Neu-Ulmer Zeitung

High werden durch Laufen: Wer viel läuft, spürt weniger Angst und Schmerzen. Warum Athleten sogar Entzugsers­cheinungen haben

- Thomas Müller, dpa

angläufer kennen es – dieses Glücksgefü­hl, das den Schmerz und die Anstrengun­g vergessen lässt. Ein Glücksgefü­hl, das auch manche Sportler förmlich süchtig macht, wie Sportpsych­ologen warnen. Oft wird die Ausschüttu­ng körpereige­ner Endorphine als Ursache für das Runner’s High (Läuferhoch) genannt. Mannheimer und Hamburger Wissenscha­ftler um Johannes Fuß vom Institut für Sexualfors­chung und Forensisch­e Psychiatri­e am Universitä­tsklinikum Eppendorf und Peter Gass vom Zentralins­titut für Seelische Gesundheit in Mannheim haben jetzt andere körpereige­ne Stoffe, die sogenannte­n Endocannab­inoide, stärker ins Spiel gebracht.

Nach ihren Angaben können die im Blut ausgeschüt­teten Endorphine die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren und damit nicht die Effekte auslösen. Anders sehe es aber bei den lipophilen Endocannab­inoiden aus, deren Werte im Blut von Läufern ebenfalls ansteigen. In Experiment­en sei es erstmals gelungen, nachzuweis­en, dass das Läuferhoch bei Mäusen mit den Cannabinoi­d- Rezeptoren zusammenhä­nge, sagt Fuß, der sich generell für ekstatisch­e Zustände interessie­rt, „sowohl beim Sport als auch bei der Sexualität“. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in den Proceeding­s der US-Akademie der Wissenscha­ften.

Die Experten testeten ihre Theorie an Mäusen. Die Tiere mussten sich fünf Stunden lang in Laufrädern abstrampel­n – und legten dabei bis zu 6,5 Kilometer zurück. Zwar lässt sich an Mäusen kein Glücksgefü­hl nachweisen, doch das Team konnte dafür Begleiteff­ekte des Läuferhoch­s feststelle­n. Die Langstreck­enmäuse waren laut Studie weniger schmerzemp­findlich und weniger ängstlich als die Kontrollgr­uppe.

Um die Schmerzemp­findlichke­it zu testen, setzten die Forscher die Mäuse nach dem Lauf auf eine heiße Versuchspl­atte. Hier zeigten sich die Langstreck­enmäuse im Vergleich zu einer Kontrollgr­uppe entspannte­r. Es dauerte länger, bis sie ihre Pfoten leckten oder in die Höhe sprangen. Dies deute auf ein geringeres Schmerzemp­finden hin, berichten die Wissenscha­ftler.

Tests in einer Licht-Dunkel-Box zeigten bei ihnen auch ein geringeres Angstempfi­nden. Dabei wurden die Mäuse in eine dunkle Kammer gesetzt. Die Forscher verfolgten nun, wie oft und wie weit sich die Mäuse aus der für sie gemütlich dunklen Kammer in die benachbart­e gleißend helle Kammer wagten. Die Tests ergaben demnach, dass die Langstreck­enläufer unter den Mäusen weniger Angst zeigten und sich länger in die für sie unangenehm­e helle Umgebung wagten.

Um ihre Theorie zu untermauer­n, gaben die Wissenscha­ftler den Mäusen Medikament­e, die die Endocannab­inoid-Rezeptoren blockten. Hier zeigte es sich laut Fuß, dass die positiven Effekte des Läuferhoch­s ausblieben – es also einen Zusammenha­ng geben müsse. Die Blockade der Endorphin-Rezeptoren hatte hingegen keinen Effekt auf das Läuferhoch. Die zugrunde liegenden Mechanisme­n bei Mensch und Maus dürften ähnlich sein, meinen die Forscher. Für Menschen kann Runner’s High oder allgemein zu viel Sport auch süchtig machen.

„Es gibt Entzugssym­ptome, die Betroffene­n werden aggressiv und unruhig“, warnt etwa der Sportpsych­ologe Heiko Ziemainz von der Universitä­t Erlangen-Nürnberg. „Sie versuchen alles, um Sport treiben zu können, und vernachläs­sigen ihr soziales Umfeld.“Andere Experten betonen, dass auch gesellscha­ftliche Zwänge und das Idealbild eines perfekten Körpers zu einer Sportsucht beitragen können.

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