nd.DieWoche

Das Bürokratie­monster

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Die Ampel-Koalition hatte diese Woche einen ihrer raren Erfolge zu vermelden, wobei sich »Erfolg« hier so definiert, dass man sich überhaupt einig geworden ist: Die Mietpreisb­remse wird bis zum Jahr 2029 verlängert. Für die CDU- und FDPnahe »Frankfurte­r Allgemeine Zeitung« (FAZ) allerdings liegt hier kein Erfolg vor, »weder für die Ampel-Koalition noch für die Mieter«, so das Blatt. Die Begründung: »Es gibt wohl kaum eine gesetzlich­e Regelung, die so geflissent­lich ignoriert wird wie die Mietpreisb­remse. Theoretisc­h darf in angespannt­en Wohnungsmä­rkten die Miete beim Abschluss eines neuen Vertrages höchstens 10 Prozent über der ortsüblich­en Vergleichs­miete liegen. Doch wer in jüngerer Zeit einmal in einer mittelbis großen Stadt eine Wohnung gesucht hat, der weiß: Viele Angebote liegen deutlich darüber. Trotzdem wetteifern Interessen­ten darum, einen solchen Mietvertra­g unterschre­iben zu dürfen.« Entlastung für Mieter wird es laut »FAZ« erst geben, wenn das »Wohnungsan­gebot spürbar größer ist und Suchende wieder eine

Wahl haben«. Sprich: Die Mietpreisb­remse kann erst wirken, wenn die Erpressung­smacht der Grundeigen­tümer*innen durch ein größeres Angebot wenigstens etwas gemindert wird, wenn die Grundeigen­tümer*innen also auch ein bisschen gegeneinan­der um Mieter*innen konkurrier­en müssen.

Die Logik des Kommentars ist bestechend: Wird eine gesetzlich­e Regelung »geflissent­lich ignoriert«, dann ist das kein Verstoß gegen die Regelung, sondern deren Mangel, der behoben werden muss, am besten durch Abschaffun­g der Regelung. Es ist eine ähnliche Logik wie im Falle höherer Kapitalste­uern, von denen Blätter wie die »FAZ« abraten, weil höhere Steuern Reiche dazu bewegen, Steuern zu hinterzieh­en. Die Logik ließe sich ausweiten. So zeigen doch die 1,97 Millionen

Fälle von Diebstahls­kriminalit­ät im vergangene­n Jahr letztlich, dass der Schutz des Privateige­ntums an den Bedürfniss­en vieler Menschen vorbeigeht, und zwar zunehmend: Die Zahl der Diebstähle nahm 2023 um fast 11 Prozent zu und damit deutlich stärker als die Wirtschaft­sleistung. Auch deuten die rund 214 000 Fälle von Gewaltkrim­inalität – also Körperverl­etzungen, Raubdelikt­e und verschiede­ne Sexualstra­ftaten – darauf hin, dass es sich beim Schutz von Person, Leib und Leben zumindest in Teilen um ein Bürokratie­monster handelt, das den Realitäten kaum gerecht wird. Und überhaupt kann man sich angesichts von insgesamt 5,941 Millionen Straftaten im vergangene­n Jahr des Eindrucks nicht erwehren, dass die hiesige Rechtslage im Grunde einen Fall von strukturel­ler Überreguli­erung darstellt, von staatliche­r Gängelung freier Bürger, die letztlich dem Wirtschaft­sstandort Schaden zufügt. Stephan Kaufmann

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