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1,75 Milliarden für den Kohleausst­ieg

Lausitzer Energie AG hat noch keine Entschädig­ung, aber eine Umstruktur­ierung

- JÖRG STAUDE

Entgegen der Ankündigun­g von Wirtschaft­sminister Habeck ist die Milliarden-Entschädig­ung für die Lausitz Energie AG wegen des Kohleausst­iegs noch nicht unter Dach und Fach.

Zwei Monate ist es her, dass Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) mit einer guten Nachricht für die Lausitz Energie AG (Leag) und für sämtliche ostdeutsch­en Braunkohle­regionen aufwartete. Zu Ostern, also bis Ende März, solle bei der EU-Kommission nun endlich die Notifizier­ung der Kohleausst­iegs-Beihilfe »politisch erledigt sein«, erklärte Habeck auf der Strukturwa­ndel-Tagung des Energiebra­nchenverba­ndes BDEW in Cottbus. Sein Ministeriu­m und er persönlich sähen sich da in der Pflicht, betonte Habeck.

Bei der Beihilfe, die von der EU-Kommission zu genehmigen ist, geht es um 1,75 Milliarden Euro. Diese Summe wurde der Leag vor drei Jahren in einem öffentlich-rechtliche­n Vertrag von der Bundesregi­erung zugesicher­t, um Verluste durch den gesetzlich angeordnet­en Kohleausst­ieg auszugleic­hen. Ob die 1,75 Milliarden in der Höhe gerechtfer­tigt sind, ist aus mehreren Gründen umstritten, und bis dato konnte keine Einigung über die Beihilfe für die Leag erzielt werden.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium befinde sich noch in »intensiven« Gesprächen mit der Leag, den Ländern und der EUKommissi­on, erklärt ein Ministeriu­mssprecher. Er fügt hinzu: »Eine finale Entscheidu­ng soll möglichst bald getroffen werden.«

Ein Sprecher der EU-Kommission teilt seinerseit­s mit, die Kommission stehe bei der Prüfung der Ausgleichs­maßnahme zugunsten der Leag in ständigem konstrukti­ven Kontakt mit den deutschen Behörden. Sie sei sich über die Notwendigk­eit im Klaren, die Herausford­erungen zu bewältigen, die der Kohleausst­ieg für die betroffene­n Regionen und Beschäftig­ten in Ostdeutsch­land mit sich bringe. Die Leag antwortet eher kurz angebunden, ihr sei der aktuelle Stand des EU-Beihilfeve­rfahrens nicht bekannt, das man im Übrigen nicht kommentier­en wolle.

Insider gehen davon aus, dass die EUKommissi­on sich im Grunde schon entschiede­n hat und dies bereits morgen verkünden könnte. Diese Entscheidu­ng, die vermutlich nicht die ganze Summe von 1,75 Milliarden Euro freigibt, wird die Bundesregi­erung aber nicht akzeptiere­n können. So könnte sich die Notifizier­ung noch lange hinziehen – oder auch rasch erledigt sein. Beides scheint möglich.

Leag-Vorstandsc­hef Thorsten Kramer hatte Habecks gute Nachricht im Februar begrüßt. Die Gelder seien wichtig, um die Transforma­tion der Leag gestalten zu können – hin zu alternativ­en Energien, wasserstof­ffähigen Kraftwerke­n und Energiespe­icherung. Bei der Notifizier­ung der Beihilfe

gehe es aber »nicht darum, dass der Betrag niedriger ausfällt«, sagte Kramer. Die Beihilfe sei 2019 »inhaltlich definiert« worden. In den letzten fünf Jahren hätten sich einige Randbeding­ungen geändert, sodass man das Ganze nun an die aktuelle Situation anpasse, erklärte der Leag-Chef.

Auf die veränderte­n Bedingunge­n hat der Energiekon­zern jetzt selbst reagiert. Mitte April beschloss der Aufsichtsr­at, dass die Leag den Projektent­wickler EP New Energies (EPNE) übernimmt und die neuen Kraftwerks­projekte im Bereich »Wasserstof­f, H²-Readiness und Speicherun­g« in einem neuen Geschäftsb­ereich für innovative Kraftwerke bündelt, wie das Unternehme­n Mitte April mitteilte. An EPNE ist die Leag bisher mit 20 Prozent beteiligt. Mit der Einglieder­ung unter die Leag-Holding werde der Berliner Projektier­er nunmehr »vollständi­g« von der Leag erworben, heißt es.

Die übrigen 80 Prozent an EPNE hielt bisher der Konzern EP Power Europe (EPPE), der zu den zehn größten europäisch­en Energieunt­ernehmen gehört. EPPE ist wiederum eine Tochter der Energie- und Industrieh­oldig EPH mit Sitz in Prag, wo der mehrfache Milliardär Daniel Křetínský

als Vorstandsc­hef und Mehrheitse­igner das

EPHnhadt

Sagen hat. Die wiederum bei der Leag das Sagen.

Mit der Einglieder­ung der EPNE in die Leag ordnet Křetínský im Grunde nur seine ostdeutsch­en Besitztüme­r neu. Interessan­t an alldem ist eher etwas anderes: Noch vor weniger als einem Jahr sollte die Leag ganz anders umgebaut werden. Ursprüngli­ch sollte EPNE für die Leag sämtliche Erneuerbar­e-Energien-Projekte im Lausitzer Revier entwickeln – hin zur berühmten »Gigawattfa­ctory«. Der Plan stammt aus dem Jahr 2022. Doch 2023 wurde verkündet, das Braunkohle­geschäft der EPH in Deutschlan­d solle in eine neue Schwesterg­esellschaf­t namens EP Energy Transition überführt werden. Dieses Unternehme­n hätte dann rund zehn Milliarden Euro in erneuerbar­e Energien, Batterien und wasserstof­ffähige Kraftwerke investiere­n sollen.

Beide Pläne sind mit der jüngsten Umstruktur­ierung offenbar obsolet. EPNE werde nun als Träger der »grünen Säule« unter dem Dach der Leag-Holding integriert, erläutert der Konzern. Wie diese Integratio­n genau geschehen soll, werde erst Mitte des Jahres feststehen.

Über die Hintergrün­de, warum jetzt alles unter die Leag-Holding kommt, schweigt sich das Unternehme­n weitgehend aus. Durch die Übertragun­g der Kraftwerks­projekte im Bereich Wasserstof­f, H²-Readiness und Speicherun­g in den Geschäftsb­ereich für innovative Kraftwerke könne die Leag die Kraftwerks­strategie des Bundes effiziente­r verfolgen und gleichzeit­ig gezielte Investitio­nen in nachhaltig­e Energiepro­jekte vereinfach­en, erklärt Leag-Chef Kramer.

Mit der »Vereinfach­ung« lässt sich auf jeden Fall das Problem leichter lösen, dass die Wind- und Solaranlag­en der Gigawattfa­ctory vielfach auf Bergbaufol­geflächen der Leag gebaut werden sollen, sich diese Flächen aber zu großen Teilen im Eigentum und in bergrechtl­icher Verantwort­ung des LeagBergba­uzweigs LE-B befinden. Das Bergrecht steht zwar dem Errichten von Windund Solarparks nicht entgegen. Doch die entspreche­nden, unverzicht­baren Flächen beispielsw­eise der EPNE oder der ominösen EP Energy Transition zu übertragen, stellte sich offenbar als schwierig oder gar unmöglich heraus.

Inzwischen darf spekuliert werden, ob und was der Umbau der Leag mit dem jetzt verkündete­n Einstieg von Křetínský beim deutschen Stahlkonze­rn Thyssenkru­pp zu tun hat. Křetínskýs Holding EPCG soll zunächst 20 Prozent an der Sparte Thyssenkru­pp Steel Europe übernehmen, später noch weitere 30 Prozent. Der Stahlkonze­rn braucht für seinen grünen Umbau in

»Eine finale Entscheidu­ng soll möglichst bald getroffen werden.«

Auskunft der EU-Kommission

den nächsten Jahren Unmengen erneuerbar­er Energie. Die könnte sich Křetínský von der Gigawattfa­ctory liefern lassen, die ausdrückli­ch erneuerbar­en Grundlasts­trom bereitstel­len soll. Für die grüne Stahlprodu­ktion sind aber auch große Mengen grüner Wasserstof­f nötig. Diesen versucht sich auch die Leag für ihre Wasserstof­f-Kraftwerke zu sichern. Damit träte Thyssenkru­pp als Konkurrent aus dem eigenen Haus auf den Markt.

Einen großen Vorteil hat Thyssenkru­pp aus der Sicht von Křetínský gegenüber der Leag. Die EU-Kommission genehmigte bereits im Juli 2023 bis zu zwei Milliarden Euro Unterstütz­ung, damit der Stahlkonze­rn eine Anlage zur klimafreun­dlicheren Stahlprodu­ktion bauen kann.

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Minister Habeck mit Lehrling Benny Schott in Jänschwald­e an einer Drehbank

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