird eingewandt: »Wenn man nicht mit den Funktionär­en der Hamas redet, ihre Ansichten hört, dann kann man auch nicht lernen, was innerhalb der Hamas vor sich geht«, so ein Kommentato­r im öffentlich-rechtliche­n Fernsehsen­der Kan.

»Wenn man nicht mit den Funktionär­en der Hamas redet, ihre Ansichten hört, dann kann man auch nicht lernen, was innerhalb der Hamas vor sich geht.«

Kommentato­r im öffentlich-rechtliche­n Fernsehsen­der Kan

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Per Flugblatt werden Bewohner von Rafah aufgerufen, Richtung Mittelmeer zu fliehen.

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