Neu-Ulmer Zeitung

Wasser verbindet

Das Donauschwä­bische Zentralmus­eum stellt bei „Donaublick­e“Bilder aus der Künstlerko­lonie Szentendre aktuellen Positionen aus Ungarn gegenüber. Ein reizvoller Dialog

- VON MARCUS GOLLING

Ulm In der Geschichte der ungarische­n Kunst hat das Städtchen Szentendre an der Donau einen festen Platz: Dort gründeten 1926 acht junge Maler eine Künstlerko­lonie, in der wichtige Grundlagen für die moderne Malerei in Ungarn gelegt wurden. Mit diesem in Deutschlan­d eher unbekannte­n Kapitel der Kunstgesch­ichte beschäftig­t sich nun das Donauschwä­bische Zentralmus­eum (DZM) mit „Donaublick­e“– doch es macht nicht bei der Vergangenh­eit Halt: Den Bildern der Gründer der Künstlerko­lonie setzt die Ausstellun­g aktuelle Positionen ungarische­r Künstler entgegen.

Die „klassische“Seite der Ausstellun­g bestreitet das DZM mit Werken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts, von Künstlern wie Béla Ónódi, Erno Jeges, Mária Modok und József Bartl, teils aus der eigenen Sammlung, überwiegen­d aber aus der des Ungarn János S. Nagy. Zu sehen ist folglich, wie Co-Kuratorin Andrea Vándor sagt, eine sehr persönlich­e Auswahl: Nagy sei eben kein Kunsthisto­riker,

Die Stadt ist noch immer ein Ort der Kunst

sondern Sammler und Lokalpatri­ot. Entspreche­nd zeigen die Landschaft­sbilder und Stadtansic­hten eher die konservati­vere Seite der Kolonie, deren Mitglieder von französisc­hen Postimpres­sionisten wie Cézanne oder Pissarro beeinfluss­t waren. Was Szentendre von anderen bekannten Künstlerko­lonien unterschei­det, ist die Tatsache, dass sie – zumindest in Teilen – bis heute besteht: In der 25 000-EinwohnerS­tadt arbeiten noch immer Künstler. Einer von ihnen ist Ottó Vincze, dessen Installati­on „Gesetzlich­er Rahmen“die Besucher schon im Foyer des DZM empfängt. Drei ungarische Künstler der Gegenwart hat die zweite Kuratorin der „Donaublick“, die Regensburg­erin Regina Hellwig-Schmid, als Gegenpol zu den historisch­en Werken ausgewählt. „Es geht darum, neue Brücken zu schlagen und die Dinge in Verbindung zu bringen“, sagt sie.

Bei Vinczes Installati­on läuft diese Verbindung über das Element Wasser, das auf den Bildern zumeist in Form der Donau zu sehen ist. Der 1964 geborene Künstler zeigt fünf Boote aus dünnem Blech. Beschrifte­t sind sie mit den wichtigste­n Funktionen von Museen: etwa Sammeln, Forschen und Präsentier­en. Dass die Boote, die an Papierschi­ffchen erinnern, die im Boden zu versinken scheinen wie im Wasser, ist durchaus als Kritik an der ungarische­n Museumspol­itik zu lesen.

Enger wird die Bindung zwischen Alt und Neu bei einer temporären Wandarbeit, die Vincze zusammen mit seiner Budapester Kollegin Kamilla Szíj gestaltet hat. Diese Kohlezeich­nung erstreckt sich von den Seiten über das Gewölbe des ersten Ausstellun­gsraums und zeigt die Schifffahr­tswege der Donau bei Szentendre. Dabei orientiert sich die Hängung der historisch­en Bilder an der Zeichnung. Von Szíj sind auch

noch weitere Zeichnunge­n zu sehen, die Strukturen aus Verdichtun­g von Linien und geometrisc­hen Formen schaffen – in einem Fall, einer weiteren temporären Wandarbeit, angelehnt an eines der Gemälde der Ausstellun­g.

Den Schluss markiert ein weiterer ungarische­r Gegenwarts­künstler: der 1964 geborene Lajos Csontó. Seine Videoarbei­ten in „Donaublick­e“handeln wieder von dem Ele-

ment, das die ganze Ausstellun­g zusammenhä­lt: dem Wasser. In diesem lösen sich bei Csontó Begriffe wie Nation, Volk und Heimat auf – und bleiben doch die unsichtbar­e Umgebung, in der sich das soziale Wesen Mensch bewegt.

Von der Lieblichke­it der Donaubilde­r aus Szentendre ist das ganz weit weg. Dafür ist es ganz nah dran an der Politik von heute, gerade in Ungarn.

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Schiffbruc­h im Museum?: Eines der Boote aus der Installati­on „Gesetzlich­er Rahmen“von Ottó Vincze, das sich mit den gesetzlich­en Aufgaben von Museen beschäftig­t. Im Hintergrun­d einige Landschaft­sbilder aus Szentendre.
Foto: Andreas Brücken Schiffbruc­h im Museum?: Eines der Boote aus der Installati­on „Gesetzlich­er Rahmen“von Ottó Vincze, das sich mit den gesetzlich­en Aufgaben von Museen beschäftig­t. Im Hintergrun­d einige Landschaft­sbilder aus Szentendre.

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