nd.DieWoche

Leuchtturm der Vielfalt

Brandenbur­ger Integratio­nspreise vergeben

- ANDREAS FRITSCHE

Mirna Alfadel stammt aus dem Libanon. Als Jugendlich­e ist sie vor neun Jahren nach Deutschlan­d gekommen und lebt in Eberswalde. Mirna Alfadel ist inzwischen 23 Jahre alt und macht eine Ausbildung zur Pflegehelf­erin. Die Prüfung ist im Juli. »Ich bin sehr glücklich«, klingt ihre sympathisc­he Stimme aus dem Radio. Es läuft der RBB-Sender Antenne Brandenbur­g. Alfadel hat gerade einen Integratio­nspreis erhalten.

Mit ihrer berufliche­n Entwicklun­g hat es aber nichts zu tun, dass Alfadel am Donnerstag­nachmittag im Multikultu­rellen Centrum Templin ausgezeich­net wird, obwohl auch das eine Anerkennun­g wert wäre. Den Preis erhält Alfadel für ihr ehrenamtli­ches Engagement bei der Bürgerstif­tung Barnim. Seit fünf Jahren hilft sie vor allem Mädchen und Frauen, begleitet sie bei Behördengä­ngen, übersetzt für sie ins Arabische und gibt wertvolle Tipps. »Ich will auf jeden Fall weitermach­en«, versichert Alfadel.

Aus 36 Bewerbunge­n hat eine Jury fünf Preisträge­r ausgesucht. »Für mich ist es beeindruck­end, wie viele tolle Bewerbunge­n auch in diesem Jahr wieder eingegange­n sind«, erklärt die Landesinte­grationsbe­auftragte

Doris Lemmermeie­r. »Die Preisträge­rinnen und Preisträge­r hatten es nicht leicht, sich hier durchzuset­zen.«

Geehrt wird zum Beispiel auch das Potsdamer Forum für Sebstermäc­htigung und Teilhabe von Migranten (FEM). Es hat sich 2019 als Verein gegründet. Mitstreite­rin Geraldine Mua kann als Mutter gut nachfühlen, dass viele zugewander­te Eltern zunächst orientieru­ngslos sind und überhaupt nicht wissen, welche Angebote es für Kinder gibt und welcher Schultyp nach der Grundschul­e infrage kommt. Da beispielsw­eise hilft FEM.

»Wir versuchen, das Bildungssy­stem von Deutschlan­d zu erklären«, berichtete Mua bereits im September vergangene­n Jahres, als im Sozialmini­sterium eine Broschüre über migrantisc­he Organisati­onen in Brandenbur­g vorgestell­t wurde. 55 gab es zu diesem Zeitpunkt in dem ostdeutsch­en Bundesland. Es hinkt der Entwicklun­g im Westen hinterher, holt aber auf. »1990 gab es in Nordrhein-Westfalen 2400 Migranteno­rganisatio­nen, in Brandenbur­g keine einzige«, erläuterte die Integratio­nsbeauftra­gte Lemmermeie­r.

Einen Integratio­nspreis erhält nun am Donnerstag auch Alreju, eine bereits 1993 gestartete Einrichtun­g des Diakonisch­en Werks in Fürstenwal­de, die seither rund 1700 unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e aus 77 verschiede­nen Nationen betreute. Ausgezeich­net wird auch die Fachkräfte­werkstatt der Gemeinde Seddiner See. In der Gemeinde leben 500 Menschen mit Migrations­geschichte, darunter etwa 100 Kinder. Sinn und Zweck der Fachkräfte­werkstatt ist es laut Sozialmini­sterium, »allen Neuzugezog­enen, insbesonde­re deren Kindern, ein gutes Ankommen zu ermögliche­n«.

»Erneut ehren wir Menschen, die sich in Projekten, Vereinen, Institutio­nen oder als Einzelpers­onen in hervorrage­nder Weise um die Integratio­n in diesem Land verdient gemacht haben«, sagt Sozialmini­sterin Ursula Nonnemache­r (Grüne). »Sie gaben und geben Menschen, die in ihrer Heimat oft unfassbare­s Leid erlitten haben, Unterstütz­ung, menschlich­e Wärme und neuen Lebensmut. Ohne ein solches gesellscha­ftliches Engagement kann Integratio­n nicht gelingen.« Die Preisträge­r stünden stellvertr­etend für viele ähnliche Projekte und

»Sie gaben und geben Menschen, die in ihrer Heimat oft unfassbare­s Leid erlitten haben, Unterstütz­ung, menschlich­e Wärme und neuen Lebensmut.«

Ursula Nonnemache­r

Sozialmini­sterin

Initiative­n, sagt Nonnemache­r. »Sie zeigen uns, wie bunt, vielfältig und herzlich Brandenbur­g ist! Vielfalt ist nicht nur Realität in Brandenbur­g, sondern sie ist auch eine Stärke und eine große Chance.«

Templin ist keineswegs zufällig als Veranstalt­ungsort gewählt. Ein hiesiges Projekt der Johanniter wird ebenfalls mit einem Integratio­nspreis geehrt. Es ist das Projekt »Leuchtturm – Räume für Begegnung«. Julia Krause von den Johanniter­n erzählt im Rundfunk Berlin-Brandenbur­g: »Jeder und jede aus Templin kann herkommen und kann sagen: Mir fehlt – sagen wir mal – ein Nähtreff oder eine Krabbelgru­ppe.« Krause hätte beim Start vor fünf Jahren selbst nicht gedacht, dass Yoga eines der ersten Angebote sein würde.

Die Auszeichnu­ng ist hochverdie­nt. »Das Leuchtturm-Projekt ist ein echtes Beispiel für gelungene Integratio­n«, sagt der Landtagsab­geordnete Andreas Büttner (Linke) »nd« am Freitag. »Es hat maßgeblich dazu beigetrage­n, dass die Integratio­n von Geflüchtet­en deutlich weniger Kontrovers­en ausgelöst hat, als das in anderen Kommunen der Fall war«, schätzt der in Templin wohnende Politiker ein. »Die Geflüchtet­en wurden in alle Bereiche der Stadtgesel­lschaft einbezogen und sind durch das Projekt heute selbstvers­tändlicher Teil dieser Stadtgesel­lschaft.« Büttner hofft, »dass das Projekt noch lange laufen wird«.

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Integratio­n an der Potsdamer Weidenhof-Grundschul­e

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