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Strampeln für neue Verträge

Das deutsche Bora-Team bestimmt den Giro-Auftakt mit starken Leistungen und finanziell­en Neuigkeite­n

- TOM MUSTROPH, FOSSANO

Der Einstieg von Red Bull in den Radsport beflügelt schon jetzt die Fahrer des deutschen Bora-Teams. Die Kontrahent­en fürchten den neuen finanzkräf­tigen Sponsor nicht und hoffen stattdesse­n auf mehr Wettbewerb.

Der Profi-Radrennsta­ll Bora-hansgrohe ist mit zwei zweiten Plätzen in den Giro d’Italia gestartet. Das ist einer der besten Einstiege in eine Grand Tour in der Geschichte des Teams. Zuvor gelangen in der Anfangspha­se von Giro, Tour de France oder Vuelta a España eher Sprintsieg­e durch Peter Sagan, Sam Bennett oder Pascal Ackermann. Die zweiten Plätze jetzt wurden zunächst auf einem mittelschw­eren Tagesabsch­nitt in Turin von Maximilian Schachmann erreicht und am Folgetag bei der Bergankunf­t in Oropa von Daniel Felipe Martínez. Das ist ein Qualitätss­prung.

Zum Prädikat des besten Rennstalls der Welt reichte das zwar noch nicht. Das ist jedoch durchaus zum erklärten Ziel des Raublinger Rennstalls geworden, der mit dem Einstieg des Energy-Drink-Produzente­n Red Bull den Jahresetat von etwa 25 Millionen Euro auf gut 45 Millionen erhöhen kann. Maß aller Dinge ist aktuell noch das Team UAE Emirates mit dem GiroFavori­ten Tadej Pogačar in seinen Reihen. Der Slowene holte sich mit einem seiner gefürchtet­en Antritte bereits das rosa Trikot des Gesamtführ­enden.

Auch das Team Ineos, als Team Sky der Dominanz-Rennstall des vorherigen Jahrzehnts, zeigt sich derzeit noch erfolgreic­her. Das erste rosa Trikot dieser Giro-Ausgabe hatte sich Ineos-Profi Jhonatan Narváez geschnappt. Und im Gesamtklas­sement liegt sein Kapitän Geraint Thomas auf Rang

nzwdar zwei. Zeitgleich mit dem Anführer der Bora-Truppe Martínez, aber eben doch noch vor ihm. Diese beiden Spitzentea­ms verfügen jetzt schon über etwa 45 Millionen Euro jährlich.

Bemerkensw­ert ist, dass das Bora-Team die jüngsten Achtungser­folge beim diesjährig­en Giro gelangen, bevor überhaupt das große Geld vom neuen Mehrheitse­igner seine Wirkung entfalten konnte. Dementspre­chend gut gelaunt zeigen sich die Fahrer nun. »Unsere Leistungen geben uns als Mannschaft noch mal Selbstvert­rauen«, meinte Martínez. Bei seinem zweiten Etappenpla­tz hinter Pogačar bei der Auffahrt zum Santuario di Oropa profitiert­e er auch von starken Helferdien­sten des Debütanten Florian Lipowitz.

Die mannschaft­liche Stärke ist unbestritt­en. Auch Maximilian Schachmann war zufrieden. »Da sieht man, was man erreichen kann, wenn man gesund bleibt und einen ordentlich­en Formaufbau machen kann«, spielte der Berliner auf die vergangene­n anderthalb Jahre an, in denen ihn Verletzung­en immer wieder zurückgewo­rfen hatten.

Fürchtet die Konkurrenz jetzt, dass mit einem noch potenteren Sponsor im Rücken bald eine neue Übermacht in Oberbayern erwächst? Noch äußert keiner der wichtigste­n Rivalen große Sorgen. Eher überwiegt die Freude, dass ein weiterer Weltkonzer­n den Radsport entdeckt. »Nein, ich fürchte nichts. Es ist gut, dass so eine große Marke in den Radsport kommt«, meinte zum Beispiel der Niederländ­er Richard Plugge, Teamchef von Visma, gegenüber »nd«. »Sie werden viel Kompetenz auch aus anderen Sportarten einbringen, vor allem aus der Formel 1. Davon können alle profitiere­n. Und Konkurrenz ist immer gut in einem Wettkampfs­port.« Sein Rennstall gewann in der vergangene­n Saison alle drei großen Landesrund­fahrten in Italien, Frankreich und Spanien. Nach den Stürzen von Jonas Vingegaard und Wout van Aert sowie dem Abgang von Primož Roglič zu Bora ist man beim Giro allerdings ohne echten Kapitän am Start.

Auch beim aktuellen Branchenpr­imus UAE herrscht vor allem Vorfreude angesichts der breiter werdenden ökonomisch­en Basis fürs gesamte Feld. »Das Engagement von Red Bull zeigt, dass der Radsport global geworden ist. Ich denke, dass sie auch einen guten Return of Investment haben werden«, spielte UAE-Manager Mauro Gianetti auf die bekannt hohen Werbewerte des Radsports vor allem bei der Tour de France an.

Angst haben, dass ihre Kader nun vom deutschen Kontrahent­en leergekauf­t werden, müssen sie auch nicht. Das versichert jedenfalls Boras Teammanage­r Ralph Denk: »Wir werden das Geld jetzt nicht verschleud­ern und auf große Einkaufsto­ur gehen. Unser Ansatz ist vielmehr, die Infrastruk­tur zu verbessern und auf diese Art attraktiv zu werden. Das führt dann vielleicht sogar dazu, dass der eine oder andere Rennfahrer leicht unter Marktwert bei uns unterschre­ibt, weil er ein so gutes Umfeld erkennt, in dem er selbst besser werden kann.«

Ein Kaderumbau steht im Winter dennoch an. Von »einer guten Handvoll Neuzugänge« geht Denk aus. Spielraum hat er. Nur 12 von 29 Fahrern haben Verträge über das Jahresende hinaus. 17 müssen also um ihrre Plätze im Team bangen. Und manche fangen angesichts des höheren Etats über ihre Agenten offenbar auch das Zocken um höhere Gehälter an. »Solche Anfragen gab es schon«, bestätigte Denk. »Aber da werden wir kategorisc­h sagen: »Nein«, kündigte er im nd-Gespräch an. Das Geld solle ja vor allem in Strukturen fließen und nicht übermäßig in höhere Gehälter.

»Wir werden das Geld nicht verschleud­ern und auf große Einkaufsto­ur gehen. Wir werden die Infrastruk­tur verbessern und auf diese Art attraktiv.«

Ralph Denk Teammanage­r von Bora

 ?? ?? Bora-Grün in vorderster Front Auf der 2. Giro-Etappe wurden Daniel Martinez (M.) und Thomas Lipowitz (l.) Zweiter und Fünfter.
Bora-Grün in vorderster Front Auf der 2. Giro-Etappe wurden Daniel Martinez (M.) und Thomas Lipowitz (l.) Zweiter und Fünfter.

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