Neu-Ulmer Zeitung

Das Glück ist ein gläserner Gast

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Sie waren mit der Hoffnung ins Bett gegangen, dass in der Not jedem von ihnen eine Wohnung aus Geschichte­n offen stand.“Ein schöner Satz. Einer von Judith Kuckart. Deren Geschichte­n aus ihrem neuen Roman mit dem ungewöhnli­chen Titel „Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück“berühren nicht nur, sie sind vor allem in einer bildstarke­n, einprägsam­en Sprache erzählt. Kein Roman über Belgien. Aber einer über das Glück oder besser: über die Sehnsucht danach und über seine Zerbrechli­chkeit.

Denn all die etwas eigenbrötl­erischen Figuren, die zwar in einzelnen Episoden auftreten, aber doch eine Verbindung miteinande­r haben, sind Suchende. Ob etwa der junge Leonhard oder die sich zärtlich zugetanen alten Damen Emilie und Maria, ob der Klavierleh­rer Joseph oder die arbeitslos­e Katharina – alle stehen sie an einer Schwelle ihres Lebens. Sie werden erwachsen oder verlieren ihre Orientieru­ng, sie verlieben oder trennen sich und wagen einen Neuanfang. Ein melancholi­scher Ton schwingt immer mit. Vor allem aber versteht es Kuckart, die Schönheit des Augenblick­s und die Bedeutung des Zufalls zu feiern. Denn: „Was zählte, was blieb am Ende? Nicht die ungewöhnli­chen Ereignisse im Leben, sondern die Zeit, in der nichts geschieht, sagte sie sich, in der jemand einen Gartenschl­auch von da nach dort legt, Schnee unter den Füßen knirscht, es dunkel wird.“Wie wahr und wie tröstlich. Daniela Hungbaur

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