Ein untadeliger Mann fällt aus der Zeit
Ein untadeliger Mann“ist kein Romantitel, der einen anspringt. Dazu klingt er zu langweilig. Doch davon sollte man sich keinesfalls schrecken lassen. Jane Gardam ist nicht nur ein packendes Porträt dieses ebenso interessanten wie exzentrischen Juristen Edward Feathers gelungen. Die Autorin analysiert stilsicher und einfühlsam, wie Menschen zu dem werden, was sie sind.
Gardam fesselt, indem sie uns hinter die Fassade dieses nach außen hin so elegant und erhaben auftretenden Mannes blicken lässt. Ihn und seine nicht minder beeindruckende Frau Betty verbindet vor allem ihre Herkunft: Beide sind Kinder britischer Kolonialbeamter in Südostasien. Als Ehepaar genießen sie ein luxuriöses Leben in Hongkong. Erst im Alter zieht es sie wieder zurück nach Großbritannien, nach Dorset. Dort beginnt der Roman. Feathers geht auf die 80 zu. Seine Frau Betty stirbt überraschend beim Tulpenzwiebelsetzen. Ihr Tod löst etwas bei Feathers. Schließlich war es Betty, die die Albträume seiner Kindheit linderte. Jetzt gilt es diese aufzuarbeiten: die vielen Verluste geliebter Menschen, die Grausamkeiten in der Pflegefamilie, eine belastende Tat. Feathers ist beruflich ein Held, im Innern aber ein im Stich gelassenes Kind. Anhand seiner Geschichte erzählt Gardam wie nebenbei den Untergang des Empire. Es ist ein vielversprechender Auftakt einer Trilogie. Ein Buch, in das man wunderbar abtauchen kann. Daniela Hungbaur Jane Gardam: Ein untadeliger Mann Übers. von Isabel Bogdan, Hanser Berlin, 352 Seiten, 22,90 Euro