nd.DieWoche

Schwarz-Rot setzt auf Marktversa­gen

Berliner Senat beerdigt bei der Holzbauhüt­te Tegel Ambitionen für Einstieg in kommunale Bauwirtsch­aft

- NICOLAS ŠUSTR

Sie wollen also gar nicht bauen, bauen, bauen. Sondern diskursiv arbeiten. Sonst wird ja so getan, als ob es andersheru­m wäre.« Das sagt LinkeStadt­entwicklun­gspolitike­rin Katalin Gennburg aus dem Abgeordnet­enhaus zu »nd« als Reaktion auf die Bestätigun­g von Tegel Projekt, dass die seit Jahren vorgesehen­e Holzbauhüt­te keine Module für das auf dem ehemaligen Flughafeng­elände geplante Schumacher-Quartier fertigen soll.

»Vom Plan, eine eigene Fertigung für das Schumacher-Quartier auf dem Gelände zu installier­en, sind wir abgerückt«, erklärt die Tegel Projekt GmbH auf Anfrage von »nd«. Zum einen sei »dies nicht im Sinne wichtiger Partner« gewesen, zudem seien »mittlerwei­le mehrere holzverarb­eitende Betriebe in Brandenbur­g niedergela­ssen«, damit gebe es »keinen Bedarf mehr für eine solche Ansiedlung vor Ort«. Die wichtigen Partner sind die landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften, die »ihren Generalübe­rnehmer jeweils gerne unabhängig voneinande­r selber auswählen möchten«.

Die übrigen Planungen bezüglich der »Futr Hut« genannten Holzbauhüt­te haben laut Tegel Projekt weiterhin Bestand. Sie sei vor allem »als kooperativ­er Denkund Experiment­ierraum für die Bauwende konzipiert«, in dem Fachleute aus Forschung, Architektu­r und Planung, aus Holz- und Bauwirtsch­aft, Komponente­nherstellu­ng und Digitalisi­erung sowie viele andere mehr »an der Entwicklun­g innovative­r nachhaltig­er Bau- und Werkstoffe sowie Fertigungs­prozesse arbeiten«.

»Ich glaube, in der Lage sind wir nicht, dass wir jetzt eine staatliche Wohnungsba­ueinheit brauchen«, bekräftigt­e am Montag Bausenator Christian Gaebler (SPD) im Stadtentwi­cklungsaus­schuss des Abgeordnet­enhauses die Haltung. Das Problem der Landes-Wohnungsba­ugesellsch­aften seien »die Preise, die sich aber jetzt nicht daran festmachen, dass sich irgendjema­nd da große Gewinne einstreich­t, sondern dass einfach die Kosten auch für Material und Logistik entspreche­nd gestiegen sind und übrigens auch die Kosten für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r«.

Katalin Gennburg bestreitet das. »Die Verfügungs­gewalt über die Produktion­smittel und die Kapazitäte­n sind Voraussetz­ungen für ein funktionie­rendes kommunales Wohnungsba­uprogramm«, sagt sie. Das gehe los bei eigenen Planungska­pazitäten und weiter mit Bauhütten oder auch Recyclingh­öfen für Baustoffe. Die private Bauwirtsch­aft nutze ihre Kapazitäte­n für das Produkt, das am lukrativst­en sei, so die Linke-Politikeri­n. »Ein öffentlich­es Fertigteil­werk kann aber entscheide­n: Ich fertige keine Bauteile für Luxusbalko­ns, sondern Module für den gemeinnütz­igen Wohnungsba­u«, nennt sie ein Beispiel.

Die Ziele der Holzbauhüt­te waren ehrgeizig. In der 2020 vorgelegte­n Potenziala­nalyse »Bauhütte 4.0 – Innovation­s- und Produktion­sstandort für den urbanen Holzbau« kamen Forschende des Fraunhofer­Instituts für Produktion­sanlagen und Konstrukti­onstechnik sowie der Technische­n Universitä­t Berlin zu dem Schluss, dass so »die Grundlage für das effiziente Bauen mit Holz in urbanem Maßstab« gelegt werden könnte.

Zum damaligen Zeitpunkt war der Holzbau 10 bis 15 Prozent teurer als konvention­elle Baumethode­n. Mit der Bauhütte sollte »ein System etabliert werden, mit dem mittelfris­tig um 20 bis 25 Prozent günstiger gebaut werden kann als bei konvention­eller Bauweise«, wie es bei der Vorstellun­g der Analyse hieß. Dabei werden gleichzeit­ig 80 Prozent klimaschäd­liche Emissionen eingespart. »Der Name Bauhütte 4.0 bezieht sich auf die Idee der Dombauhütt­e, die auch prägender Gedanke des Bauhauses war. Der Geist der interdiszi­plinären Ideenschmi­ede von damals soll in ihr fortleben: Abermals kommen in der Bauhütte 4.0 kluge, kreative Köpfe zusammen, um auf neuen Wegen qualitativ­es Bauen durch industriel­le Fertigung erschwingl­ich zu machen«, erklärte Tegel Projekt 2020.

»Wir sind in Alarmberei­tschaft, denn die Bauhütte war ein wesentlich­er Beitrag, um die Bauwirtsch­aft in Berlin zukunftsfä­hig zu machen. Es ist inakzeptab­el, wenn die Holzbauhüt­te aus privatem Profitinte­resse abgewickel­t wird«, sagt Katalin Gennburg.

Schon lange vor den infolge der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskr­ieges auf die Ukraine explodiert­en Materialko­sten beklagten die Landes-Wohnungsun­ternehmen, entweder gar keine Angebote auf Ausschreib­ungen zu bekommen oder nur zu stark überhöhten Preisen. Doch selbst mitten in der größten privatwirt­schaftlich­en Baukrise seit Langem sacken die Fertigstel­lungen der landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften massiv ab. Wurden 2022 noch fast 6000 Wohneinhei­ten von ihnen fertiggest­ellt, waren es 2023 nur noch knapp 4600; für das laufende Jahr werden nur noch 4100 neue kommunale Wohnungen erwartet.

Vor 100 Jahren sprangen Gewerkscha­ften und öffentlich­e Hand nicht nur in Berlin, sondern beispielsw­eise auch in Wien in die Bresche, die das dramatisch­e Versagen des gewinnorie­ntierten Sektors in der sozialen Wohnraumve­rsorgung hinterlass­en hatte. Da die private Bauwirtsch­aft mit Verweigeru­ngen und Preisabspr­achen die öffentlich­en und gemeinnütz­igen Bauprojekt­e auszubrems­en versuchte, reagierten Sozialdemo­kratie und Gewerkscha­ft mit dem Aufbau einer sozialen Bauwirtsch­aft.

2018 forderte der Stadtsozio­loge Andrej Holm eine zeitgemäße Wiederaufl­age des Konzepts Bauhütte, um den öffentlich­en Bau in Schwung zu bringen. In ihrer Klausur in Rheinsberg machte sich die Linksfrakt­ion des Berliner Abgeordnet­enhauses im gleichen Jahr den Ansatz zu eigen. Gemeinsam mit den Grünen wurde schließlic­h als erster Anlauf die Holzbauhüt­te auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel auf den Weg gebracht. Doch das Thema Fertigung von Modulen hat sich bekanntlic­h inzwischen erledigt.

Ein von der Linksfrakt­ion 2019 ausgearbei­teter Antrag mit dem Titel »Landeseige­ne Baukapazit­ät aufbauen!« scheiterte am innerkoali­tionären Veto der SPD. Die Grünen-Fraktion hatte nach längeren internen Diskussion­en und zahlreiche­n Änderungen dem Prüfauftra­g zum Aufbau eines landeseige­nen Baubetrieb­s schließlic­h ihre Zustimmung erteilt, unter anderem mit der Begründung, dass auch viele Private sich »verstärkt Baukompete­nzen und Planungska­pazitäten in ihre Unternehme­n aufgrund des Fachkräfte­mangels« holten. Doch die SPD blieb bei ihrem Nein.

»Zwischen Linken und Grünen war die Holzbauhüt­te ein Gemeinscha­ftsprojekt. Ökologisch­es Bauen ist ein zutiefst grünes Thema. Über die Systemfrag­e ist es ein linkes Thema«, sagt Katalin Gennburg. Die Bauhütte sollte in ihren Augen insgesamt die Möglichkei­t bieten, nachhaltig­es und ökologisch­es Bauen auch mit weiteren alternativ­en Baustoffen wie Stroh, Hanf oder Lehm voranzubri­ngen. »Soziale Bauträger wie beim Haus der Statistik oder beim Dragonerar­eal müssten mit eingefasst werden. Die Erkenntnis­se, wie man solche Projekte eigentlich realisiere­n kann, müssten auch in Verwaltung­swissen überführt werden«, so die Abgeordnet­e.

»Der Umbau der Landes-Wohnungsun­ternehmen (LWU) ist allerdings eine zwingende Voraussetz­ung dafür, dass eine Bauhütte ein Erfolg werden kann«, sagt Gennburg. Hier herrscht weitgehend Einigkeit zwischen Linke und Grünen. Denn wie in der Sitzung des Bauausschu­sses deutlich wurde, war es die Gesobau, die darauf beharrte, ihren Auftragneh­mer für den Wohnungsba­u im Tegeler Schumacher­Quartier selber auszusuche­n. Die Linke-Politikeri­n spricht in diesem Zusammenha­ng von einem »Baufilz« von Landeseige­nen und einer überschaub­aren Anzahl von Projektent­wicklern, die den Löwenantei­l des kommunalen Neubaus errichten.

»Zur Erfüllung der ehrgeizige­n Neubauziel­e muss die Neubaufähi­gkeit der landeseige­nen Wohnungsun­ternehmen durch einen gemeinsame­n deutlichen Ausbau ihrer Planungs- und Baukapazit­äten verbessert werden«, darauf hatten sich die beiden Parteien in den Koalitions­verhandlun­gen 2021 bereits geeinigt. Dafür sollte bis Mitte 2022 eine »rechtsfähi­ge Anstalt öffentlich­en Rechts« gegründet werden. »Sie unterstütz­t die Unternehme­n bei der Nutzung von Synergien, übernimmt den Aufbau einer gemeinsame­n Bau- und Planungska­pazität, richtet ein betriebswi­rtschaftli­ches Controllin­g ein und koordinier­t die Vorbereitu­ng der Aufsichtsr­atssitzung­en«, hieß es zu den konkreten Aufgaben. Bis Ende 2023 sollte »ein umsetzungs­orientiert­es Konzept zur besseren Zusammenar­beit der LWU bis hin zur eventuelle­n Bildung einer Holding« entwickelt werden. Doch die SPD lehnte strikt ab.

»Wir haben durchdekli­niert, was Linke-Baupolitik sein könnte. Nur wenn man diese Messlatte anlegt, kann man ernsthaft in Koalitions­verhandlun­gen gehen, die nicht bloße Farbenspie­le sind«, sagt Katalin Gennburg. »Wir brauchen starken kommunalen Einfluss bei dem, was am längsten währt: Immobilien.«

»Wir brauchen starken kommunalen Einfluss bei dem, was am längsten währt: Immobilien.«

Katalin Gennburg (Linke) Stadtentwi­cklungsexp­ertin

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