Der Schriftsteller und sein General
Patrick Leigh Fermor war ein Abenteurer. Er liebte die Abenteuer des Geistes, die Abenteuer fremder Länder und die Abenteuer, die ihm der Krieg hinter feindlichen Reihen bot. Man kann ihn einen literarischen James Bond nennen. Sein Vater diente – sehr englisch – als Kolonialbeamter in Indien. Patrick wurde standesgemäß in den Privatschulen der Oberschicht untergebracht. Er saugte die alten Griechen und Lateiner nur so auf, aber sein unruhiger Geist trieb den 18-Jährigen nach chaotischen Schuljahren in sein erstes großes Abenteuer: Patrick brach 1933 zu einer epischen Wanderschaft den Rhein und die Donau entlang bis nach Istanbul auf. Als er 1935 nach mehr als einjähriger Wanderschaft wieder in England war, hatte er ein Europa kennen gelernt, das von den Nazis bedroht und dem Untergang geweiht war. Noch aber lebte das alte, kultivierte, geschichtsschwere und romantische Deutschland und die Doppelmonar- chie war noch gegenwärtig. Leigh Fermor beschrieb beides, das alte, das er bestaunte, und die Gefahr, die alles zerstören würde. („Die Zeit der Gaben“, „Zwischen Wäldern und Wasser“, „Die unterbrochene Reise“.)
Ein noch spektakuläreres Abenteuer erwartete ihn im Krieg. Als britischer Geheimagent stieß Leigh Fermor 1944 zu den griechischen Partisanen auf Kreta, das von Deutschen besetzt war. Ein General namens Heinrich Kreipe hatte das Kommando auf der Insel. Nicht für lange, denn Leigh Fermor plante im Bergversteck einen Handstreich. Mit einer Gruppe Partisanen, als deutsche Soldaten verkleidet, lauerte er dem General vor dessen Dienstwoh- nung in Knossos auf. Als dieser sich seiner Villa Ariadne näherte und gestoppt wurde, glaubte er an einen Kontrollposten seiner Soldaten. Und fand er sich hoch im Gebirge als Gefangener wieder. Für den Deutschen war der Krieg zu Ende. Es war ein kultiviertes Ende. Fermor: „Ich tauschte mit dem General in unserem Versteck lateinische Zitate aus.“
Nach diesem Husarenstück war Patrick Leigh Fermor in seiner Heimat ein berühmter Mann. Die Briten verehren den inzwischen Verstorbenen als einen ihrer großen Sprachkünstler. Er ist mehr als das. Als schreibender Wanderer und Geheimagent lässt er vor unseren Auge ein Kultur-Europa entstehen, das in einem Abgrund versunken ist. Er ist Augenzeuge eines großen Verlustes.