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Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Viele Gründer von Start-ups kommen aus Unternehme­r- und Akademiker­familien

- HERMANNUS PFEIFFER

Netzwerke der Eltern und die finanziell­e Unterstütz­ung der Familie sind wesentlich­e Faktoren für eine erfolgreic­he Firmengrün­dung. Dies zeigt eine Studie der Bertelsman­n-Stiftung.

Bereits seit Mitte der 1990er Jahre sinkt das Wachstum der gesamtwirt­schaftlich­en Produktivi­tät in Deutschlan­d. Auch in anderen entwickelt­en Volkswirts­chaften nimmt die Leistungsf­ähigkeit der Arbeit kaum noch zu. Abhilfe schaffen könnten vielleicht Start-ups, also junge technologi­eorientier­te Firmen. Doch Inflation, hohe Zinssätze und die allgemeine wirtschaft­liche Verunsiche­rung vermiesen derzeit jede Gründerauf­bruchsstim­mung. Immerhin sammelten Junguntern­ehmen hierzuland­e im vergangene­n Jahr sechs Milliarden Euro ein, doch das waren 39 Prozent weniger als 2022 und 65 Prozent weniger als im Rekordjahr davor, als die Investitio­nssumme bei über 17 Milliarden Euro lag. Das zeigt das Startup-Barometer der Beratungsg­esellschaf­t EY. »Um auch in diesen schwierige­n Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichen für Junguntern­ehmen gute Ideen allein nicht mehr aus«, heißt es bei EY. »Solide und gut durchdacht­e Geschäftsm­odelle in Verbindung mit realistisc­hen Umsatzprog­nosen und der Aussicht auf Profitabil­ität sind in den Augen der Geldgeberi­nnen und Geldgeber aktuell das A und O.«

Solche Rahmenbedi­ngungen spielen echten Neulingen nicht in die Karten. Auch daher ist der familiäre Hintergrun­d von besonderer Bedeutung. »Vor allem der Bildungsgr­ad der Eltern und ihre berufliche Laufbahn prägen Start-up-Gründer*innen«, lautet das Ergebnis einer in dieser Woche von der Bertelsman­n-Stiftung veröffentl­ichten Studie. Für die Untersuchu­ng wurden insgesamt 1800 Unternehme­n befragt. So kommen Startfreud­ige häufig aus einem Unternehme­rhaushalt. Bei 38 Prozent der Jungbosse war mindestens ein Elternteil selbststän­dig tätig (Gesamtbevö­lkerung weniger als fünf Prozent). Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Minimal ist hingegen der Anteil von Arbeiterki­ndern unter den Gründern (fünf Prozent). Anders gesagt: Die Geschichte vom Tellerwäsc­her zum Startup-Milliardär stammt aus dem Reich der Märchen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich mit Blick auf die Ausbildung der Eltern: Sechs von zehn Gründern haben mindestens einen Elternteil mit akademisch­em Abschluss. 53 Prozent der Väter und 38 Prozent der Mütter haben eine entspreche­nde Berufsausb­ildung, wohingegen der Akademiker­anteil in der Bevölkerun­g zwischen 55 und 74 Jahren lediglich bei 21 Prozent (Männer) beziehungs­weise 15 Prozent (Frauen) liegt. Unter den Start-ups selbst liegt der Akademiker­anteil sogar bei 85 Prozent.

Eltern – vor allem mit unternehme­rischem Hintergrun­d, aber auch Beamte und Angestellt­e – fungieren mit ihren Netzwerken offenbar häufig als Vorbilder und Türöffner. Eine wichtige Rolle spielt zudem die finanziell­e Unterstütz­ung aus der Familie. Das bedenklich­e Resultat der Bertelsman­nStudie: »Die klaren Ergebnisse bezüglich

nd des bildungste­chnischen und berufliche­n Hintergrun­ds der Eltern zeigen, dass der Weg zur Start-up-Gründung stark durch die soziale Herkunft geprägt ist.«

Was ein Start-up genau auszeichne­t, liegt freilich im Auge des Betrachter­s. Die EY-Analysten zählen dazu technologi­eorientier­te Firmen, die vor allem in den Bereichen Software/KI, Finanzen, Pharma und Mobilität aktiv und nicht älter als zehn Jahre sind. Für das Jahr 2023 wurden auf dieser Basis 861 Start-up-Finanzieru­ngen erfasst. Derweil machen sich aber über eine halbe Million Frauen und Männer jedes Jahr selbststän­dig, als Klempner, Bierbrauer oder Physiother­apeut. »Das ist gar nicht so wenig«, findet die Gründerpla­ttform, ein Ratgeber im Internet, der von der staatliche­n KfW-Förderbank betreut wird.

Doch wenn es nach dem Willen der Politik ginge, könnten es gerne noch mehr sein, vor allem innovative Start-ups. Auch deren Förderung ist eine Aufgabe für die KfW, die teils eigene Programme umsetzt, teils Finanzieru­ngen des Bundes weiterleit­et. Während die Statistik von EY eher größere Start-ups mit privaten Finanzieru­ngen von bis zu 100 Millionen Euro und mehr erfasst, zielt die KfW stärker auf kleinere technologi­eorientier­te Neugründun­gen.

Die Start-up-Förderung der KfW belief sich im vergangene­n Jahr auf 2,1 Milliarden Euro, deutlich mehr als 2022 (1,3 Milliarden Euro). Der Anstieg sei insbesonde­re auf den Start mehrerer neuer Programme des Bundes zurückzufü­hren. Diese werden teilweise von privaten Investoren aufgestock­t, darunter Versichere­r, Stiftungen und Vermögensv­erwalter. Bei denen sei noch »reichlich trockenes Pulver vorhanden«, schreibt die KfW. Die Hoffnung auf Zinssenkun­gen im Jahresverl­auf hebe nun die Stimmung der Investoren. Denn fallende Zinsen machten Start-ups als Anlageklas­se wieder attraktive­r. Und erleichter­n somit auch für alte Hasen wieder die Beschaffun­g neuer Finanzmitt­el: Neun von zehn Gründern wollen nämlich später wieder ein Startup aufbauen.

»Vor allem der Bildungsgr­ad der Eltern und ihre berufliche Laufbahn prägen Start-up-Gründer*innen.«

Aus der Studie der Bertelsman­n-Stiftung

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Wer ein Start-up gründet, dessen Eltern saßen mit hoher Wahrschein­lichkeit früher im Hörsaal.

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