Fußmarsch nach Bayern
In Österreich liegt eine Hauptursache dafür, warum die CSU mit Notmaßnahmen zur Abwehr von Flüchtlingen droht. Ein Besuch in der Grenzregion
Mühlheim am Inn Ein schwarz-rotgoldener Aufkleber weist den Weg: Hier geht es nach Deutschland. Über Untersunzing, Obersunzing, Frauenstein hinunter zum Inn. Dort führt ein Fußgängerweg über eine große Schleuse an die Grenze nach Deutschland. Ein Fußmarsch von vier Kilometern. Untersunzing, Obersunzing, Frauenstein sind kleine Weiler im österreichischen Innviertel, einer ruhigen Hügellandschaft weit entfernt von den Krisen der Welt. Doch nun ist die Flüchtlingskrise zu den Unter- und Obersunzingern gekommen und läuft vor der Haustür vorbei – tagtäglich hunderte von Menschen.
Doch die Krise ist nicht zufällig gekommen. Denn die österreichischen Behörden haben in der Stockschützenhalle in Mühlheim am Inn gleich neben dem Badesee eine von mehreren Transitstationen für Flüchtlinge eingerichtet, die nur einem Zweck dienen: der Weiterleitung nach Deutschland. Mehrmals täglich kommen große Reisebusse an, die die Flüchtlinge ausladen. Sie können dort für einige Stunden ausruhen und bekommen etwas zu es- sen, wie ein Helfer des Österreichischen Roten Kreuzes berichtet. Die Feuerwehr hat Warnleuchten und Schilder aufgestellt: „Achtung Fußgänger“. Vor einer Woche ist eine Frau aus Afghanistan überfahren und getötet worden.
Nach dem Eintreffen jeder Busladung macht sich ein kleiner Flüchtlingstreck auf den Weg – Männer jeden Alters, aber auch Familien und einige Frauen mit Kindern. Am späten Donnerstagvormittag kommen vier Reisebusse mit etwa 200 Men- schen an; aus Syrien, aus Afghanistan, aus Pakistan und aus Bangladesch. Es sind Kriegsflüchtlinge darunter und Arbeitsmigranten, die sich in Europa ein neues Leben aufbauen wollen.
Viele sagen, dass nicht Deutschland ihr Ziel sei, sondern ein anderes europäisches Land. Schweden wird genannt, die Niederlande, Belgien, Frankreich. Und diejenigen, die weiterreisen wollen, haben Angst: vor der Registrierung durch die deutsche Polizei. Offenbar haben sich rudimentäre Kenntnisse des Dublin-Abkommens herumgesprochen: Nach der Erfassung in Deutschland können sie in keinem anderen Land mehr Asyl beantragen. Andere sind bereits in Griechenland registriert – und fürchten, dorthin abgeschoben zu werden. „Ich war acht Jahre in Griechenland“, berichtet Hussein aus Bangladesch. „Da bin ich auch gemeldet. Aber dort ist es so schlimm geworden, dass ich da nicht mehr leben kann“, sagt er bedrückt. Und die Heimkehr? „Da ist Chaos.“
Die meisten der Flüchtlinge haben keine Ahnung, wo sie sich befinden. Denn in den vergangenen Wochen ist ein europäisches Flüchtlingsdomino entstanden. Mehrere berichten, dass sie mit Zügen aus Kroatien nach Österreich gebracht worden seien. Die Österreicher wiederum hätten sie in Züge gesetzt, dann in Busse. „Is this Italy?“, fragt eine Gruppe aus Pakistan. Bedrücktes Schweigen, nachdem sie erfahren haben, dass sie sich an der deutschen Grenze befinden. Doch die meisten gehen über die Grenze.