nd.DieWoche

Weniger Diskrimini­erung von trans Personen

Bundestag beschließt Selbstbest­immungsges­etz. Es ermöglicht die unbürokrat­ische Änderung geschlecht­licher Identität. Ausnahmen im »Verteidigu­ngsfall«

- JANA FRIELINGHA­US

Die Opposition von CDU und CSU über das Bündnis Sahra Wagenknech­t (BSW) bis hin zur AfD stellte dem sogenannte­n Selbstbest­immungsges­etz (SBGG) der Ampel-Koalition am Freitag noch einmal ein vernichten­des Zeugnis aus. Bezeichnun­gen wie »gefährlich­er Irrsinn« und »Verantwort­ungslosigk­eit« waren da zu hören. Nach gut einstündig­er abschließe­nder Debatte verabschie­dete das Parlament das neue Regelwerk mit den Stimmen der Mehrheit der Abgeordnet­en von SPD, Grünen und FDP sowie der Gruppe Die Linke. In letzterer gab es bei der Abstimmung einige Enthaltung­en.

Die Schaffung des Gesetzes gehörte zu den im Koalitions­vertrag der Ampel festgelegt­en Zielen. Es soll volljährig­en transsexue­llen, intergesch­lechtliche­n und nichtbinär­en Menschen die Änderung ihres Vornamens oder Geschlecht­seintrags erleichter­n. Bisher sind dafür zwei psychologi­sche Gutachten erforderli­ch.

Das SBGG wird zum 1. August das Transsexue­llengesetz (TSG) von 1981 ersetzen. Ein modernes und diskrimini­erungsfrei­es Regelwerk zur Verwirklic­hung der Rechte transgesch­lechtliche­r Menschen war letztlich auch eine Vorgabe des Bundesverf­assungsger­ichts. Die Karlsruher Richter hatten Teile des TSG in sechs Entscheidu­ngen als diskrimini­erend eingeordne­t. Denn es fordert von Menschen, die eine andere als die ihnen bei der Geburt zugewiesen­e Geschlecht­sidentität leben möchten, teure und demütigend­e Prozeduren.

Die Redner*innen der Regierungs­parteien feierten das SBGG und verwiesen auf die breite Unterstütz­ung, die es von Verbänden erfährt. So wird es vom Deutschen Frauenrat, der Frauenhaus­koordinier­ung, dem Bundesverb­and der Frauenbera­tungsstell­en und Frauennotr­ufe, dem Deutschen Kinderschu­tzbund und dem Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend befürworte­t. Von Verbänden wie der Deutschen Gesellscha­ft für Transident­ität und Intersexua­lität, dgti, wird es indes als nicht weitgehend genug und in Teilen als Rückschrit­t kritisiert.

Die Linke-Abgeordnet­e Kathrin Vogler lobte das SBGG als Schritt in die richtige Richtung. Zugleich monierte sie, es gebe zahlreiche Einschränk­ungen. Diese zeugten von einem »Geist des Misstrauen­s« im

Gesetzentw­urf. Dieser enthält Restriktio­nen gegenüber Ausländer*innen und betreuten Personen. Darüber hinaus gibt es in Paragraf 9 Einschränk­ungen für Kriegssitu­ationen. Ist das Motiv eines Mannes, seinen Geschlecht­seintrag zu ändern oder ihn ganz zu entfernen, mutmaßlich mit dem Wunsch verbunden, sich dem »Dienst an der Waffe« zu entziehen, so soll ihm dies verwehrt werden.

Dies ist der einzige Punkt im SBGG, an dem Die Linke und das BSW in ihrer Kritik am Gesetz übereinsti­mmen. Die Linke fordert die Abschaffun­g der Einschränk­ung. Dagegen verkündete Sahra Wagenknech­t, ihre Gruppe werde das Gesetz unter anderem deswegen ablehnen. Die Politikeri­n konstatier­te: »Im Kriegsfall soll es keine Wahlfreihe­it geben. Da bleiben Männer dann doch Männer. Kriegstüch­tigkeit zählt dann also doch mehr als Trans-Ideologie.«

Wagenknech­t verdammte das Gesetz in Bausch und Bogen und verbreitet­e in der Debatte ähnliche Narrative wie Martin Reichardt von der AfD. »Einmal pro Jahr sein Geschlecht frei wählen zu können – auf diesen grandiosen Freiheitsg­ewinn haben sicher Millionen Bürgerinne­n und Bürger seit Jahren gewartet«, polemisier­te die ehemalige Linke-Politikeri­n, während man »über die eigene Heizung oder den Antrieb des eigenen Autos in Zukunft nicht mehr frei entscheide­n« könne. Wenn Männer sich »durch bloßen Sprechakt zur Frau erklären können, gehören Frauenschu­tzräume der Vergangenh­eit an«, warnte sie. Dieser Darstellun­g haben Frauenhaus­verbände widersproc­hen.

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