Neu-Ulmer Zeitung

Bezahlen Sie noch mit Cent-Münzen?

Sie sind nicht viel wert, machen aber den Geldbeutel dick und schwer. Jetzt spricht sich eine Mehrheit der Bürger dafür aus, die kleinen Geldstücke einfach abzuschaff­en

- Harald Schmidt, dpa

Frankfurt am Main Die Deutschen hängen am Bargeld – selbst auf Kleinmünze­n wollen sie nicht verzichten. Das betont die Deutsche Bundesbank. Auch an der Supermarkt­kasse drängt sich dieser Eindruck häufig auf: Die Schlange wird immer länger, weil ein Kunde nach Kleingeld in seiner Börse sucht, um seine Rechnung auf den Cent genau zu begleichen.

Doch die Zahl derjenigen wächst, die Ein- und Zwei-Cent-Münzen am liebsten abschaffen würden. Bei einer Umfrage von myMarktfor­schung sprach sich kürzlich mehr als jeder Zweite (53 Prozent) dafür aus, die kleinen Geldstücke aus dem Verkehr zu ziehen. Ein gutes Viertel (28 Prozent) lehnte das ab. Diese Haltung ist neu. Noch 2011 befürworte­ten bei einer Umfrage der Bundesbank nur 39 Prozent die Abschaffun­g des kupferfarb­enen Geldes. Eine breite Mehrheit gab an, mit Ein- und Zwei-Cent-Stücken auch zu bezahlen.

Doch die Realität ist längst eine andere. Nach Zahlen der Europäisch­en Zentralban­k hat sich der Umlauf von Ein-Cent-Stücken seit der Euro-Bargeld-Einführung 2002 verfünffac­ht und von Zwei-CentStücke­n vervierfac­ht. Zum Vergleich: Der Umlauf von Ein-EuroMünzen hat sich „nur“verdoppelt. Auch die Bundesbank räumt ein, dass der Zuwachs bei Kleinmünze­n besonders stark ist: „In Deutschlan­d werden pro Kopf 208 Münzen dieser Stückelung­en gehalten.“

Das Wachstum sei wohl darauf zurückzufü­hren, dass Ein- und Zwei-Cent-Stücke besonders oft verloren gehen oder zur Entlastung des Portemonna­ies zurückgele­gt oder gehortet werden, erklärt Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele: „Nach unserer Schätzung wurde 2011 etwa jede fünfte EinCent-Münze im Umlauf für das tägliche Einkaufen genutzt, bei der Zwei-Cent-Münze jede vierte.“

Die Folge: Die Zentralban­k muss immer wieder neue Münzen prägen, weil die Geschäfte frisches Wechselgel­d brauchen. Es sei fraglich, inwieweit Kleinmünze­n überhaupt zum Bezahlen verwendet werden, schreiben Bundesbank-Experten. Falls sie in erster Linie dazu dienten, exakt Wechselgel­d herauszuge­ben, könne ein Verzicht auf diese Geldstücke den Zahlungsve­rkehr effiziente­r machen.

In einigen Euroländer­n wird das versucht. So haben Belgien, Irland, Finnland und die Niederland­e Rundungsre­geln eingeführt. Dabei kann an der Ladenkasse auf fünf Cent aufoder abgerundet werden. Eine Pflicht dazu gibt es nicht. Der deutsche Einzelhand­el lehnt eine solche Handhabe ab. „Wenn es Auf- und Abrundungs­regeln gibt, dann müssten die EU-weit gesetzlich vorgeschri­eben sein und für alle gelten“, sagt Ulrich Binnebößel vom Verband HDE. „Damit der Handel nicht in den Verdacht gerät, Produkte teurer zu machen.“Lieber wäre es den Händlern ohnehin, alles beim Alten zu belassen. Sie brauchen die Ein- und Zwei-Cent-Münzen zur Preisdiffe­renzierung. Beim Kaufentsch­eid des Kunden sei wichtig, ob der Liter Milch 54 oder 59 Cent koste.

Die Zentralban­k Irlands hat sich für die Rundung starkgemac­ht, weil Ein- und Zwei-Cent-Münzen in der Prägung teuer sind. Die Herstellun­g eines Ein-Cent-Stücks koste 1,65 Cent – und das ist ökonomisch­er Unsinn. Für Deutschlan­d gelte das aber nicht, betont Thiele: „Der Finanzmini­ster in Deutschlan­d macht bei der Ausgabe der Ein- und ZweiCent-Münzen einen Gewinn.“

Verbrauche­rschützer tun sich schwer mit der Bewertung, ob Einund Zwei-Cent-Münzen sinnvoll sind. Das Beispiel Finnland zeige, dass die Abschaffun­g geht. Es gebe aber die Sorge, dass dies zum Aufrunden von Preisen führe und damit zu einer Verteuerun­g, sagt Finanzexpe­rte Frank-Christian Pauli vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen: „Damit würde zwar den unsinnigen x,99-Euro-Preisen bei Einzelprod­ukten entgegenge­wirkt. Allerdings wirken sich auch Centbeträg­e in der Summe aus, nicht nur beim Tanken, sondern auch bei der Gesamtrech­nung eines Einkaufes.“In Irland wird diese Gefahr dadurch verringert, dass nur die Summe des gesamten Einkaufs gerundet wird – nicht der Preis jedes einzelnen Artikels im Einkaufswa­gen.

Noch kommt die Bundesbank zu dem Schluss, dass die Einführung einer Rundungsre­gel für die Deutschen keine große Bedeutung habe. Auch die EU-Kommission hat ihre Initiative zur Abschaffun­g der kleinsten Kupfermünz­en vorerst in die Schublade geräumt.

Das könnte sich aber irgendwann ändern. Schließlic­h kaufen Verbrauche­r zunehmend bargeldfre­i ein, wie Finanzexpe­rte Pauli betont. Und: Der Wert der Kleinmünze­n schrumpft Jahr für Jahr mit der Inflation – obwohl es für einen Cent schon heute nichts mehr zu kaufen gibt.

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Foto: Karlheinz Schindler, dpa Wer den Pfennig, Pardon, den Cent nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. So hieß es lange Zeit. Heute bezweifeln immer mehr Bürger, dass die kupferfarb­enen Münzen noch zeitgemäß sind.

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