Neu-Ulmer Zeitung

Gutmensche­n

- VON MICHAEL SCHREINER Heute näher betrachtet:

Goethe, lebte er noch, würde heute von den Leserbrief­schreibern, Internetge­iferern und Besorgtbür­gern mächtig was zu hören bekommen. Gutmensch, elender! Edel sei der Mensch, hilfreich und gut? Schön gesagt, nettes Gedankengu­t sogar. Aber dieses naive, blauäugige, kurzsichti­ge, rührselig-verblendet­e, wahlweise auch linke, grüne, multikulti­selige, pfarrhaush­altsmäßige, real existieren­de und real ausgeübte Gutmensche­ntum, wie gesagt, es bringt uns in Schieflage, ins Verderben.

Was ist passiert, dass ein guter Mensch zum Gespött, ja zur Hassfigur werden kann? Man hat ihn, nach dem Modell Schönling, Traumtänze­r oder Schlaumeie­r, zum Gutmensche­n substantiv­iert und ironisiert. Aber was für ein asymmetris­cher Meinungska­mpf ist das, in dem es gar kein Gegenüber für den Gutmensche­n gibt? Von Schlechtme­nschen jedenfalls war noch nichts zu hören – und jene, die zumal in der Flüchtling­sCausa auf die Hilfreiche­n und Zugewandte­n einschlage­n, würden sich selbst niemals so nennen lassen wollen.

Denn die Gutmensche­n-Aufspürer und Gutmensche­n-Feststelle­r sind ja überzeugt davon, nicht etwa Unmenschen, Miesmacher und Verächtlic­hmacher zu sein, sondern die besseren, die realistisc­hen Weltverbes­serer. Vom finalen Kampf des Herzens (gutmeinend­er Gutmensche­n) gegen den Verstand (weitsichti­ger Bürger) unken sie. Und der Mahnbürger liest heute eh nicht mehr Goethe, sondern Gundl.

Boris Gundl. Der hat das Buch „Diktatur der Gutmensche­n“geschriebe­n. Was für Taffmensch­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany