nd.DieWoche

Mettbrötch­en entlarvt

Mario Voigt präsentier­t sich im TV-Duell mit Björn Höcke als seriöserer Rechter

- SEBASTIAN WEIERMANN

Vier Monate und 21 Tage waren es am Donnerstag noch bis zur Landtagswa­hl in Thüringen. Nicht der typische Zeitpunkt für ein TVDuell zu dieser Wahl. Aber auch der Rest der Show, die der SpringerSe­nder Welt TV am Donnerstag­abend veranstalt­et hat, war untypisch. Allein wie das Duell zwischen den Spitzenkan­didaten Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) eingerahmt wurde, ist beachtlich. Kurz vor Beginn ein Interview mit dem ehemaligen Schüler von Höcke, André Alexander Kiefer, der ein Buch über seine Schulzeit geschriebe­n hat. Die unverfängl­iche Leitfrage des Interviews: »Wie war er denn so?« Nach dem Duell eine Expertenru­nde, die Haltungsno­ten vergeben durfte, und eine Schalte ins Fanlager. Immerhin nur zum CDU-Nachwuchs.

Insgesamt erinnerte das alles an eine Sportübert­ragung von herausrage­nder Bedeutung. Dazu passt auch, dass die geplante Sendezeit maßlos überschrit­ten wurde. Was wäre ein Finale schließlic­h ohne Verlängeru­ng und Elfmetersc­hießen?

Immerhin: Den entscheide­nden Elfmeter von Höcke pariert Voigt. Auf die Einladung, gemeinsam für eine »patriotisc­he Wende« in Thüringen zu sorgen, entgegnet Voigt: »Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratis­ch, Sie sind autoritär. Bei der AfD gilt:

Egal, was draufsteht, es ist immer Höcke drin. Und deswegen will ich nicht mit Ihnen zusammenar­beiten.« Sätze am Ende eines TV-Duells, in dem der Christdemo­krat sich vor allem als den besseren und seriöseren Rechten präsentier­t hat.

Die Argumentat­ionslinie von Voigt war schnell zu erkennen. Seine Botschaft: Wir machen, während die AfD nur redet. Voigt lobte Thüringer Landräte, die Bezahlkart­en und Arbeitspfl­icht für Geflüchtet­e eingeführt haben, und warf Höcke vor, dass der Sonneberge­r AfD-Landrat Robert Sesselmann noch nichts getan habe. Die CDU biete Lösungen, die AfD nur Parolen. Mindestens rassistisc­he Stimmungsm­ache bot aber Voigt selbst. So berichtete er, dass in seinem Wahlkreis KitaPlätze »für Ausländer reserviert« und deutsche Familien sie nicht bekommen würden. Perfekte Stichwörte­r für den Faschisten Höcke, der erklärte, dass man deutsche Familien doch viel besser fördern könne, wenn man weniger Geld für Geflüchtet­e ausgebe.

Beim Thema Antisemiti­smus stand Höcke sogar nickend neben Voigt. Der CDU-Politiker sah den Antisemiti­smus nämlich vor allem bei Migrant*innen und forderte, wer »antisemiti­sch unterwegs« sei, sollte kein »Aufenthalt­srecht mehr hier haben«. Höcke fand das gut und nutzte die Gelegenhei­t, um sich über muslimisch­en Antisemiti­smus auszulasse­n. Deutsche Neonazis – ein marginales Problem.

Ansonsten versuchte Mario Voigt, sich von Björn Höcke abzusetzen, indem er daran erinnerte, dass der AfD-Mann ja gar kein richtiger Thüringer sei. Höcke stammt aus Nordrhein-Westfalen und hat lange in Hessen gelebt. Voigt wollte zeigen, dass er der echte Thüringer ist. Als Höcke, um die EUBürokrat­ie zu kritisiere­n, ausführte, dass ein Eisenacher Metzger, der Mettbrötch­en ins Opel-Werk liefert, eine Antikorrup­tionserklä­rung unterschre­iben müsse, fiel ihm Voigt ins Wort: »In Thüringen heißt das Gehacktes, wenn Sie sich in der Heimat auskennen würden.« Ein kurzer Streit darüber, ob Höcke auch Gehacktesb­rötchen gesagt habe und er sich mit der Thüringer Mundart auskenne, entbrannte. In den sozialen Medien feierte die CDU den Punktsieg in Sachen Heimatkund­e. Höcke wurde beim Mettbrötch­en entzaubert.

Was bleibt sonst vom TV-Duell? Die Erkenntnis, dass Mario Voigt keine Koalition anstrebt, nicht mehr und auch nicht weniger. Und das Wissen, dass auch Voigt für eine rassistisc­he und ausgrenzen­de Politik steht. Leistungen für Bürgergeld­empfänger*innen,

die nicht arbeiten wollen, will er streichen. Er sagt Sätze wie: »Leistung muss sich lohnen.« Höcke witzelt darüber, das seien Phrasen und »Konrad-Adenauer-StiftungsS­ound«. Der AfD-Politiker macht immer mal wieder klar, dass er das Duell im Mainstream-TV nicht ganz ernst nimmt und sich nicht fair behandelt fühlt.

Im Anschluss triumphier­t die AfD trotzdem, CDU und Welt TV haben sie geadelt und zum Gesprächsp­artner auf Augenhöhe erklärt. Das Netz fluten die Rechtsextr­emen schon während der Übertragun­g mit Clips, in denen Höcke besonders scharf, klug oder witzig rüberkommt und seinen Kontrahent­en schlecht aussehen lässt. Dass Höcke auf Fragen nach der von ihm benutzten SA-Losung »Alles für Deutschlan­d« oder dazu, wer in Deutschlan­d leben darf, nur drumherum redet, dürfte in der AfD niemanden stören. Gefallen hat seinen Fans sicher, dass er auf die Bemerkung des Moderators, dass andere Länder nicht sechs Millionen Juden ermordet haben, entgegnen konnte: »Da müssen wir uns jetzt doch nicht in historisch­en Details verlieren.« Eine Aussage, die unkommenti­ert blieb.

Nach dem Duell feiern sich alle als Sieger. Für Mario Voigt dürfte das zentrale Ziel geglückt sein: Er hat sich bundesweit bekannt gemacht und als den Konkurrent­en von Björn Höcke präsentier­t. Bei Springer dürfte man ebenso zufrieden sein, man hat ein Event kreiert, das bundesweit diskutiert wird. Mit weiteren Shows ist also zu rechnen.

Insgesamt erinnerte das alles an eine Sportübert­ragung von herausrage­nder Bedeutung.

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Super-Mario Voigt ist der echtere Thüringer: Beim politische­n Aschermitt­woch in Suhl

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