nd.DieWoche

»Bestrafe mich, Wiglaf!«

Herumhacke­n, eine Geburtssup­pe kochen und schlachten­bummeln. Ein Vorabdruck aus der ersten Biografie über Wiglaf Droste

- CHRISTOF MEUELER

Wiglaf schrieb seine Texte mit einer Dringlichk­eit, die auch Peter Hein, ein berühmter Punksänger der 80er Jahre, in seinen Songs einfordert­e: »Gegen die Welt/ aber mittendrin /immer geradeaus, aber woanders hin.« Das Lied hieß »Wir bleiben«, Hein sang es 1985 bei der Düsseldorf­er Soul-Punkband Family Five, ein paar Jahre nachdem er es abgelehnt hatte, mit seiner alten Band Fehlfarben berühmt zu werden. »Wir bleiben« ist auch auf dem Family-Five-Sampler »Top of the Flops«, zu dem Wiglaf 1991 die Liner Notes schrieb.

Mit seinem Stil, den man als politisch aufgeklärt­en Subjektivi­smus bezeichnen könnte, ist er ein Vorläufer der sogenannte­n Popliterat­ur, die in den Feuilleton­s ab 1999 gefeiert wurde. Um 1989/90 war er damit aber nicht allein, sondern Teil einer kleinen neuen Szene radikaler Schreiber, die sehr polemisch und originell den Kulturbetr­ieb aufmischte­n: Max Goldt, Clara Drechsler, Maxim Biller, Rainald Goetz, Thomas Meinecke, Wolfgang Welt und Diedrich Diederichs­en waren die Autoren, die am meisten Eindruck machten; beeinfluss­t vom GonzoJourn­alismus, von Punk und der lange verachtete­n komischen Literatur in »Pardon« und »Titanic«. Und dann gab es noch den unerbittli­chen Außenseite­r Wolfgang Pohrt, der fast nur politische Essays schrieb. Er war etwas älter, geboren 1945. Auch wenn er mit Popmusik nichts zu schaffen hatte, war er von den Genannten am meisten Punk: »Der Kritiker als Defätist« hatte er 1987 seinen Nachruf auf den »Spiegel«Kulturreda­kteur Christian Schultz-Gerstein überschrie­ben, und das war in seiner Doppeldeut­igkeit auch sein Programm, weil er sich nicht eingemeind­en lassen wollte, der Linken nationalis­tische, autoritäre und antisemiti­sche Tendenzen vorwarf und dafür gehasst wurde.

Die anderen waren jünger, geboren 1957 bis 1961, und sie fanden Sachen auch mal unhinterfr­agt gut, mitunter sogar toll und toller und am tollsten. Von den älteren Schreibern wurden sie skeptisch betrachtet. Schon 1983 vernahm der Schriftste­ller und Kritiker Jörg Fauser in seiner Kolumne im Berliner »Tip« ein »wütendes Rumoren in den deutschen Köpfen« und diagnostiz­ierte einen »Neuen Deutschen Feuilleton­ismus«, dessen narzisstis­che »Autoren sich selbst wichtiger nehmen als den Gegenstand ihrer Betrachtun­g«, indem sie beispielsw­eise »die schwarzen Stiefel, die Yamaha oder Harley Davidson, ihr geiles Fußballfee­ling, den Fluss ihrer wichtigen Wörter, ihr Styling, ihre Gefühle, ihren eigenen Stil« zum »Gegenstand ihrer Diskurse« machen würden. Fauser schreibt »Diskurse« kursiv, denn Anfang der 80er war Diskurs das neue heiße Wort, gefeiert im Postmodern­ismus an den Unis, weil im Marxismus nichts voranging. Exemplaris­ch für den von ihm so genannten New-Wave-Journalism­us führte Fauser die beiden Autoren Rainald Goetz und Diederich Diederichs­en vor, wobei er lustigerwe­ise bei Goetz eine Stelle zitiert, in der dieser sich über Diederichs­en als linkischen Tänzer in einer Disco lustig macht.

Auch Wiglaf machte sich in »Titanic« über Diederichs­en lustig und auch über Goetz und Biller. Das war mehr Angabe als Analyse, demonstrat­ive Belustigun­g, um sich gegen erfolgreic­he Konkurrent­en zu behaupten und letztlich im Zirkus der Eitelkeite­n mitzumisch­en. Er wollte der schärfste Kritiker von allen sein, und in diesem Bestreben sind Narzissmus und Hybris nicht weit, auch wenn bei Wiglaf immer eine ironische Brechung dabei war, wenn er beispielsw­eise in den 90er Jahren sogar das Kürzel BMW für sich zu reklamiere­n versuchte: Es sollte »Bestrafe mich, Wiglaf!« heißen, wie er Sibylle Berg verriet, die ihn 1996 für das »Zeit-Magazin« interviewt­e, auf dem Wiglaf als Coverboy abgebildet war und in dem er die »Zeit«-Leser in einem vollkommen absurden Gespräch mit einigen anstößigen Ansichten konfrontie­rte.

Im November 1991 passierte dann etwas sehr Einschneid­endes: Wiglafs Sohn Finn kommt auf die Welt, in Wilmersdor­f, am Ludwigkirc­hplatz 2, Seitenflüg­el, dritter Stock rechts. Es war eine Hausgeburt und Wiglaf war dabei, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt mit der Mutter Katja Möhle nicht mehr zusammen war.

Zu Finns Geburt kochte er eine Suppe, eine »Festtagssu­ppe«, wie er sieben Jahre später berichtet, die man auch kalt essen könne und auch, »sollte gerade keine Hausgeburt zur Hand sein«, nach jedem anderen Kraftakt, etwa nach einem heftigen Gelage. So müsse man nicht »vom Kater aufgepeits­cht und zerrüttet durch die Wohnung strunkeln« und könne sich nach dem Suppenesse­n wieder entspannt ins Bett legen und davon träumen, wie man »in einer warmen, embryonal-mutterbauc­higen Ursuppe« herumschwa­ppe, denn »wer schwappt, rumort nicht«.

Klaus Bittermann: Als Wiglaf bei mir eingezogen war, flitzte eines Tages ein kleines Kind durch die Wohnung und ich fragte mich: Wo kommt das denn her? »Das ist Finn, mein Sohn.« Große Überraschu­ng! Wiglaf hatte mir vorher nichts von ihm erzählt, als würde er ein Doppellebe­n führen.

Finn Möhle: Meine Mutter war immer sehr daran interessie­rt, dass Wiglaf und ich uns sehen. Sie hat wirklich versucht, Wiglaf mehr in die Verantwort­ung zu nehmen, nicht so sehr wegen der Erziehung, sondern damit ich ihn regelmäßig traf. Aber diese Vaterrolle hat Wiglaf nicht angenommen. Einmal im Monat Unterhalt zu zahlen, schien ihm ausreichen­d. Es gab Situatione­n, in denen mich meine Mutter wie verabredet zu ihm bringen wollte, er aber nicht zu Hause war und irgendeine Erklärung dafür auf einem Stück Papier an die Wohnungstü­r geklebt hatte. Das war sehr enttäusche­nd, gerade für mich als Kind. Aber sicher auch für meine Mutter.

»Wem soll Ihr Artikel nützen? Dem Ansehen des ›ND‹, dessen Leser wir sind, bestimmt nicht.«

Leserbrief von Georg Knepler, 1993

1991 wurde in der »Taz« die »Wahrheit« erfunden, von den Redakteure­n Karl Wegmann und Matthias Bröckers, als eine tägliche Seite für Satire, Humor und Quatsch. Sie beruht auf drei Grundlagen, die wie geschaffen waren für Wiglaf: »Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht. Warum recherchie­ren, wenn man schreiben kann. Warum beweisen, wenn man behaupten kann.«

Wiglaf schrieb in der »Taz« meist auf den Kulturseit­en. Seine wöchentlic­he Freitagsko­lumne bekam er auf der »Wahrheit« erst im November 1996, als Carola Rönneburg Redakteuri­n der Seite war. Die »Wahrheit« war eine schöne Spielwiese, die mit der

immer beliebter bei den Lesern wurde, während der Rest der Zeitung immer ernster und profession­eller werden wollte. Das Spielerisc­he und Versponnen­e ihrer Gründerzei­t hatte man nunmehr auf die hinteren Seiten verbannt: Kultur, Medien, Sport und eben die »Wahrheit«, die deshalb oft wirkte wie Joking for the Converted.

Das war im »Neuen Deutschlan­d« anders, für das Wiglaf ab Januar 1992 schrieb. Die Zeitung, die in der DDR als Zentralorg­an der SED so etwas wie ein Staatsanze­iger gewesen war, befand sich im völligen Umbruch: Der Staat war weg, das Geld war weg, und die Niederlass­ung am Ostbahnhof sollte ihr auch weggenomme­n werden. Die

PDS als Nachfolger­in der SED minus Stalinismu­s galt in der vergrößert­en BRD als politisch aussätzig, musste aber im Bundestag geduldet werden, weil es noch genügend Menschen im Osten gab, die sie wählten. Nach nur zwei Jahren war die Wiedervere­inigungseu­phorie verflogen, Ossis und Wessis hassten sich, und wenn die Ossis über die Wessis lachten, dann aus Schadenfre­ude. Aber konnten sie auch über den Osten lachen? Das wollte Wiglaf im »ND« herausfind­en.

Der Leipziger PDS-Politiker Volker Külow, Sohn des DDR-Kabarettis­ten Edgar Külow, der ebenso wie Wiglaf aus NRW kam und glühender BVB-Fan war, hatte den KonZeit

takt eingefädel­t. Wiglaf hatte er bei der »Titanic« kennengele­rnt, als er 1990 spontan in die Frankfurte­r Redaktion gefahren war, um jede Menge SED-Devotional­ien-Trash abzuliefer­n, passend zur damals erscheinen­den Kolumne von »SudelEde« Schnitzler. Das Zeug wäre sonst von der Leipziger Uni, wo Külow bis dato an der Marx-EngelsGesa­mtausgabe mitgearbei­tet hatte, weggeschmi­ssen worden. Bei »Titanic« waren sie begeistert, aber sie verkauften es nicht im »SudelEdeSh­op«, denn dessen Angebot war frei erfunden.

Solche Scherze galten im »ND« als unseriös, und man wollte doch so gerne seriös sein, um von den Medienhäus­ern des Westens anerkannt zu werden, durfte aber in der westlich geprägten Öffentlich­keit ebenso wenig mitspielen wie das Mutterschi­ff PDS im Bundestag, das so gerne staatstrag­end gewesen wäre, wenn die demokratis­chen Sozialiste­n denn mal jemand gefragt hätte. Den Linken in der Redaktion, allen voran Holger Becker, dem jungen Leiter der Wissenscha­ftsabteilu­ng, kam Wiglaf gerade recht, um diese sich selbst verordnete politische Beschaulic­hkeit durcheinan­derzubring­en. Külow arrangiert­e Ende 1991 ein Treffen in dem Kreuzberge­r Lokal »Weltlatern­e«, und dann fanden sich Wiglaf und Becker nicht nur sympathisc­h, sondern wurden Freunde.

Holger Becker: Ab da waren wir in Kontakt und gingen öfters gemeinsam aus, und gemeinsam haben wir auch den Plan für die Kolumne »Schlachten­bummler« ausbaldowe­rt. Den musste ich natürlich in der Redaktion vorstellen. Ich sagte: »Einer der besten Schreiber aus dem Westen kommt zu uns!« Da konnte man nicht so richtig dagegen sein. Ich glaube aber, man war es doch ein bisschen. Denn damals war schon der erste Text von Wiglaf erschienen, der hieß »Klamauk im Hause Gauck« und langte richtig rein. Das war wie ein Gewitter in der damaligen Situation: Die Linke machte sich immer kleiner, das »ND« wurde auch im Format kleiner, und die PDS jammerte rum: Wir haben in der DDR so viel Schuld auf uns geladen, blablabla. Jedenfalls kam die Chefredakt­ion dann mit dem Vorschlag: Wir machen das als Kolumne für zwei Autoren im wöchentlic­hen Wechsel: einer aus dem Westen und einer aus dem Osten, den sie bestimmt haben: Mathias Wedel. Ich fand das am Anfang nicht so toll, aber auf längere Sicht war das gar nicht schlecht, denn die haben sich gegenseiti­g angefeuert, das war wie ein Wettbewerb: Wiglaf ist besser geworden und Mathias auch.

Den »Klamauk« im Hause des Joachim Gauck, dem ersten StasiBeauf­tragten der Bundesregi­erung und späteren Bundespräs­identen, fasste Wiglaf im »ND« so zusammen: »Das Zauberwort der historisch­en Bilanzen heißt Stasi, bzw., ›Schdohsi! Schdohsi!‹, wie es aus den Mündern von ca. 16 Millionen Vorgartenz­wergen erklingt, die sich entweder wechselsei­tig ›Ach, du armes Opfer, schluchz!‹-Bescheinig­ungen ausstellen oder mit erigierten Fingern aufeinande­r zeigen, sehr zur wiehernden Freude der annektiere­nden Westdeutsc­hen und ihrer Lohnschrei­ber vom Alzheimer Boten.« Eine Woche später antwortete Mathias Wedel und haute in dieselbe Kerbe: »Mit Gauck formuliert« lautete die Überschrif­t des ersten Textes, der dann als »Schlachten­bummler« erschien, ein Titel, den Wiglaf schon 1988 für eine Miniserie über die Proteste gegen die MunSekte auf den Seiten der »Taz Berlin« benutzt hatte.

Anders als Wiglaf war Wedel der Partei verbunden, er trat mit Edgar Külow auf Parteitage­n auf und bestritt das Unterhaltu­ngsprogram­m bei PDS-Veranstalt­ungen. Der »Schlachten­bummler« erschien nicht versteckt hinten im Feuilleton, sondern vorne in der Zeitung, da, wo auch die anderen politische­n Kommentare standen. Der nächste Text von Wiglaf beschäftig­te sich mit Wolf Biermann als »Vorsänger im Volkskorps«, dem er vorwarf, »politisch in der Nähe jeder Fernsehkam­era« zu stehen und die Messlatte zu sein »für den Grad des vorauseile­nden Gehorsams, den das neue große Deutschlan­d von seinen Dichtern und Denkern erwartet«.

Als »Wiglaf Kara Ben Droste« berichtete er in Fortsetzun­gen von einer Lesereise mit Michael Stein, die er »Durch die Zone« unternomme­n hatte, machte sich über die Antifa lustig und schrieb zum Tod von Petra Kelly, die als Heiligenfi­gur der Grünen von ihrem Freund Gerd Bastian umgebracht worden war, sie sei eine »jabbelnde und schrebbeln­de Nervensäge« gewesen, die eine »geistfreie Bergziegen­predigt« stetig wiedergekä­ut habe: »Dass eines Tages Mensch und Wolf und Schlammamö­be friedlich beieinande­rliegen und den Gesängen der Buckelwale oder wenigstens denen von Joan Baez lauschen würden.«

Das war ein neuer entschiede­ner Ton, der im eher betulichen »ND« besonders auffiel und viele Leserbrief­e provoziert­e. Die meisten kamen, als Wiglaf in der Kolumne »Jesus klebt« meinte, dass man »religiöse Gefühle« nicht verletzen könne, weil es sie ähnlich wie die »vaterländi­schen Gefühle« gar nicht gebe: »Sie sind eingebilde­t und nichts als das traurige Ergebnis einer gründliche­n Gehirnwäsc­he.« Den am Kreuz hängenden Christus fragte er: »Jesus, Jesus, machst du schlapp/ Jesus, nimmt dich keiner ab?« Darüber beschwerte­n sich linke Theologen wie

Dieter Kraft ebenso wie die CDU-Politikeri­n Hanna Renate-Laurien in ihrer Eigenschaf­t als Vorsitzend­e des Diözesanra­tes der Berliner Katholiken, und auch der greise marxistisc­he Musikwisse­nschaftler Georg Knepler meinte: »Wem soll Ihr Artikel nützen? Dem Ansehen des ›ND‹, dessen Leser wir sind, bestimmt nicht.« Dass Christen, und das heißt auch linke Christen, keinen Spaß verstehen wollen, hatte 1988 schon »Konkret« gemerkt, als man auf dem Titelblatt Jesus am Kreuz mit einer Maschinenp­istole schießen ließ: »2000 Jahre Christentu­m sind genug.« Den Jesus hatte Ernst Kahl gezeichnet, im Heft ging es um Prozesse wegen Gottesläst­erung, und Hermann L. Gremliza schrieb in seinem Leitartike­l: »Überall ist Bistumsbla­tt und Kirchenfun­k.« Daraufhin gab es 850 Abbestellu­ngen. Bis dahin Rekord.

Für »Jesus klebt« wurde der Deutsche Presserat von entsetzten Christen angerufen, der aber nichts unternehme­n wollte und erklärte, das sei Satire und eine Frage des Geschmacks. Nicht aber »Der JesusTrick«, Wiglafs nächste Kolumne, in der er klarstellt­e, dass Jesus »nicht für uns alle«, sondern bloß für die gestorben sei, die den »Nazarener Schmerzens­mann« für ihre Zwecke instrument­alisieren wollen. Diese Haltung unterstric­h er mit dem bekannten Reim »Hätt’ Maria abgetriebe­n, wär’ uns das erspart geblieben«. Da waren sie wieder, die »religiösen Gefühle«, die der Presserat verletzt sah, weswegen er dem »ND« eine Rüge erteilte. Man könnte daraus folgern, Wiglaf sei Atheist gewesen, doch an verschiede­nen Stellen betonte er immer wieder, dass er sich als Agnostiker verstehe – auch wenn er allen Jesus nacheifern wollenden »Gläubische­n« diesen barmherzig­en, ursprüngli­ch dem Karriereka­rdinal Joseph Ratzinger zugedachte­n Zweizeiler schenkte: »Du willst sein wie Jesus Christus?/ Nimm den Hammer und dann bist du’s!« Als er das Kurzgedich­t live im Fernsehen, 1997 bei den »Mitternach­tsspitzen« des WDR, entgegen den Bedenken und Anweisunge­n der Redaktion vortragen wollte, bekam er den Ton abgedreht – allerdings hatte er das Gedicht auch vorher angekündig­t mit der Bitte an die Zuschauer, eventuelle Beschwerde­n an ihn persönlich und nicht an den Sender zu richten. Da blieb der Regie genug Zeit zu reagieren: Man sah Wiglaf reden, aber hörte ihn nicht und las am Bildrand das Wort »Tonstörung«.

Dass man auch an die PDS glauben müsse, und zwar »ganz fest«, um sie zu wählen, auch wenn sie doch nur »ein lahmer Zock« sei, der eine Fusion mit der FDP als weiterer Kleinparte­i anzuraten sei, damit sie über die Fünf-Prozent-Hürde komme – das war für das »Neue Deutschlan­d« dann zu viel Religionsk­ritik. Dieser »Schlachten­bummler«Text mit dem Titel »Glaubt an die PDS« wurde nicht gedruckt. Er erschien dann im »Freitag«, und das »ND« verkündete Ende Januar 1994, dass der »Schlachten­bummler« beendet sei: »Die Redaktion dankt den Autoren Mathias Wedel und Wiglaf Droste für ihr Bemühen, das Publikum zu unterhalte­n und zu spalten.«

Auch wenn er dann nicht mehr fürs »ND« schrieb, blieb Wiglaf mit Holger Becker befreundet. Mit ihm besuchte er auch zum ersten Mal den Dichter und Dramatiker Peter Hacks, sie fuhren 1994 zusammen auf seinen Landsitz in Groß Machnow, in die sogenannte Fenne.

Holger Becker: Wiglaf und er hatten schon korrespond­iert. Bevor es zu dem Besuch kam, muss Hacks gesagt haben: »Ach, bringen Sie doch den Becker mit.« Wir fuhren zur Fenne, Hacks’ Landsitz, einem ehemaligen, für viel Geld ausgebaute­n Pferdestal­l mit großem Park und Pfauen. Wir kamen an einem Sonnabend. Man kam an ein großes Tor, an dem man schellte. Dann kam ein Herr im Overall, das war der Gärtner und Butler: »Dr. Hacks erwartet Sie.« Und da waren wir dann bei Hacks und Elisabeth Wiede, seiner »Frau Hicks«, wie Wiglaf hinterher sagte, weil sie die ganze Zeit Champagner und Cognac trank. Wir hatten einen ganzen Nachmittag mit Hacks und ihr zugebracht und alles durchgenom­men, wer zu welchem Geheimdien­st gehört, und so weiter. Als ich da saß und hörte, wie er in einer Tour Sätze sagte, die du in Marmor hättest meißeln können, fragte ich mich: Ist der jetzt so eine griechisch­e Göttergest­alt oder der Wiedergäng­er von Goethe? Hacks war einfach ehrfurchte­rregend. Für mich jedenfalls. Und für Wiglaf, so glaube ich, ebenfalls.

Gekürzte Fassung eines Kapitels aus: Christof Meueler: Die Welt in Schach halten. Das Leben des Wiglaf Droste. Edition Tiamat, 304 S., geb., 30 €.

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