Friedensnobelpreisträgerin Malala betritt die Bühne
Die neue Intendantin Silvia Armbruster hat erkundet, was ihr Publikum sehen möchte
Kempten Manche haben neulich mitleidig gelächelt, als die neue Kemptener Theaterdirektorin Silvia Armbruster ihre erste Publikums-Aktion startete. Sie öffnete eine Woche lang die Türen zu ihrem Büro, bot zur „Teatime“auf einem rostroten Sofa Tee und Gebäck an – und offene Ohren für Wünsche und Anregungen ihrer künftigen Zuschauer. Würde da überhaupt jemand kommen? Die Zweifler sind eines Besseren belehrt worden. Gleich am ersten Nachmittag drängten sich 17 Frauen und Männer in dem gerade mal acht Quadratmeter großen Raum, um „die Neue“kennenzulernen und ihr auf den Zahn zu fühlen. Am Ende hatte sie mit mehreren Dutzend Menschen gesprochen.
Seit 1. August führt die Frau mit der blonden Lockenmähne das Theater, verantwortet vier Dutzend Gastspiele für Erwachsene und Kinder sowie drei Eigenproduktionen. Die 49-jährige Regisseurin aus München löste Nikola Stadelmann ab, die aus Frust über die technischen und personellen Strukturen rund um das Theater die Brocken hinwarf. Silvia Armbruster weiß um die Probleme. Sie könne aber damit vorerst leben, sagt sie all jenen, die sie darauf ansprechen.
Wer Armbruster zur „Teatime“besuchte, konnte auch feststellen: Die neue Theaterchefin beherrscht das Handwerk der Kommunikation bestens. Ihre künstlerischen Qualitäten können die Kemptener freilich noch nicht so bald kennenlernen. Die aktuelle Saison, die mit der Tanztheater-Eigenproduktion „G’scheit g’scheitert“von Jochen Heckmann startete, wurde ja noch von Vorgängerin Stadelmann konzipiert. Wie Armbruster als Intendantin programmiert, wird sich erst in der Saison 16/17 erweisen. Wohin die Theaterreise dann führt, könnte sich aber auch schon früher abzeichnen: Fünf Inszenierungen der Regisseurin Armbruster sind Anfang 2016 zu sehen. An vier Abenden im Februar zeigt sie, wie sie in den vergangenen Jahren arbeitete. Besondere Aufmerksamkeit dürfte das Einpersonenstück „Die Judenbank“erhalten – stammt es doch aus der Feder des Allgäuers Reinhold Massag. Armbruster realisierte den Monolog eines Mannes in Zeiten des Nationalsozialismus mit Ernst Konarek für das Theaterhaus Stuttgart.
Die erste Regiearbeit eigens für das Kemptener Stadttheater kommt dann im April auf die Bühne. In „Malala“des britischen Dramatikers Nick Wood geht es um die blutjunge pakistanische Friedensnobelpreisträgerin Malala, die sich gegen die Intoleranz und Frauenfeindlichkeit der Taliban gewehrt hatte, einen Mordanschlag überlebte und 2014 ausgezeichnet wurde. Eine berührende Geschichte, die Menschliches und Politisches verknüpft. Begleitet wird die Premiere von einer Podiumsdiskussion. In der Spielzeit 2016/17 soll ein ähnliches Thema folgen: Dann möchte Armbruster die Radikalisierung von Jugendlichen beleuchten, die sich dem Dschihad anschließen.
Aktuelles, Brisantes erhält also künftig im Kemptener Theater einen größeren Stellenwert. Dass das Publikum mehr davon will, hat Armbruster bei der „Teatime“auf dem rostroten Sofa in ihrem Büro – und bei vielen weiteren Gesprächen mit Menschen aus verschiedenen Milieus – erfahren. Sie habe gelernt, wie die Theaterfreunde ticken – und dass Kempten genauso bunt ist wie München, sagt sie. Deshalb müsse sie ihr Programm „wahnsinnig breit“aufstellen.