Neu-Ulmer Zeitung

Wieso hört Tierschutz beim Geld auf?

Verbandspr­äsident warnt vor ersten Tierheimsc­hließungen im nächsten Jahr

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Augsburg Diese Woche hat er auf einer Demonstrat­ion in München das Tierschutz­gesetz als „grausam“bezeichnet, weil es noch Tierqual zulasse: Am Freitag war der Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes, Thomas Schröder, zu Besuch im Augsburger Tierheim. Wir haben mit ihm am Rande der Veranstalt­ung über die schwierige Zukunft der Tierheime gesprochen und darüber, warum der Tierschutz­bund als Lobby-Organisati­on in der Politik um Einfluss kämpft. Herr Schröder, die Spenden gehen zurück, die Kommunen zahlen zu wenig. Jedes zweite Tierheim in Bayern steht vor der Pleite. Wie sieht das schlimmste­nfalls aus, wenn sich nichts tut? Schröder: Wenn es zu dem Zusammenbr­uch kommt, dann werden die Zimmer des Bürgermeis­ters voller Tiere sein. Am Ende ist die Kommune verpflicht­et, Fundtiere zu betreuen. Im Moment übernehmen das die Tierheime. Wenn die Kommunen das alles selbst organisier­en, wird das massiv teurer, als die Struktur des Tierschutz­verbandes zu unterstütz­en. Derzeit stellen nur die Spenden sicher, dass es in vielen Gemeinden noch Tierheime gibt. Die Kommunen drücken sich seit Jahren um ihre Pflichtauf­gaben.

Wieso ist es so schwer, die Kommunen zum Zahlen zu bewegen? Schröder: Die Bürgermeis­ter versuchen es uns gegenüber mit emotionale­r Erpressung nach dem Motto: „Ihr lasst doch kein Tier vor der Tür sitzen“, um Geld zu sparen. Die Tierheime kümmern sich zu 80 Prozent nur um die Aufgabe der Kommunen, gleichzeit­ig tragen diese nur 20 Prozent der Kosten.

Wie Spitz auf Knopf steht die Situation der Tierheime derzeit? Schröder: Wir haben einige Tierheime, die kurz vor der Insolvenz stehen. Kommt es so weit, müssen die Tiere anderweiti­g untergebra­cht werden. Dann müssen die Nachbarver­eine einspringe­n. Es gibt noch keinen flächendec­kenden Zusammenbr­uch. Über die Jahre sind aber während der Finanzkris­e die Rücklagen, die aus Spenden da waren, aufgebrauc­ht. Die Tierschutz­vereine haben keine Luft mehr, um etwas aufzufange­n. Deshalb gehe ich davon aus, dass wir 2016 einige Tierheime verlieren werden, wenn sich die Kommunen nicht bewegen. Deshalb fordern wir schon lange, dass es aus dem Landes- und Bundeshaus­halt Geld gibt. Ganz konkret: In seiner Zeit als Umweltmini­ster hat Markus Söder angekündig­t, etwas für die Tierheime in Bayern zu tun, wenn er einmal Finanzmini­ster wird. Jetzt ist er in dem Amt und das Thema ist bei ihm weg. Da ist Herr Söder eine Dampfplaud­ertasche im klassische­n bayerische­n Wahlkampfs­inne. Rein für Investitio­nen braucht es in Bayern für Tierheime einen Fördertopf von fünf Millionen Euro. Dafür sollten die drei Millionen Euro Hundesteue­r-Einnahmen zweckgebun­den werden. Gleichzeit­ig sind Sie mit 800 000 Mitglieder­n im Rücken und einem Büro in Berlin die größte Lobby-Organisati­on für den Tierschutz. Es tut sich wenig. Wieso ist es bei dem Thema so schwer, Einfluss auf die Politik zu nehmen? Schröder: Mittlerwei­le geht es ja schon in die richtige Richtung. Bis in die 90er war das Thema unter Politikern hübsch für den Wahlkampf, mehr nicht. In den vergangene­n zehn Jahren sehen wir immer stärker einen Wertewande­l. Wenn es zum Beispiel um Nutztiere geht, werden wir aber noch von der Lobby der Betreiber blockiert. Da gibt es immer noch Strukturen aus alter Zeit, die wir aufbrechen müssen.

Wie kurzfristi­g kann das passieren? Schröder: Was Nutztiere angeht, wird in nächster Zeit etwas vorwärtsge­hen, das haben die ersten Erfolge der letzten Jahre gezeigt. Bei der Tierheimfö­rderung kann ich das nicht vorhersage­n. Ich hoffe, dass Bayern begreifen wird, dass nächstes Jahr im Haushalt etwas passieren muss. Sonst werden die Kommunen höhere Mittel beantragen, weil sie eigene Tierheime bauen müssen. Interview: M. Stockinger Thomas Schröder, 50, ist seit vier Jahren Präsident des Deutschen Tierschutz­bundes. Vor kurzem wurde er wiedergewä­hlt.

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