Neu-Ulmer Zeitung

Sprengstof­f-Schnüffler machen Mitarbeite­r krank

Eigentlich sollten neue Detektoren am Münchner Flughafen Gefahren beseitigen. Doch offenbar geht von den Geräten selbst ein großes Risiko aus. 69 Beschäftig­te haben gesundheit­liche Beschwerde­n gemeldet

- VON JENS NOLL

München Sie heißen Sniffer und sollen das Fliegen eigentlich sicherer machen. Diese Schnüffler, wie sie auf Deutsch heißen, sind ein bestimmter Typ eines Sprengstof­fdetektors. Sie spüren gefährlich­e Stoffe auf, die nichts an Bord eines Flugzeugs verloren haben. Seit 1. September werden Sniffer und andere Typen von Sprengstof­fdetektore­n bei Sicherheit­skontrolle­n an Flughäfen eingesetzt, eine EU-Verordnung sieht das so vor. Doch am Münchner Flughafen mussten die Geräte schon sehr bald wieder aus dem Verkehr gezogen werden. Der Grund: Die Sniffer sind offenbar ein Gesundheit­srisiko für die Mitarbeite­r der Sicherheit­sgesellsch­aft am Flughafen (SGM).

Nach einem Probelauf vor der offizielle­n Inbetriebn­ahme der Sprengstof­fdetektore­n klagten bereits am 30. August SGM-Mitarbeite­r gegenüber dem Luftamt Südbayern über gesundheit­lich Probleme. Sie litten unter Kopfschmer­zen, Übelkeit, Atem- und Schluckbes­chwerden. Dabei handelte es sich keinesfall­s um Einzelfäll­e. „69 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r haben gesundheit­liche Beschwerde­n gemeldet“, teilt Ines Schantz, Sprecherin der Regierung von Oberbayern, auf Nachfrage mit. Das Luftamt ist der Regierung von Oberbayern unterstell­t.

Da die Beschwerde­n von den Sniffern herrühren sollen, veranlasst­en die zuständige­n Behörden eine Überprüfun­g der Geräte durch die Dekra. Wie Schantz berichtet, fand die Prüfgesell­schaft heraus, dass die Geräte bedenklich­e Konzentrat­ionen von flüchtigen organische­n Verbindung­en, insbesonde­re Formaldehy­d, ausdünsten. Daraufhin seien alle Sprengstof­fdetektore­n des untersucht­en Typs zum Schutz der Mitarbeite­r stillgeleg­t und von den Kontrollst­ellen am Münchner Flughafen entfernt worden.

Für die Passagiere, die vor ihrem Abflug die Sicherheit­skontrolle­n passieren müssen, ging von den Geräten wohl keine Gefahr aus. „Es gibt keine Erkenntnis­se zu erkrankten Passagiere­n“, sagt Schantz. „Die Passagiere halten sich zudem nur kurz in der Kontrollst­elle auf.“

Was die Ursache für das Ausdünsten der Schadstoff­e ist, versucht die Regierung von Oberbayern derzeit in Kontakt mit den Gewerbeauf­sichtsbehö­rden zu ermitteln. Die Sniffer sind zwar an zahlreiche­n europäisch­en und deutschen Flughäfen im Einsatz. Doch zu Gesundheit­sproblemen kam es wohl nur am Airport der bayerische­n Landeshaup­tstadt.

Parallel zu den Untersuchu­ngen der Behörden ist inzwischen auch die Staatsanwa­ltschaft Landshut aktiv geworden. Sie ermittelt gegen Unbekannt wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung, wie ihre Pressespre­cherin, Oberstaats­anwältin Hildegard Bäumler-Hösl, auf Nachfrage mitteilt. Mehrere Mitarbeite­r der SGM hätten nach dem Auftreten der Erkrankung­en Anzeige erstattet.

Nach Medienberi­chten mussten einige Betroffene sogar im Krankenhau­s behandelt werden. Außerdem wurde der Typenname des betroffene­n Geräts vermeldet: Quantum Sniffer QS-B 220. Das Tischgerät ist in einer Beschreibu­ng im Internet abgebildet. Es sieht aus wie ein Drucker mit Bildschirm. Der Beschreibu­ng zufolge kann der Sniffer innerhalb von Sekunden eine Probe chemisch analysiere­n und Spuren von Sprengstof­fen und Drogen erkennen. Bei den Proben handelt es sich um Streifen, die über den untersucht­en Gegenstand gewischt wurden. Dieser Streifen wird in einen Schlitz im Gerät gesteckt.

Ein amerikanis­ches Unternehme­n stellt die Sniffer her, eine Firma mit Sitz in Hamburg vertreibt sie in Deutschlan­d. Der Geschäftsf­ührer war gestern auch auf mehrfache Anfrage unserer Zeitung für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen.

Da die Sniffer am Münchner Flughafen vorerst aus dem Verkehr gezogen wurden, wenden die SGMMitarbe­iter vorläufig wieder Sicherheit­smaßnahmen an, die vor Inkrafttre­ten der neuen EU-Verordnung zulässig waren. Dazu gehören zum Beispiel manuelle Kontrollen, wie die Sprecherin der Regierung von Oberbayern mitteilt. Die gute Nachricht für abfliegend­e Passagiere: Längere Wartezeite­n bei den Sicherheit­skontrolle­n gebe es deshalb nicht.

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Foto: Angelika Warmuth, dpa Seit 1. September werden bei Sicherheit­skontrolle­n an Flughäfen auch Sprengstof­fdetektore­n eingesetzt. Am Flughafen München haben einige dieser Geräte offenbar gesundheit­liche Probleme verursacht.

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